Illegale Abschiebung aus Cottbus: Eltern ohne Kinder abgeschoben
Anwältin und Flüchtlingsrat werfen der Ausländerbehörde Cottbus Rechtsbruch vor. Trennung von Eltern und Kindern bei Abschiebungen sei unzulässig.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg und der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erheben schwere Vorwürfe gegen die Ausländerbehörde Cottbus. Diese habe bei einer Abschiebung am 6. Juni vom Flughafen Halle/Leipzig in die russische Föderation elementare Rechte von Kindern missachtet, erklärten die Organisationen am Freitag in einer gemeinsamen Presseerklärung. So seien bei der Abschiebung einer tschetschenischen Familie zwei minderjährige Mädchen von ihren Eltern und Geschwistern getrennt worden, die ohne sie abgeschoben wurden. Die Rechtsanwältin der Familie, Johanna Künne, bestätigte dies der taz.
„Dieses Vorgehen ist klar rechtswidrig“, sagte Künne und verwies auf den Rückführungserlass der Landesregierung vom 19. Dezember 2017. Dort steht unter anderem, dass „die eingeleitete Abschiebung abzubrechen [ist], wenn nicht sichergestellt ist, dass minderjährige Kinder in der Obhut eines Elternteils verbleiben“.
Zum Einstieg gezwungen
Im Fall der in Spremberg untergebrachten Familie war dies offenbar nicht der Fall. Als die Polizei die Familie mit insgesamt acht Kindern unangekündigt abgeholt habe, seien zwei Töchter im Alter von 13 und 15 Jahren, nicht zu Hause gewesen, erklärte Künne. „Die Mutter hat hinterher in einem Telefonat mit Flüchtlingshelfern erzählt, man habe ihr gesagt, die Töchter würden zum Flughafen nachgebracht.“ Als dem nicht so war, habe sie (die Mutter) sich geweigert, ins Flugzeug zu steigen, worauf Polizeibeamte ihr die Arme verdreht und sie zum Einstieg gezwungen hätten.
„Das ist ganz schlimm, wie mit der Familie umgegangen wurde“, sagte die Rechtsanwältin. Bis heute habe die Ausländerbehörde ihr keine Auskunft über den Verbleib der beiden Mädchen gegeben. Laut Flüchtlingsrat sind die Kinder bei einer befreundeten Familie untergekommen. Künne hat nach eigenen Angaben beim Brandenburger Innenministerium Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Ausländerbehörde Cottbus und die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg eingereicht. Das Ministerium wollte sich gegenüber der taz vorerst nicht äußern, zunächst müsse die Ausländerbehörde Stellung nehmen. Diese beantwortete eine Anfrage vom vorigen Freitag bis jetzt nicht.
Vergangenen Dienstag hatte die rot-rote Brandenburger Landesregierung beschlossen, Abschiebungen effizienter zu gestalten, indem sie künftig von der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) in Eisenhüttenstadt organisiert werden. Landkreise und kreisfreie Städte hatten dies gefordert, da die Beschaffung von Reisepapieren und Flügen für sie eine Belastung sei. Entscheiden über Abschiebungen sollen aber nach wie vor die örtlichen Ausländerbehörden.
Arbeitserlaubnis verweigert
Das Amt in Cottbus falle bei Abschiebungen immer wieder durch seine Härte auf, erklärte Ivana Domazet vom Brandenburger Flüchtlingsrat auf taz-Anfrage. „Familientrennungen haben auch in der Vergangenheit stattgefunden, etwa mit der falschen Begründung, zwischen Vater und Kindern bestünde keine schützenswerte Beziehung.“ Zwei Abschiebungen von Schwangeren, die nicht reisefähig waren, seien erst durch einen Arzt am Flughafen beziehungsweise in letzter Minute durch das Gericht gestoppt worden. Zudem, so die Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats, mache der Behördenleiter öffentlich Stimmung gegen Flüchtlinge aus Tschetschenien. Gleichzeitig versage die Ausländerbehörde regelmäßig die Möglichkeiten der Aufnahme von Arbeit und Ausbildung.
Laut Innenministerium wurden 2018 273 Menschen aus Brandenburg abgeschoben. Jede zweite Abschiebung sei gescheitert, etwa weil die Betroffenen untergetaucht waren. (mit dpa)
Anmerkung der Redaktion (18.6.19, 9:50 Uhr): In einer ersten Version des Textes hatte fälschlicherweise gestanden, auch einem Sohn der Familie aus Spremberg habe die Ausländerbehörde die Arbeitsaufnahme verweigert. Dies war ein Missverständnis, dies betraf laut Flüchtlingsrat eine Familie aus Cottbus.Wir bitten dies zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist