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Im Dschungelbiotop an der NeißeWie tief kann man sinken?

Das Naturbewusstsein in Deutschland steigt. Unser taz-Redakteur macht beim Feldversuch durchwachsene Erfahrungen.

Das ist eine Sackgasse, aber mit Naturerlebnis: Graureiher an der Neiße Foto: Matthias Wehnert/imago

D ie gute Nachricht lautet: „Das Naturbewusstsein in Deutschland steigt“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze vor zwei Wochen, „insbesondere die Wertschätzung der Natur.“ Zur gleichen Zeit brach ich in Sachsen durch ein Dickicht an Schlingpflanzen. Triefend nass knickte ich meterhohe Farne um, brach bambusgroße Pflanzenstämme ab, riss Blätter an den Büschen ab. Mit meinem postgelben taz-Bike hinterließ ich am Ufer der Neiße in diesem subtropischen Dschungelbiotop eine Schneise der Zerstörung. Wie tief kann ein Umweltjournalist sinken?

Keine Angst: Tiefer als bis zum Oberschenkel geht es nicht. Jedenfalls nicht in der Neiße kurz hinter Zittau. Zusammen mit dem Kollegen B. war ich auf einer wunderbaren Radtour. Wir wollten eigentlich nur radfahren. Wir lernten viel darüber, was man in ökonomischen Debatten „Pfadabhängigkeit“ nennt.

Wir jedenfalls waren dem Fahrradpfad an Neiße und Oder komplett ausgeliefert. Hinter Braunkohletagebau und Kraftwerk Turow lockte ein Weg am Fluss: Wir radelten in einer engen Waldschlucht an der malerischen Neiße entlang, die wertgeschätzte Natur kam uns immer näher. Die Fahrbahn war erst ein Plattenweg, dann ein Feldweg, dann ganz weg. Nur noch Natur zum Anfassen.

Es war wie bei der Atomkraft oder der Braunkohle: Große Hoffnungen führen in die Sackgasse. Ziemlich bald ahnten wir: Hier stimmt doch was nicht. Aber lustig pfeifend machten wir weiter. Probleme? Lieber einen Gang runterschalten und volle Kraft voraus! Und nach einer Stunde dachten wir: jetzt umkehren? Alles zurück? Puuh, dann lieber noch mal bis zur nächsten Ecke und gucken und hoffen …

An die Natur heranführen

Der Tunnelblick endete im Desaster. Wie in der Energiepolitik zogen wir viel zu spät die Neißleine, und das zulasten der Umwelt. Wir schoben die Räder durch den Fluss und erreichten nach dem Dschungelmassaker verdreckt und voller Mückenstiche den gut asphaltierten (hallo Bodenversiegelung!) Radweg.

Die Studie „Naturbewusstsein 2019“, die das Umweltministerium rechtzeitig zu unserem Feldversuch vorstellte, sagt auch: „63 Prozent der Deutschen ärgern sich deutlich darüber, dass mit der Natur sorglos umgegangen wird.“ Nun ja. Für besseren Naturschutz müsse man „die Menschen intensiver an die Natur selbst und auch an die vielfältigen Tier- und Pflanzenarten heranführen, die bei uns beheimatet sind“, heißt es.

Das kann ich nur bekräftigen. Unsere intensive Heranführung an die heimische Natur, stellte sich später heraus, hatte großen ökologischen Nutzen: Der Pflanzendschungel, den wir am Neißeufer so dezimiert hatten, bestand aus Japanischem Staudenknöterich – eine laut Wikipedia „problematische, unerwünschte invasive Pflanze („Plagepflanze“). So wird man vom Wildnis-Vandalen zum Artenschutz-Helden.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich mag den Artikel. :-)

  • Das Problem mit Touristen, sie wollen unberührte jungfräuliche Natur erleben. Notwendigerweise geht das nur als Erster und das wollen Alle. Dazu kommt noch eine hochnäsige Einstellung gegenüber der Masse die sich neben den Parkplätzen ballt und brav dem markierten Waldlehrpfad folgt.

  • Bodenversiegelung?



    Eher Kopfversiegelung. Ha Ha, was für ein drolliger Artikel. Ich möchte mal eher sagen: Wir trampeln durchs Gemüse, wir trampeln durch die Saat; hurra wir verblöden; die Umwelschäden bezahlt der Vater Staat. Was mich am Artikel wirklich stört ist, wie kann man nur so selbstgerecht sein. Das Problem sehe ich ständig in den Naturschutzgebieten rund um Hamburg. Denn es ist nicht einer, es sind gefühlt hunderte die mit ihren Bikes da durch brettern, als gäb´s kein Morgen. Und nachher regen sich diese D....n darüber auf, dass dort neue Verbotsschilder stehen. Und herrvorragend, dass Eierschaukeln: "So wird man vomWildnis-Vandalen zum Artenschutzhelden" Hö, Hö!

    • 0G
      09084 (Profil gelöscht)
      @sonikon:

      Das nehm ich auch so wahr. Insgesamt wäre hier etwas Zurücknahme wünschenswert. Man sollte sich in solchen Biotopen als Gast betrachten und in der Bewerbung solcher Events auch den Respekt verkörpern, der im Grunde Vorraussetzung ist, solche Refugien überhaupt aufsuchen zu dürfen.



       

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      Die Moderation

  • Hm - also Ihr Naturverständnis in allen Ehren; wichtig wäre vor allem, den neuen "Naturliebhabern" zu vermitteln, dass die Empfindlichkeit der Natur im Jahresverlauf sehr schwankt. Die "Zerstörung" von Pflanzen ist z.B. zur Brutzeit der Vögel das kleinste Problem. Was den Staudenknöterich anbelangt: Von einem Umweltredakteur würde ich schon ein paar grundlegende Kenntnisse der Botanik wünschen - sind diese und die der Grundlagen der Ökologie etwas tiefer, ist es vielleicht sogar im gewissen Rahmen möglich, selbst eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Weg durch`s Unterholz ein Problem darstellt oder nicht.

  • 0G
    09084 (Profil gelöscht)

    Ich möchte Ihre Illusion nur ungern stören, aber so manche Pflanzenart nutzt solche Wirtsgelegenheiten um ihnen ihren Samen anzuheften. Oder bekommen durchs Niederlegen Gelegenheit Wurzelableger auszubilden. Oder erobern über kleine Bruchstücke andere Biotope. Der jap. Staudenknöterich gehört dazu. Insbesondere invasive Arten können da, das liegt irgendwie nahe, ganz schön ausgefuchst sein.



    Tja. Mensch und Natur.

  • Unsere intensive Heranführung an die heimische Natur, stellte sich später heraus, hatte großen ökologischen Nutzen: Der Pflanzendschungel, den wir am Neißeufer so dezimiert hatten, bestand aus Japanischem Staudenknöterich ....



    #



    Na ja, noch mal Glück gehabt. Wäre das Riesen-Bärenklau gewesen, hätte die Taz die Stelle wohl mit einem neuen "Umwelt-Redakteur der sich besser auskennt" besetzen müssen:-(



    Bei allem "Naturbewusstsein" ein wenig Vegitations-Kenntniss, nen Rad-Navi oder wenigstens ne gute Karte auf der Rad-& andere Wege verzeichnet sind, sollte doch zur Grundausrüstung gehören. Sonst landet man(n) im Biotop (geschützt oder nicht) & die Natur oder die "Ranger" schlagen "berechtigt" zurück!



    .



    Gr Sikasuu

    • @Sikasuu:

      Sehr richtig