INF-Abrüstungsvertrag: Was ist eigentlich mit China?
Politiker streiten darüber, ob sie eher Russland oder die USA unterstützen sollen. Die wirklichen Abrüstungsfragen lassen sie dabei außer Acht.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf seinem SPD-Amtskollegen Lars Klingbeil und Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) am Sonntag „Naivität“ vor. „Klingbeil und Weil schüren mit ihren Äußerungen Misstrauen gegenüber der Nato und spielen mit ihren naiven Sprüchen Putin in die Hände“, sagte Ziemiak der dpa. Zuvor hatte Klingbeil via Twitter erklärt, die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland und Europa sei „der falsche Weg“ und Deutschland dürfe sich von Trump und Putin nicht treiben lassen.
Mit dieser Äußerung reagierte Klingbeil wiederum auf Unionsfraktionsvize Johann David Wadephul (CDU), der Außenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag davor gewarnt hatte, eine Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen der Nato in Europa auszuschließen. Es dürfe „keinen deutschen Sonderweg geben“.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte Europa auf, das INF-Abkommen zu retten. Aufgabe der Bundesregierung sei es daher jetzt, daran mitzuwirken, dass es einen Sondergipfel der Außen- und Verteidigungsminister der EU gibt. Dabei müsse Europa ein sicherheitspolitisches Konzept definieren und Vorschläge präsentieren, „wie man gegenseitiges Vertrauen wiederherstellen kann“.
Ein erster Schritt wäre, die Inspektions- und Kontollmechanismen des INF-Abkommens wieder in Kraft zu setzen, mit denen sich die USA und die Sowjetunion/Russland zwischen Ende 1987 und Juni 1991 gegenseitig überwacht hatten beim Abzug und der Verschrottung der damals auf beiden Seiten existierenden Mittelstreckenraketen. Mit diesen Mechanismen ließen sich gegenseitige Vorwürfe der Vertragsverletzung überprüfen.
Neue Variante des Nato-Doppelbeschlusses
Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin forderte eine neue Variante des Nato-Doppelbeschlusses von 1979. Die Nato solle Russland anbieten, auf die US-Raketenabwehr in Europa zu verzichten und die taktischen Atomwaffen der USA aus Europa abzuziehen. Im Gegenzug müsse Russland ebenfalls bei Iskander-Raketen und Marschflugkörpern abrüsten.
Die chinesische Führung forderte die USA und Russland dazu auf, das INF-Abkommen nicht aufzugeben. Dahinter, so der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, stecke Pekings Interesse, den Status quo zu erhalten und Bestrebungen für ein multilaterales Abkommen unter Einschluss der rund 2.000 Mittelstreckenraketen Chinas zu verhindern.
US-Präsident Donald Trump hatte im Oktober 2018 bei seiner ursprünglichen Androhung, aus dem INF-Vertrag auszusteigen, als Hauptgrund zwar russische Vertragsverstöße behauptet. Zudem bezeichnete Trump das bilaterale Abkommen unter Verweis auf die inzwischen existierenden Mittelstreckenraketen in China, Indien, Iran, Nordkorea und anderen Ländern aber auch als „historisch überholt“ und verlangte die Aushandlung eines neuen multilateralen Vertrags. Die Teilnahme an derartigen Verhandlungen hat Peking bislang abgelehnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin