ISRAEL ÜBERGIBT DREI ORTSCHAFTEN BEI JERUSALEM AN DIE PALÄSTINENSER: Politische Arabeske
Gesten des Verständnisses und des Ausgleichs sind rar im Nahen Osten, zumindest auf Staatsebene. Und wenn es sie denn einmal gibt, verdienen sie unsere besondere Aufmerksamkeit. Also bitte sehr. Israels Ministerpräsident Barak hat im Kabinett durchgesetzt, dass drei Vororte im Osten Jerusalems an die Palästinenser übergeben werden, gegen den Widerstand in den eigenen Reihen, gegen das Geschrei der Siedler und den allfälligen Protest der rechten Opposition. Verstanden wissen will Barak dies als vertrauensbildende Maßnahme, als „Goodwillgeschenk“ an die grummelnden Palästinenser, die endlich die Freilassung ihrer noch rund 3.000 Gefangenen, ein Einfrieren des Siedlungsbaus, die Übereignung eines Staatsgebiets und eine offene Diskussion über die Zukunft Jerusalems oder die Rückkehr der Flüchtlinge verlangen.
Wir schätzen Gesten des guten Willens, können aber nicht darüber hinwegsehen, dass sie leider oft einen faden Beigeschmack haben. Sie lenken davon ab, dass es in den wirklichen Streitfragen keinen Fortschritt gibt. Stattdessen wird jede Geste sorgfältig abgewogen, wird demonstriert und protestiert, als ob Israels Sicherheit in Gefahr wäre, als ob die Kalaschnikows und Katjuschas schon in Stellung gebracht wären, um morgen die Klagemauer in Schutt und Asche zu legen.
Auch die palästinensische Seite wartet mit einer Geste guten Willens auf. Der oberste Bombenbauer von Hamas, Mohammed Deif, ist vom palästinensischen Sicherheitsdienst festgenommen worden. Wir hören die frohe Botschaft, die Palästinenser machen Ernst mit dem Kampf gegen den Terror. Alles wird gut, bei so viel gutem Willen.
Gesten des guten Willens haben aber noch einen negativen Effekt. Sie suggerieren, dass es schon irgendwie weitergehen wird, dass die Streithähne sich um vertretbare Kompromisse bemühen. Natürlich wird keine Partei leugnen, dass Termine nicht eingehalten und Absprachen nicht ausgeführt wurden. Verhandeln aber ist ein Muss. Schließlich gibt es keine Alternative, sagen uns die Protagonisten. Prinzip Hoffnung. Nur nicht nachlassen, lautet das Motto. Auch wenn die Fortschritte zäh und klein sind – Gesten eben –, so gibt es sie doch. Und wenn sich zwei Völker ein Jahrhundert lang bekriegt haben, kann man Frieden und Versöhnung ja nicht übers Knie brechen. Es kann also nur heißen: Abwarten und Tee trinken. Irgendwann werden sich die Kontrahenten schon einigen. Schließlich wollen das auch die USA.
Einziger Nachteil: Die Streitfragen bleiben, die gut gemeinten Gesten verblassen, Empörung, Wut und Enttäuschung wachsen. Das Resultat: eine neue Konfliktlage, die neuer Gesten guten Willens bedarf. Eine politische Arabeske. GEORG BALTISSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen