Ich bei der AfD: „Schwule Türken!“
Als politisch interessierter Mensch besuchte ich eine Veranstaltung der AfD. Erst lief es gut. Doch dann musste ich rennen. (Achtung: Satire! die Red.)
U m meinen Favoriten für die kommende Wahl zu finden, habe ich mir vorgenommen, die Wahlkampf-Veranstaltungen von allen Parteien zu besuchen. Schließlich werde ich bald persönlich über die Zukunft Deutschlands entscheiden!
Vorgestern habe ich die „Partei der Rentner“ besucht und gestern die „Partei der Nichtwähler“. Kein Witz, die gibt’s wirklich! Davon weiß nur kein Mensch, weil sie überhaupt nicht gewählt werden, da ihre Mitglieder aus Nichtwählern bestehen.
Heute ist die AfD dran! Die AfD-Veranstaltung findet in einer versifften und verqualmten Kneipe statt. Als ich die vielen Glatzköpfe dort sehe, wird mir etwas mulmig. Zum Glück gibt es auch viele normale Leute, die mit Anzug und Krawatte rumlaufen. Um nicht weiter aufzufallen, setze ich mich sofort hin. Ich habe weder eine Krawatte noch eine Glatze.
„Wenn wir alle Ausländer re-i-mi, ri-mi-ni, rei-ni-mi, ach, scheiß drauf, wenn wir alle Ausländer rauswerfen, dann haben wir endlich wieder Arbeit“, lallt einer von denen.
Ich überlege mir, in welcher Branche man wohl so betrunken arbeiten darf und werde umgehend aufgeklärt: „Überall Döner-Buden! Überall Döner-Buden!“, schimpft er weiter.
Ach so, die wollen die Türken rauswerfen und dann die Döner-Buden übernehmen. Ich muss sagen, so viel Unternehmergeist imponiert mir.
„Gute Idee“, schleime ich in die Runde, um nicht negativ aufzufallen.
„Alle Ausländer sind kriminell!“, brüllt er.
„Klar Kumpel, ich hab bisher noch nie gesehen, dass ein Türke in der Straßenbahn ein Ticket gekauft hat. Entweder sind die kriminell oder sie haben alle eine Monatskarte“, bestätige ich sofort.
„Und die Schwulen, die sind alle pervers!“
„Meinst du etwa die türkischen Schwulen?“, frage ich überrascht, weil ich nicht ganz nachvollziehen kann, wie er von Türken so rasant auf Schwule gekommen ist.
„Ja, die erst recht, die erst recht!“, brüllt er.
„Schwule Türken!“, schimpfe ich sofort.
„Und wegen der EU sind wir die Zahlmeister Europas“, ruft er.
„Schwule EU!“, bestätige ich wieder.
„Frauen gehören an den Herd, an den Herd“, brüllt er.
„Schwule Frauen!“, bestätige ich.
„Hallo Osman!“
„Schwuler Osman!“, rufe ich.
„Hallo Osman, was machst du denn hier?“, wiederholt unser Hausmeister Herr Krummsack erneut.
Plötzlich richten sich alle Blicke auf mich.
„Ich habe einen Gemüseladen. Ich werde nicht remigriert, nicht wahr?“, lüge ich notgedrungen.
Trotzdem fangen einige an, böse über mich zu tuscheln. Ich renne wie auf Knopfdruck los – so wie ich noch nie im Leben gerannt bin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist