Ibiza-Affäre in Österreich: Die nackte Oligarchin
Das „Ibiza-Video“ löste vor zwei Jahren in Österreich einen Skandal aus. Nun zeigt ein Medium neue Bilder, die die Beschuldigten reinwaschen sollen.
Am 17. Mai 2019 veröffentlichten Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung zeitgleich etwa fünf Minuten aus dem Video, das im Sommer 2017 heimlich auf Ibiza aufgenommen wurde. Der Zusammenschnitt zeigte jene Szenen, die die Journalisten für politisch relevant hielten. Strache wirbt da – gedolmetscht von seinem FPÖ-Kollegen Johann Gudenus – bei einer als Oligarchennichte auftretenden Schauspielerin um Spenden über parteinahe Institute, die am Rechnungshof vorbeigeschleust werden sollen.
Er empfiehlt den Kauf des auflagenstarken Boulevardblatts Kronen Zeitung, wo man „zackzackzack“ unbequeme Mitarbeiter ersetzen würde. Und er denkt laut über die Teilprivatisierung des Trinkwassers nach. Er wünscht sich „eine Medienlandschaft wie beim Orbán“ in Ungarn, bezeichnet Journalisten als „die größten Huren“ und spricht den folgenschweren Satz: „Novomatic zahlt alle.“ Die möglichen Zuwendungen des privaten Glücksspielkonzerns an politische Parteien und allfällige Gegenleistungen sind seit Monaten Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der ein politisches Sittenbild freilegt, in dem die ehemaligen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ nicht gut wegkommen. Das Ibiza-Video selbst spielt dabei nur eine Nebenrolle.
Es enthält mehr als sieben Stunden Aufzeichnungen von Gesprächen auf der Terrasse und in einer Villa, die eigens für die verdeckte Operation angemietet wurde. Die kompletten Aufnahmen wurden jetzt dem Gratisblatt Österreich und dem neuen Onlinemedium Exxpress zugespielt. Im Privatkanal oe24.tv, der wie Österreich dem Medienmogul Wolfgang Fellner gehört, wurde das Video häppchenweise rauf und runter gespielt, samt Bildern der „Oligarchin“, wie sie nackt aus der Dusche kommt. Jede Szene wurde mit Journalisten und „Experten“ analysiert. Auch der Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache selbst durfte mitreden und sah sich rehabilitiert, weil er einmal zu hören ist, wie er klarstellt: „Antisemitismus geht gar nicht.“ Als ob das das Thema gewesen wäre.
„Falter“ reagiert angewidert
Die Wiener Wochenzeitung Falter hatte im Mai 2019 als erstes österreichisches Medium den Videoausschnitt von Spiegel und SZ veröffentlicht. Der Chefredakteur des Falter, Florian Klenk, zeigt sich nun angewidert über die Veröffentlichungen von Exxpress. Er twitterte: „Fotos der nackerten Oligarchin. Der Bauch des Detektivs. Dazu eine ‚exklusive‘ Einordnung von Strache. Die Ibiza-Macher wussten, wieso sie ihr Material den Kollegen von Süddeutscher Zeitung und Spiegel geben. Österreichs Boulevard ist noch tiefer, als ich dachte.“
Klenk selbst wird vom ÖVP-Blog Zur Sache beschuldigt, das Video manipuliert zu haben. Da wird behauptet, Klenk habe dafür gesorgt, dass ein Ausschnitt, wo Porsche als möglicher Parteispender genannt wird, nicht veröffentlicht werde, angeblich aus finanziellem Interesse des Falter. Der Bruder des Geschäftsführers Hans Michel Piëch hält nämlich 12,51 Prozent der Falter-Anteile. Klenk wird als „verantwortlicher Mit-Aufdecker“ dargestellt: „Intervenierte er, damit der Name,Porsche' im Mai 2019 nicht genannt wurde?“, fragt der ÖVP-Blog, ohne die Fakten überprüft zu haben. Denn Klenk hatte weder Einfluss auf den Zusammenschnitt des Videos, noch, so versichert er, habe Porsche jemals Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen genommen.
Der Exxpress-Chef Richard Schmitt dürfte ein persönliches Interesse daran haben, das Ibiza-Video kleinzureden. Er flog nach dem Skandal 2019 als Blattmacher der Kronen Zeitung hinaus, weil jeder wusste, dass Leute seines Schlages gemeint waren, als Heinz-Christian Strache sagte: „Manche Leute muss man pushen“, andere hingegen „abservieren“. Exxpress lässt Strache nach Ansicht des kompletten Videos urteilen, es sei „peinlich“. Allerdings: „Die Schlagzeile hätte trotz allem im Mai 2019 lauten sollen:,Video-Beleg: Strache ist nicht korrupt.‘“
Laut Schmitt ist sein neues Medium Exxpress „Mitte-bürgerlich, weder links noch rechts“ und eines, dem Österreich am Herzen liege: „Wir denken unternehmerfreundlich.“ Sieht man sich sein Team an, so wittert man den Stallgeruch aus dem Umfeld von FPÖ und ÖVP. Aus ebendiesem kommen auch die Finanziers: neureiche Kurz-Fans, die über eine Stiftung in Liechtenstein ein Jahresbudget von 1,7 Millionen Euro garantieren.
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