IOC schert sich nicht um CAS-Urteil: Die heilige Instanz des Eventsports
Eigentlich hat das Sportgericht CAS das letzte Wort im Sportrecht. Doch die Rechnung hat es ohne das Internationale Olympische Komitee gemacht.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht sich gern als supranationale Regierung, die stets das Gute schafft. Es sagt von sich, es sei eine rein gemeinnützige Organisation, die sich aus Freiwilligen zusammensetzt und am Aufbau einer besseren Welt durch den Sport arbeitet, quasi eine Heilsarmee der Bewegungsbegabten.
Dass dieses Selbstverständnis oftmals nicht zum realen Sport an der Basis passt, wo durchaus beschissen, bestochen und gedopt wird, ist die eine Sache. Die andere, dass dieses allzu menschliche Treiben die Herren auf dem Olymp nicht davon abbringt, sich für die letzte heilige Instanz des Eventsports zu halten. Die Symptome verstärken sich, wenn wie jetzt mit den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ein Großereignis ansteht, das nicht weniger als Frieden in Korea und Glück auf dem Globus bringen soll.
Eigentlich hatten die Richter des internationalen Sportgerichts CAS gedacht, sie seien die letzte Instanz, zumindest im Sportrecht. Aber da hatten sie die Rechnung ohne das IOC gemacht, denn das Komitee überstimmte das Sportgericht jetzt kurzerhand.
Wir müssen ein wenig zurückblicken: Die CAS-Richter haben vor wenigen Tagen im Fall von 42 russischen Sportlern Recht gesprochen. Diese waren vor das Sportgericht gezogen, weil sie entweder an den Winterspielen teilnehmen wollten oder mit einer Pauschalverurteilung nicht einverstanden waren. Das IOC hatte sie zuvor wegen deren mutmaßlicher Verwicklung ins russische Dopingsystem rund um die Sotschi-Spiele 2014 lebenslang gesperrt. Das Sportgericht individualisierte die vom IOC präferierte Kollektivschuld und sprach 28 russische Sportler frei. Ihnen könne kein Verstoß gegen die Antidopingregeln nachgewiesen werden, befanden die Richter.
Die Funktionäre haben das Sagen
Kurze Zeit später hieß es, 15 der Freigesprochenen könnten nach Südkorea fahren. Aber das IOC war schlau, sourcte die Verantwortung wieder einmal aus und gründete eine Kommission unter der Leitung der ehemaligen französischen Sportministerin Valérie Fourneyron. Mittlerweile die dritte Dopingbeurteilungskommission des IOC. Und zu welchem Schluss kam die Fourneyron-Kommission? Die 15 Russen müssen draußen bleiben, teilnehmen dürfen nur jene 169 russischen Athleten, die in Pyeongchang als Olympic Athletes from Russia antreten.
Das IOC hat klargemacht, wer in den Sphären des Sports das Sagen hat: die Funktionäre. Die Richter haben, bitteschön, im Sinne des IOC zu urteilen, und tun sie es nicht, werden sie von IOC-Chef Thomas Bach gemaßregelt. Das CAS-Urteil sei „enttäuschend und überraschend“ gewesen, sagte der Deutsche. Er forderte sogleich eine Reform des CAS. „Wir sind der Meinung, dass diese Entscheidung die Notwendigkeit interner Reformen im CAS zeigt“, sagte Bach. „Es ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des IOC, seine Sorgen auszudrücken. Wir dürfen nicht in eine Situation kommen, dass der CAS seine Glaubwürdigkeit bei den Sportlern verliert.“
Aber genau das ist der Fall, wenn der Athlet in Zukunft nicht weiß, ob der Richter befangen ist, weil er womöglich Angst hat, dass ihn das IOC zurückpfeift, oder er überflüssig ist, weil es das IOC eh besser weiß.
Diskreditierte Richter
Weil das IOC den Richtern offenbar nicht traut, spricht es nun selbst Recht, erhebt sich über ein ordentliches Gericht und demontiert damit den CAS in Lausanne. Nicht nur, dass Bach und Konsorten die Richter diskreditieren, sie verunsichern auch jene Sportler, die in den vergangenen Jahren mehr Vertrauen zum CAS gewonnen haben.
Thomas Bach erinnert an einen autokratischen Herrscher – und die devote Reaktion des CAS macht es nicht besser. Man wolle jetzt ganz schnell die einzelnen Urteilsbegründungen nachliefern, und ja, man habe die Sorgen von Bach zur Kenntnis genommen und werde diese sorgfältig prüfen. Geht’s noch unterwürfiger?
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