Immoblienmogul Benko gefeuert: Eigentümer gegen „Wunderwuzzi“
Ein wankendes Imperium, Baustellen, auf denen nicht gearbeitet wird: Nun haben Investoren Immobilienmogul Benko entmachtet. Signa liegt in Trümmern.
Aus René Benko wurde einer der größten Immobilienentwickler, wie man das nennt. Der heute 46-Jährige baute sich mit seiner Firma Signa ein riesiges, weit verzweigtes Reich auf. Mal wird er als zweitreichster Österreicher benannt, mal auf Platz fünf gelistet, sein Vermögen wird auf mehr als fünf Milliarden Euro geschätzt.
Seit diesem Freitag nun scheint das alles aus zu sein, wie verschiedene Medien berichteten. Nachdem Signa finanziell mehr und mehr ins Schwanken geriet und auf den Baustellen nicht mehr gearbeitet wurde, haben ihn die Investoren offenbar entmachtet, also rausgeworfen. Und Signa liegt nun vorerst in Trümmern.
Wann immer es in guten städtischen Lagen Grund oder Immobilien zu kaufen gab, war René Benko da. Er begann in Innsbruck, weitete das Geschäft auf Österreich aus, dann kamen der ungleich größere deutsche Markt sowie Italien. Und er übernahm den dauer-krisengeplagten Kaufhauskonzern Galeria-Karstadt-Kaufhof.
Kräne im Hamburg stehen still
In den letzten Wochen waren Benkos Finanznöte nicht zu übersehen. Am Hamburger Elbtower, ein riesiges Vorzeigeprojekt in der Hafencity, wurde nicht mehr gebaut. 65 Stockwerke soll der Wolkenkratzer, entworfen vom britischen Architektenstar David Chipperfield, haben und 240 Meter hoch sein. Bisher sind rund 20 Stockwerke gebaut, doch die Kräne stehen still. Der nächste Fall wurde in der Stuttgarter Flaniermeile Königstraße bekannt. Dort plante Signa ein Millionenprojekt für Handel und Büros. Das alte Haus wurde abgerissen, doch von Arbeiten am neuen ist nichts zu sehen. Stattdessen wurde dem planenden Münchner Büro Steidle Architekten die Unterbrechung mitgeteilt.
„Dieses Imperium erscheint wie ein Kartenhaus“, sagt Wirtschaftsprofessor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein im Gespräch mit der taz. „Vieles an Signa wirkt nicht seriös.“ Er vermisst „Sicherungsmechanismen“ und meint, Benko habe gegenüber den Geldgebern „potenter gewirkt, als er es war“.
In Österreich und anderswo wurde Benko entweder als vorbildlicher Selfmade-Mann gesehen, oder man hielt ihn für einen windigen Geschäftsmann. Also eine Art von Hochstapler. Professor Heinemann sagt: „Die jetzige Lage überrascht mich nicht.“ Man nannte Benko auch den „Wunderwuzzi“.
Benko konnte boomen, weil die Zinsen sehr lange niedrig waren und er billiges Geld bekam für seine Kaufprojekte. Zugleich stiegen die Werte von Immobilien stetig, das war fast ein Naturgesetz. Heute ist das alles nicht mehr so: Darlehen sind teuer, der Immobilienmarkt stagniert und die Baukosten sind wegen Materialmangels und Inflation in die Höhe geschossen.
Undurchsichtige Signa-Gruppe
Einst hatte man etwa den Eindruck, dass Benko etwa die halbe Münchner Innenstadt gehört – Sportartikelhäuser, teure Bekleidungsgeschäfte oder die Alte Akademie – ein Filetstück, das früher ein Jesuitenkloster war. Doch vieles davon hat er auch wieder verkauft. Überall wird das Konstrukt der Sigma-Gruppe als undurchsichtig beschrieben. 12 Büros hat das Unternehmen laut eigener Darstellung – in Deutschland, Österreich, aber auch in Italien, der Schweiz und Luxemburg.
Einerseits ist Benko ein Mann, der öffentlich fast nie auftritt. Andererseits steckt er tief im österreichischen „Freunderlsumpf“, wie man im Nachbarland sagt. Er war bestens bekannt vor allem mit Politikern aus der Regierungszeit des einstigen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz.
Viele dort meinen zu wissen, wo sich etwa der frühere FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache an dem Vormittag aufhielt, als er direkt im Anschluss in die Falle des Ibiza-Videos getappt war: auf der Yacht von René Benko.
„Es gibt in Österreich eine wahnsinnige Nähe von Wirtschaft und Politik“, sagt der sozialdemokratisch Parlamentsabgeordnete Jan Krainer zur taz. Benko sei in den Ministerien „ein- und ausgegangen, als sei er der Minister selbst“. Ein Mal ist er in einem Korruptionsprozess zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.
Benkos „Hideaway“ in den Alpen
Wie der gefallene Mogul als Mensch ist, wie er tickt, lässt sich kaum sagen. Denn dazu hat er immer geschwiegen. Eine Ahnung bekommt man vielleicht, wenn man sich das von ihm gebaute Luxusanwesen „Chalet N“ im Promi-Skiort Lech am Arlberg vor Ort anschaut. 38 Millionen Euro soll das „Hideaway“ in den Alpen gekostet haben. Der mit dunklem Holz verkleidete Klotz ist seiner zweiten Ehefrau Nathalie „gewidmet“. Einmieten kann man sich ins „Chalet N“ zumindest gemäß der Homepage auch – laut einem Internetvermittler liegt der Mietpreis allerdings etwa um Weihnachten bei 510.000 Euro – pro Woche.
Die Galeria-Kaufhäuser sind erst einmal nicht von dem Beben betroffen. Einst hatte Benko dort weit höhere Gewinnerwartungen gehabt, doch der Einzelhandel stagniert oder geht zurück. Weshalb es für Ökonom Heinemann nicht undenkbar ist, dass Galeria erneut in einer Insolvenz landen könnte. Wie konnte es zu all dem kommen? Heinemann sagt: „Vielleicht erinnert sich noch jemand an Jürgen Schneider. Der besaß auch einst ein Imperium.“ 1994 legte der Immobilienunternehmer eine riesige Pleite hin und wurde wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu fast sieben Jahren Haft verurteilt. Inzwischen ist er 89 Jahre alt.
Benko hatte Signa völlig auf sich ausgerichtet. Um ihm zu glauben, gehörten laut Heinemann „eine gehörige Portion Hoffnung und eine rosarote Brille“. Zu Stuttgart, wo Signa mitgeteilt hatte, dass es keinen Baustopp, sondern nur wegen hohen Interesses eine „Umplanung“ gebe, meint er: „Da ist man womöglich in einem Hoffnungsdelirium.“
Wie die Lage jetzt ist und was aus dem Imperium wird, ist derzeit völlig unklar. Als gesichert gilt, dass Benko sich auf Druck der Investoren zurückzieht – das hat der österreichische Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiger dem ORF-Radio bestätigt. Als wichtiger Mann im Hintergrund wird der bekannte Insolvenzverwalter und Unternehmenssanierer Arndt Geiwitz aus Neu-Ulm gesehen, der noch von Benko selbst geholt worden war, um bei Signa Ordnung zu schaffen. Berichte, dass Benko sein Stimmrecht an Geiwitz übertragen habe, bestätigt der Sanierer auf Anfrage nicht.
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