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Illegale Zuschüsse für LandtagsfraktionenFeiern wie die Fürsten

Die Landtagsfraktionen geben Steuergelder oft für fragwürdige Zwecke aus. Die Landesrechnungshöfe fordern Millionen Euro zurück.

Wer braucht noch mehr Geld? Die Fraktionen im Landtag von Rheinland-Pfalz stimmen ab. Foto: dpa

BERLIN taz | Mittelalterlich anmutende Menschen ziehen durch alte Gemäuer. Dazwischen stehen normal Bekleidete und unterhalten sich freundlich. Die ganze Szene ist eingerahmt von blau-gelben Flaggen. Bis zu ihrer Abwahl 2014 veranstaltete die FDP-Fraktion in Sachsen jedes Jahr ein „Liberales Burgfest“ in einer der vielen Burgen des Bundeslandes. Wähler*innen wurden eingeladen, sich in ganz ungezwungener Atmosphäre mit den Abgeordneten auszutauschen.

„Ich glaube, ich hatte mal vor vielen Jahren eine ganz gute Idee“, sagt der Fraktionsvorsitzende Holger Zastrow in einem Video der FDP zum 6. Liberalen Burgfest. „Darauf bin ich sehr stolz, dass sich das so entwickelt hat und dass es so ein fester Termin im Kalender von ganz, ganz vielen Liberalen und Freunden der Liberalen geworden ist.“ Auch die Teilnehmer*innen des Burgfests freuen sich im Video sichtlich über die Veranstaltung.

Das Problem? Das Fest ist aus Steuergeldern finanziert. Wähler*innen aller Parteien zahlten fleißig für die Werbeveranstaltung der Liberalen. Und das ist nicht vorgesehen. Die Burgfeste in Sachsen sind ein besonders prägnantes Beispiel, aber auch in vielen anderen Fällen greifen die Landtagsfraktionen gern tief in die Staatskasse. Wie tief, darüber würden manche Bundesländer am liebsten schweigen.

Fraktionen gelten als Teil der organisierten Staatlichkeit und werden deshalb voll mit staatlichen Mitteln ausgestattet. Im Gegensatz dazu werden Parteien nur teilfinanziert. Das Geld erhalten die Fraktionen, um ihr Personal zu bezahlen und ihrer Parlamentsarbeit nachzugehen. Die Abgeordneten der Landtage entscheiden selbst über die Angemessenheit und die Höhe der staatlichen Vollfinanzierung.

Es ist nicht leicht nachvollziehbar, wie viel Geld jede einzelne Fraktion jedes Jahr bekommt. Viele Abgeordnete reizen ihren Bedarf aus und testen regelrecht, wofür sie das Geld einsetzen können. Laut einer Erhebung des Bundes der Steuerzahler haben die Landtagsfraktionen aller Bundesländer im Jahr 2010 insgesamt 105,5 Millionen Euro an sogenannten Zuschüssen bekommen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.

Mehr als 5,7 Millionen zurückgefordert

In den vergangenen zehn Jahren forderten die Landesrechnungshöfe mindestens 5,7 Millionen Euro von den Landtagsfraktionen zurück. Hinzu kommen Rückforderungen, bei denen die Rechnungshöfe keine genauen Angaben zur Höhe der Ausgaben gemacht haben. Aus Hessen, Niedersachsen, Thüringen und aus dem Saarland sind bisher keine Prüfungsergebnisse bekannt.

Die sächsische FDP-Fraktion hat in den Jahren 2007 bis 2009 knapp 184.000 Euro für Burgfeste ausgegeben: für Speis, Trank und Rahmenprogramm. Der Rechnungshof des Landes Sachsen mahnte deshalb die Ausgabe an. 2009 allein beliefen sich die Ausgaben auf über 98.000 Euro. Das Fest fand nur zehn Wochen vor der Landtagswahl statt. Klare Sympathiewerbung, sagt der Landesrechnungshof.

Das Werben für die Partei zählt laut den Landesfraktionsgesetzen eindeutig nicht zu den Aufgaben einer Fraktion. Die Fraktionsmittel dürfen deshalb auch nicht dafür eingesetzt werden. Die Parteien erhalten selbst zum Teil öffentliche Gelder, aus denen sie sich finanzieren.

Hilft eine Fraktion nun bei der Wahlwerbung, so liegt eine verdeckte Parteienfinanzierung vor. Die Partei erhält nicht nur ihre normale Teilfinanzierung aus öffentlichen Mitteln, sondern erhält durch die Fraktion zusätzliche Steuergelder.

Es gibt viele Richtlinien, wofür die Fraktionen ihre Mittel einsetzen dürfen und wofür nicht. Bei Reisekosten, Veranstaltungen und Rücklagen gibt es zum Beispiel Bestimmungen, die einen Missbrauch verhindern sollen.

Die Landesrechnungshöfe sollen so wie in Sachsen in allen Bundesländern prüfen, ob die Bestimmungen eingehalten und alle Fraktionsmittel gerecht eingesetzt werden. Die Prüfung erfolgt meist am Ende der Legislaturperiode.

In einer umfassenden Recherche hat das Recherchezentrum Correctiv die Landesrechnungshöfe um ihre Prüfungsergebnisse der letzten zehn Jahre gebeten, um sie aufzubereiten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine einheitliche Regelung zur Prüfung und Veröffentlichung gibt es nicht. In manchen Bundesländern funktioniert die Kontrollinstanz gut, in anderen weniger.

Belinda Grasnick und David Schraven arbeiten für das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv. Weitere Informationen unter https://correctiv.org/

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1 Kommentar

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  • "Die Landesrechnungshöfe fordern Millionen Euro zurück."

     

    Das klingt ja erstmal beruhigend, aber welche Möglichkeiten haben die Rechnungshöfe denn, das Geld wirklich wieder einzutreiben und wieso geht das Spiel dann trotzdem in jedem neuen Jahr unverändert weiter? Wer einen Selbstbedienungsladen eröffnet, darf sich doch hinterher nicht über die Selbstbedienungsmentalität beschweren.