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Im HaifischbeckenKirche gegen Kinder

Eine Kirchengemeinde kündigt den Mietvertrag einer privaten Kita – wie es mit dem Gebäude weitergeht, ist unklar. Die Kita weiß nun nicht, wohin.

In Berlin herrscht Kitaplatz-Mangel – in Zehlendorf muss nun womöglich ein Kinderhaus schließen Foto: dpa

Die Hilferufe mehren sich: Ein Café hier, ein Buchladen da, ein Kindergarten oder gleich ein ganzes Mietshaus – überall in der Stadt fürchten MieterInnen und Gewerbetreibende um ihre Existenz. Sie werden hinausgentrifiziert, gekündigt, zwangsgeräumt. Und immer mehr von ihnen wehren sich. Wir erzählen an dieser Stelle ihre Geschichten. Auch betroffen? Dann schreiben Sie gerne an haifischbecken@taz.de.

Die kleinen Fische Im Kinderhaus Schönow in Zehlendorf werden aktuell 19 Kinder betreut – ab August 2020 könnten die Kids und ihre BetreuerInnen aber auf der Straße sitzen. Die Kirchengemeinde Schönow-Buschgraben, Vermieterin des Kinderhauses, hat Anfang des Jahres den seit 50 Jahren währenden Mietvertrag gekündigt.

Isabel Netzband von der Elterninitiative der Kita erzählt im Gespräch mit der taz: „Wir waren sprachlos. Die Kirchengemeinde kündigt den sei 50 Jahren existenten Mietvertrag mit der lapidaren Aussage, man habe eigene Pläne für das Gelände.“ Die Kita ist in einem Holzgebäude auf dem 1.800 Quadratmeter großen Gelände der Kirchengemeinde untergebracht. Das Gebäude ist nicht barrierefrei, die Kirchengemeinde will es deshalb loswerden oder renovieren.

„Der Entschluss der Kirche bedroht auch die finanzielle Grundlage unserer Familie“, zitiert das Kinderhaus einen Vater. Er gehe davon aus, dass die Familie keinen neuen Kita-Platz finde und nun ein Elternteil täglich betreuend zu Hause bleiben müsse.

Der große Fisch Die Kirchengemeinde Schönow-Buschgraben will sich derweil nicht in die Rolle des bösen Immobilienhais drängen lassen. „Wir müssen als Kirchengemeinde wirtschaftlich handeln“, rechtfertigt Pfarrerin Katharina Loh im Gespräch mit der taz die Kündigung. Man sei in Gesprächen mit dem Kinderhaus, eine Entscheidung über einen vielleicht doch möglichen Kita-Verbleib auf dem Gelände sei noch nicht gefallen. Fest stehe nur, dass das Gelände neu verwertet werden müsse.

Loh erklärt: „Wir können nicht sagen, dass wir aus humanitären Gründen den Stillstand auf dem Gelände ausrufen.“ Ob es zu einem Verkauf oder einer Renovierung des Kita-Holzhauses komme, werde sich erst im Verlauf der Planung zeigen. Die Gemeinde benötige barrierefreie Räumlichkeiten, so Loh.

Wer frisst wen? Die Kirchengemeinde muss abwägen, wie sie wirtschaftlich in die Zukunft geht – die Kita-Mitarbeiterinnen wollen ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, die Kinder nicht ihren täglichen Betreuungsort. Netzband erklärt: „Das wirtschaftliche Überleben des Kindergartens ist in Gefahr.“ Neuanmeldungen seien an Fristen gebunden, die Kita könne Eltern aber ohne Klarheit seitens der Kirchengemeinde keine Perspektive aufzeigen.

„Das ist ein bisschen Hinhalten. Sie sagen, wir helfen euch, dann kommt aber kein aktives Angebot.“ Man habe deshalb den Schritt an die Öffentlichkeit gewählt, verteile Flyer und suche nach einer neuen Fläche für den Kindergarten – ein schwieriges Unterfangen bei den aktuellen Gewerbemieten in Berlin.

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3 Kommentare

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  • Hmm. Bin selbst Rollifahrerin, und muss sagen: Barrierefreiheit herstellen ist kein Eigennutz. Das macht mich echt sauer, wenn hier wieder einmal zu Lasten derjenigen geredet wird, die es eh schon am schwersten haben. Offenbar ist es ja auch so, dass die Kirche gesprächsbereit ist - bei so basisdemokratischen Einrichtungen wie Kirchengemeinden dauert halt alles länger.



    Aber es ist wieder wie überall: Barrierefreiheit ja, aber wehe, sie stört irgendwie.

  • Typisch Kirche: Weder Nächstenliebe noch soziale Verantwortung, nur Eigennutz im Blick.

  • Schon schwierig, das mit der Nächstenliebe, wenn man sich selbst der Nächste ist!