IN DER SPIRALE DER GEWALT BLEIBEN MODERATE KRÄFTE UNGEHÖRT: Israels Strategie funktioniert nicht
Die israelische Strategie, überall dort den Palästinensern das Leben zu erleichtern, wo die Lage ruhig ist, und dort mit kollektiven Restriktionen vorzugehen, wo Übergriffe gegen Israelis stattfinden, funktioniert nicht. Nicht die Palästinenser, die eine Fortsetzung des Friedensprozesses befürworten, sind es, die den Ton angeben, sondern gerade umgekehrt diejenigen, die eine Konfrontation anheizen. Das ist längst nicht mehr die Mehrheit. Umfragen belegen, dass nur noch 41 Prozent der Bevölkerung im Westjordanland glauben, die Intifada sei in irgendeiner Form für die palästinensische Sache nützlich gewesen.
Wohl wissend, dass die islamische Widerstandsbewegung so wenig wie die Tansim von der Bevölkerung in Bethlehem gestützt wird, marschieren erneut israelische Truppen in die Stadt. Die Regierung weiß keine andere Antwort auf die vielen israelischen Opfer. Ihr mangelt es an strategischen Alternativen. So setzt sich der Teufelskreis der Gewalt auf palästinensischer Seite fort, wo unter Besatzung und Ausgangssperre moderate Rufe unerhört bleiben. Der Einmarsch der Truppen mag kurzfristig die Gewalt bannen. Auf lange Sicht war bislang jede Invasion kontraproduktiv.
Die israelische Öffentlichkeit setzt ihre Hoffnung auf drei Entwicklungen: den Bau der Trennanlagen zwischen Israel und dem Westjordanland, die bevorstehende US-amerikanische Attacke gegen den Irak und die palästinensischen Wahlen. Für Ende Januar sind vorgezogene Neuwahlen in Israel geplant. Schon jetzt ist absehbar, dass der Urnengang erneut zugunsten des konservativen Likud-Blocks ausgehen wird, der – solange die Gefahr neuer Terroranschläge besteht – seinen eher auf Kompromisse ausgerichteten politischen Gegner nicht zu fürchten braucht. Im gleichen Monat sollten auch palästinensische Wahlen stattfinden. Ähnlich wie die Gewalt den israelischen Hardlinern in die Hände spielt, werden auf palästinensischer Seite vor allem die Widerstandsbewegungen Nutzen aus harten militärischen Vergeltungsmaßnahmen ziehen. Nur Zurückhaltung kann die moderaten Kräfte stärken. SUSANNE KNAUL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen