: „Ich hatte Angst vor der Polizei“
Ein 33-Jähriger steht vor Gericht, weil er einen Ladendetektiv erschossen hat. Der hatte ihn beim Diebstahl von Strumpfhosen ertappt
Von vorn sah es aus, als käme Eduard K. in Handschellen. Nach vorn gebeugt, die ungefesselten Hände auf dem Rücken verschränkt, betrat der 33-jährige Este gestern den Zeugenstand im Landgericht. Die kurzen Haare korrekt gescheitelt, der Blick in sich gekehrt. Bereits vor der Polizei hatte der Angeklagte gestanden, am 27. Juli vergangenen Jahres in einer Köpenicker Drogerie den Ladendetektiv Mirko P. erschossen zu haben. Dieser hatte ihn beim Diebstahl von sechs Paar Damenstrumpfhosen erwischt. Der Gesamtwert der Beute betrug 19,74 Mark.
So muss das Gericht zwar nicht auf ein Geständis drängen. Das Motiv für die Tat bleibt jedoch auch nach dem ersten Verhandlungstag unklar. Was wollte K. mit den Strumpfhosen anfangen, und warum kam es, als er geschnappt wurde, zu der extremen Überreaktion?
Unmittelbar nach der Tat hatten Polizeibeamte vermutet, der damals noch flüchtige Täter habe vielleicht geplant, mit den Strümpfen maskiert eine benachbarte Bank auszurauben. Diese Mutmaßung kam vor Gericht gestern nicht zur Sprache. K. gab vielmehr an, die Strumpfhosen seien für seine Freundin bestimmt gewesen.
Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob der Schuss in Tötungsabsicht abgegeben wurde. Die Obduktion hatte ergeben, dass die Pistole beim Schuss unmittelbar auf den Körper aufgesetzt war. Die Kugel gelangte direkt durch die Brust in das Herz des Opfers. Dies stünde eindeutig im Widerspruch zu K.s Aussage, der Schuss habe sich im Handgemenge mit dem Detektiv gelöst, betonte der Richter mehrfach.
Trotzdem beharrte der Angeklagte darauf, dass er den Detektiv mit der Waffe nur habe einschüchtern wollen. Und das auch erst, als dieser auf seine Einigungsversuche nicht reagiert habe. „Ich habe mich, als ich geschnappt wurde, sofort entschuldigt und dem Detektiv angeboten, die Strümpfe nachträglich zu bezahlen“, übersetzte eine Dolmetscherin K.s Aussage vor Gericht.
Das deckt sich auch mit der Darstellung von Filialleiterin Steffi Sch. Die Verständigung mit K. sei wegen fehlender Sprachkenntnisse zwar schwierig gewesen, „aber auch durch Gesten hat er deutlich gemacht, dass er sich gütlich einigen wollte. Er hat überhaupt nicht bedrohlich gewirkt.“ Bereitwillig sei der Dieb mit ins Büro gegangen, so die Zeugin.
Detektiv P. wollte dort den Diebstahl zur Anzeige bringen, wie es in solchen Fällen üblich ist. Erst als K. erfuhr, dass die Polizei bereits verständigt sei, erinnerte sich die Filialleiterin, sei es zum Gewaltausbruch gekommen. Der Dieb sei aufgesprungen und habe den Detektiv in den Schwitzkasten genommen. Sie selbst sei dann in den Verkaufsraum gelaufen, um Hilfe zu holen, berichtete Steffi Sch. So habe niemand gesehen, wie der Schuss gefallen ist.
Als Motiv für den Gewaltausbruch gegenüber dem Detektiv gab der Angeklagte an, er habe Angst vor Problemen mit der Polizei gehabt, da er keine Erlaubnis für die Waffe besaß. Woher und warum er die Waffe hatte, wollte K. nicht sagen.
An drei weiteren Terminen werden in dem Prozess noch Zeugen gehört. Das Urteil wird am 27. Januar erwartet. Frauke Niemeyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen