Imkern als Hobby: To bee or not to bee
Wer der Biodiversität einen Gefallen tun will, kann die Imkerei getrost vergessen. Über ein In-Hobby mit Katastrophenpotenzial.
Bienenberichterstattung ist ein Katastrophengenre. Schädlinge, Vergiftungen durch Pestizide, Nahrungsknappheit durch insektenfeindliche Monokulturen auf Agrarflächen und die nachteilige Veränderung der Lebensbedingungen infolge des Klimawandels: Es sieht mies aus für die Bienen, und wir müssen ihnen helfen.
So denken immer mehr Menschen, gerade in Städten, und fangen an zu imkern. Dabei ist die seit Jahrtausenden domestizierte Honigbiene vom Insektensterben kaum betroffen – ganz im Gegensatz zur Wildbiene, von der es Hunderte Sorten gibt. Wer der Biodiversität einen Gefallen tun will, kann die Imkerei deshalb getrost vergessen und sollte sich lieber mit Bienenweiden, also bunt blühender Balkon- und Gartenbepflanzung, oder Nisthilfen beschäftigen.
Dennoch ist die Imkerei in den vergangen Jahren so etwas wie ein In-Hobby geworden. Eigener Honig ist einfach auch ein sehr schönes Geschenk für so ziemlich jeden Anlass. An dieser Stelle kann von der Bienenhaltung aber eigentlich nur abgeraten werden, denn auch die ist über weite Strecken ein Katastrophengenre.
Gewiss, die Betreuung eines oder mehrerer Bienenvölker hat etwas Kontemplatives und erzeugt für die Imker*innen eine seltsam paradoxe Naturnähe. Paradox deshalb, weil die Haltung der Honigbiene nun gerade kein Beispiel für naturbelassene Ökologie ist, sondern eine der ältesten heute noch praktizierten Kulturleistungen der Menschheit. Wer Bienen hält, hat eine Tierwirtschaft, fliegende Kühe gewissermaßen, alle Verantwortung und Arbeit inklusive.
Die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) ist ein seit Jahrtausenden domestizierter Hautflügler, der zur Honigproduktion und zur Bestäubung von Pflanzen gehalten wird. In Deutschland gibt es nach Angaben des Deutschen Imkerbundes etwa 150.000 Imker*innen mit insgesamt mehr als einer Million Bienenvölkern, was zig Milliarden Bienen ausmacht – Tendenz seit gut zehn Jahren deutlich ansteigend. Während Berufsimker*innen in der Regel mehrere Dutzend Völker betreuen, sind für den Hobbybetrieb weniger als zehn Völker üblich.
Deshalb sollte bei Interesse für die Imkerei in jedem Fall nach lokalen Angeboten von Kursen und Betreuung durch erfahrene Imker*innen Ausschau gehalten werden. So kann man eine informierte Entscheidung treffen, ob die Anschaffung eines Bienenvolkes wirklich infrage kommt. Es ist gut möglich, dass in Großstädten eher davon abgeraten wird, da bereits eine im wahrsten Wortsinne „Überbevölkerung“ beobachtet wird.
Die in Kursen erlernte Praxis ist außerdem nötig, um eine eigene entwickeln zu können. Kein YouTube-Videokurs ersetzt das Erlebnis, das erste Mal einen Rahmen aus der Beute (so heißt der Bienenkasten im Jargon) zu nehmen und die verschiedenen Stadien der Brut aus nächster Nähe zu sehen. Auch die Mitgliedschaft in einem Verein bringt Vorteile, vergünstigte Versicherungen und erleichterter Zugang zu veterinärmedizinischer Betreuung gehören dazu.
Bei der Haltung wird zwischen zwei Methoden unterschieden: der „konventionellen“ und der „wesensgemäßen“ Imkerei. Letztere orientiert sich an anthroposophischen Lehren und beansprucht für sich, die Bienen besonders naturnah zu halten, während konventionelle Imkerei auf besonders effiziente Honigproduktion ausgerichtet ist.
Dafür wird zum Beispiel durch den Bienenkasten – im Fachjargon „Beute“ genannt – eine bestimmte Wabenkonstruktion erzwungen, die sowohl Drohnenbrut als auch natürlichen Schwarmdrang unterdrückt. In der wesensgemäßen Haltung hingegen wird die Aufzucht männlicher Bienen zugelassen, genauso wie das Schwärmen, also die Teilung des Bienenvolkes.
In der Praxis sind die Grenzen zwischen beiden Haltungsmethoden nicht ganz so scharf, gerade in der Hobbyimkerei. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Methoden in der konventionellen Haltung sowieso schon sehr divers sind, aber auch an rein pragmatischen Erwägungen. So ist die Verwendung von sogenannten Magazinbeuten, die Honiglagerungs- und Brutbereich trennen, in der wesensgemäßen Haltung eigentlich verpönt. Dennoch kann die Magazinvariante gerade für Anfänger*innen viel leichter zu bearbeiten sein als die wesensgemäße Einraumbeute.
Auch bei guter Ausbildung bleibt eines jedenfalls schmerzlich klar: In vielen Zweifelsfällen der Bienenhaltung sind richtig oder falsch kaum eindeutig zu unterscheiden. Erfahrene Imker*innen berichten, dass auch nach langjähriger Beobachtung und praktischer Tätigkeit zumindest ein Teil ihrer Methoden die Validität eines Münzwurfs hat. Manchmal klappt’s, manchmal eben nicht. Die Empirie ist für ein seit Jahrtausenden domestiziertes Geschöpf erstaunlich gering.
Das benötigte Material für den Beginn einer eigenen Imkerei verursacht bereits in der sparsamsten Grundausstattung schnell Kosten in Höhe von mehreren Hundert Euro. Schutzkleidung braucht es natürlich. Besser sind zwei Ausstattungen, denn einige Arbeiten an der Beute werden vor allem von frischgebackenen Hobbyimker*innen besser nicht allein gemacht. Ein Stockmeißel ist für das Handling der teilweise fest mit Propolis – Bienenharz – verklebten Rahmen unverzichtbar.
Die Bienenhaltung hat eine lange Geschichte. Älteste Zeugnisse der Imkerei stammen aus Anatolien und sind 7.000 Jahre alt. Antike Zentren der Imkerei waren Ägypten, Griechenland und das Römische Reich. Neben archäologischen Funden belegen auch alte juristische Regelungen die Bedeutung der Honigbiene. So finden sich sowohl im oströmischen Zivilrecht als auch im salischen Gesetz, beide aus dem 6. Jahrhundert stammend, verbindliche Standards für die Imkerei. Insbesondere das Schwarmverfolgungsrecht hat seit jener Zeit überdauert. Darin wird unter anderem geregelt, dass Imker*innen bei Auszug eines Schwarms zum Einfangen auch fremde Grundstücke betreten dürfen, solange sie unmittelbar die Verfolgung des Schwarms aufnehmen.
Ein Smoker gehört ebenfalls zum nötigen Werkzeug. Dabei beruhigt in die Beute geblasener Rauch die Bienen übrigens nicht, im Gegenteil. In Panik und Antizipation eines Feuers und gegebenenfalls nötiger Flucht saugen sich die Tiere mit Vorräten voll und werden auf diese Weise abgelenkt von diesem verschleierten Menschen, der Dach und Einrichtung der Heimstatt entnimmt. Und dann braucht es natürlich eine Beute. Die ist der teuerste Einzelposten der Ausrüstung und kostet neuwertig je nach Typ zwischen 100 und 300 Euro.
Ein Problem, mit dem die Verfechter*innen der wesensgemäßen Haltung häufiger konfrontiert sind, ist die unkontrollierte Teilung von Völkern, das sogenannte Schwärmen. Hat das Volk eine bestimmte Größe erreicht, werden neue Königinnen herangezogen, die dann mit einem Teil der Bienen die Beute übernehmen. Die alte Königin verlässt den Stock mit dem Rest und sucht ein neues Zuhause.
Bei regelmäßiger Kontrolle lässt sich der Moment des Schwärmens bis auf wenige Tage eingeschränkt vorhersagen oder durch Entfernung der Brutwaben für Königinnen sogar verhindern, absolute Sicherheit gibt es jedoch nicht. Deshalb wird das Schwärmen bisweilen vorweggenommen, das heißt, es werden einfach nach Augenmaß Bienen inklusive der alten Königin entnommen und umgesiedelt.
Das muss das Volk nicht an weiteren Teilungen (Nachschwärme) hindern. Die Ausgezogenen hängen dann irgendwo im nahen Umkreis als Traube herum und lassen ihre Scouts eine geeignete Unterkunft suchen. Das kann Tage dauern – und wird schnell zum Albtraum, wenn man seinen Schwarm einsammeln will, dieser sich aber beispielsweise für ein Zwischenquartier an einem Baum in fünf Metern Höhe entscheidet.
Ohne Imkerei ist die Honigbiene kaum überlebensfähig. In ihrer langen Geschichte als Nutztier ist sie anfällig für Krankheiten und Parasiten geworden, die ohne Behandlung ernsthaft bestandsgefährdend wären.
Praktisch jedes Bienenvolk hat mit der Varroamilbe zu kämpfen. Sie befällt die Brutlarven und schwächt diese erheblich. Bei der gängigsten Behandlungsmethode wird ein Verdunster mit Ameisensäure in der Beute platziert. Bei wesensgemäßer Haltung wird der Befall zusätzlich durch die Brutpause während des Schwärmens eingeschränkt.
Gefürchtet ist außerdem die Faulbrut, eine bakterielle Erkrankung, die veterinäramtlich anzeigepflichtig ist. Sie gilt als derart gefährlich, dass bei ihrem Auftreten Sperrbezirke errichtet werden. Bislang konnten befallene Völker nur vernichtet werden, inzwischen gibt es Modellprojekte (unter anderem im Land Brandenburg), womit versucht wird, befallene Völker zu sanieren.
In den ersten Monaten des Jahres nimmt die Imkerei Fahrt auf. Gerade ein milder Winter wie der diesjährige lässt die Völker bisweilen schon im Januar ein bisschen ausfliegen und einen Blick auf die Umgebung werfen. Ab etwa zehn Grad Außentemperatur zeigen sich die Insekten beweglich, ist es kälter, halten sie sich in einer temperaturregulierten Traube in der Beute auf.
Ein ungefähr wöchentlicher Blick in die Beute ist nötig, um über den Zustand des Bienenvolkes im Bilde zu bleiben. Sind es zwei, drei oder mehr, summiert sich der Zeitaufwand zügig. Sehr unsichere Angaben resultieren naturgemäß aus Versuchen, diesen zu schätzen. Wie lange ungeübte Imker*innen schon unter idealen Bedingungen für die Standardaufgaben benötigen, ist individuell recht unterschiedlich.
Kommt dann ein schlimmerer Krankheitsbefall dazu, hat das Volk großen Schwarmdrang, räubern andere Bienen, Insekten oder sonstige Schädlinge, wird die Angelegenheit schnell zeitraubend stressig. Von der emotionalen Belastung ganz zu schweigen. Regelmäßig sprechen Imker*innen von ihren Bienen in liebevollen, fast romantischen Tönen. Es ist ein Wunder, dass daneben gelegentlich noch Platz für eine Paarbeziehung oder Ehe bleibt.
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Aber immerhin gibt es Honig. Nicht jedoch im ersten Jahr, jedenfalls nicht von den wesensgemäß gehaltenen Bienen. Der Honig ist schließlich der Wintervorrat der Tiere, und im ersten Jahr muss dieser zunächst eine kritische Menge übersteigen. Tut er das nicht, zum Beispiel weil das Volk zu spät erworben wurde, muss mit Zuckerwasser oder einem Nährteig zugefüttert werden, die Honigernte ist dann aufs nächste Jahr verschoben. Bei konventioneller Haltung wird sowieso zugefüttert, dafür kann mehr Honig entnommen werden.
Und der Verkauf? Nicht so schnell! Die Regeln für die kommerzielle Verwertung von Honig folgen den üblichen recht strengen Lebensmittelvorschriften. Die Etikettierung ist penibel reguliert, inklusive Mindesthaltbarkeitsdatum, was ein bisschen ein Witz ist, da Honig im Prinzip nicht schlecht werden kann. Den ganzen Stress kann man sich auch sparen und einfach die Produkte der Berufsimker*innen erwerben und eine Bienenweide pflanzen. Das schont Nerven und Geldbeutel.
Die Vielfalt der Wildbiene ist mit mehreren Zehntausend klassifizierten Arten gewaltig, in der Tendenz jedoch zügig sinkend. In Deutschland sind etwa 560 Wildbienenarten bekannt, die so wohlklingende Namen tragen wie Garten-Blattschneiderbiene, Glockenblumen-Sägehornbiene, Dunkelfransige Hosenbiene, Gelbbindige Furchenbiene, Mohn-Mauerbiene oder Stumpfzähnige Zottelbiene. Auch die Hummel gehört übrigens zu den Wildbienen, nicht aber die Wespe. Viele Wildbienen gelten als gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht – insbesondere jene Arten, die vor allem im Spätsommer Nahrung suchen. Als Gründe werden hauptsächlich Pestizideinsatz und monokulturelle Landwirtschaft vermutet.
Dass Bienenweiden besonders Wildbienen helfen, liegt an einer Besonderheit der Honigbiene: ihrer Trachtentreue. Als Tracht wird das Angebot an Nektar und Pollen bezeichnet. Während Wildbienen oft relativ erratisch verschiedenste Blüten ansteuern, ziehen Honigbienen ein uniformes Angebot unbedingt vor, zum Beispiel Rapsfelder oder Obstplantagen. Die Aussaat gemischter Bienenweiden ist deshalb vor allem ein Beitrag zum Futterangebot für Wildbienen. Deren hippieskes Getaumel ist neben der mangelnden Vorratshaltung einer der wichtigsten Unterschiede zur fast soldatisch anmutenden Effizienz der Honigbienen.
Der sich im Zuge der Marihuanalegalisierung ausbreitende Hanfanbau in Nordamerika erweitert nach einer aktuellen US-Studie der Cornell-Universität übrigens das Nahrungsangebot der Wildbienen. Während die Honigbienen zwischen August und September schon längst ihre Wintervorräte vervollständigt haben, sind die dann blühenden Hanfpflanzen eine willkommene Zusatztracht für die wilden Schwestern. Das ist letztlich aber doch weniger hippiesk, als man vielleicht denken mag, denn Bienen haben keine THC-Rezeptoren.
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