Im Fall eines Wirtschaftsabschwungs: Scholz arbeitet an einem Notfallplan
Die schöne Zeit sei vorbei, sagt der Bundesfinanzminister. Sollte die Wirtschaftsleistung sinken, sehe er geringere Steuern und Mehrausgaben vor.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt seine Beamten an Plänen für den Fall eines Wirtschaftsabschwungs arbeiten. Sollte die Wirtschaftsleistung schwächeln, seien Steuersenkungen und Mehrausgaben vorgesehen, berichtet der Spiegel aus Regierungsquellen. Während viele Fachleute in den vergangenen wirtschaftsstarken Jahren von Steuersenkungen abrieten, wären solche Maßnahmen nach Ansicht des Ministeriums als Mittel gegen eine Rezession sehr wohl gerechtfertigt.
Scholz scheint also mit einem Abschwung zu rechnen. „Die schöne Zeit, in der der Staat immer mehr Steuern einnimmt als erwartet, ist vorbei“, sagte der Minister der Bild am Sonntag. Er bekräftigte seinen Plan, den Solidaritätszuschlag für hohe Einkommen bestehen zu lassen, während er für niedrige und mittlere Einkommen bis 2021 auslaufen soll. Zugleich beharrt er darauf, auch künftig keine neuen Schulden zu machen – obwohl er selbst mit weniger Einnahmen, aber Steuersenkungen und eventuell sogar Konjunkturausgaben plant. Durch diese Kombination müsste eigentlich das Defizit steigen. Das Haushaltsminus des Bundes war seit 2012 konstant niedrig. Oft konnte der Staat sogar Überschüsse verbuchen.
Scholz hat sich als Kanzlerkandidat in Stellung gebracht und will offenbar seine Wirtschaftskompetenz untermauern. Zugleich muss er zugeben, dass ein Ende des Aufschwungs bis hin zu einem Abschwung der Weltwirtschaft eine wahrscheinliche Option ist. Die Ökonomen verzeichnen derzeit stark gemischte Signale. In Deutschland mit seiner niedrigen Arbeitslosigkeit sieht es auf den ersten Blick noch ganz gut aus. Auch aus den USA liegen robuste Job-Daten vor.
Die unklare Lage macht sich vor allem an den Börsen bemerkbar. Die Kurse schwanken im Wochentakt vom Plus ins Minus. Hinzu kommt ein womöglich ungeordneter Brexit, und der Streit um den italienischen Schuldenhaushalt sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Die Prognosen der Volkswirte laufen daher weit auseinander. Bankenanalysten erwarten noch ein Wachstum von 1,5 Prozent, nur geringfügig weniger als 2018. Das Ifo-Institut rechnet mit lediglich 1,1 Prozent. Noch düsterer sieht der Mittelstand die Lage. Mehr als die Hälfte der Unternehmer sagt in einer Erhebung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), dass sie eine Rezession befürchten.
Weltweit wappnen sich Industrie- und Schwellenländer dafür, die Wirtschaft erneut anzuschieben. China zum Beispiel. Premier Li Keqiang kündigte Ende der vergangenen Woche „antizyklische Maßnahmen“ an. Er wolle die Geldpolitik erneut lockern sowie die Steuern senken. Peking hat zuletzt auch die Ausgaben für Bauprojekte wieder hochgefahren. Das alles sind Nachrichten, die auch Finanzminister Olaf Scholz bei seinen Konjunktursorgen etwas beruhigen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen