piwik no script img

IMAM-PORTRÄT ZUM RAMADANDer Emanzipierte

Hüseyin Tekkanat ist der Imam der Mevlana-Moschee am Kottbusser Tor. Nach Deutschland kam ist der türkische Islamgelehrte eigentlich wegen seiner Frau.

In der Kreuzberger Mevlana-Moschee Bild: ap

Hüseyin Tekkanat ist ein kleiner, eher unauffälliger Mann: Dezent gekleidet mit mattgrüner Hose und kariertem Hemd wirkt er fast unscheinbar. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass ein Leuchten von ihm ausgeht: Tekkanat strahlt, seine Augen lachen, dieser Mann freut sich, und er tut das gern und oft, das sieht man ihm an.

Ja, er sei ein Optimist, jemand, der immer das Gute im Leben sieht, sagt der 48-Jährige und lacht dazu: "Das Leben soll doch Vergnügen sein!"

Das ist eine schöne und beneidenswerte Lebenseinstellung - die jedoch bei einem Mann mit Tekkanats Profession zunächst überrascht: Denn der Mann ist islamischer Geistlicher, Imam in der Kreuzberger Mevlana-Moschee, einer Gemeinde am Kottbusser Tor, die von aus der Türkei stammenden Muslimen gegründet worden. Und ist das Leben der Muslime nicht vor allem religiöse Pflichterfüllung, die - gerade im Fastenmonat Ramadan - weder Spaß machen kann noch soll?

Der Ramadan

Der Ramadan (türk.: Ramazan) ist der heilige Fastenmonat der Muslime; heilig, da in dem Monat dem Propheten Mohammed der Koran offenbart worden sein soll.

Da im islamischen Kalender, der dem Mond folgt, die Monate durch die Jahreszeiten wandern, fängt auch der Fastenmonat Jahr für Jahr um einige Tage früher an und kann in jeder Jahreszeit liegen.

In diesem Jahr hat er am 11. August begonnen und endet am 8. September mit dem Zuckerfest. Während der Fastenzeit essen und trinken gläubige Muslime erst nach Einbruch der Dunkelheit.

Die taz stellt im diesjährigen Ramadan in loser Folge Imame aus Berliner Moscheen vor.

Imam Tekkanat hat dazu gleich eine Geschichte aus dem Leben des Propheten Mohammed parat. Der sei mit einem Freund an dem Kadaver eines Hundes vorbeigegangen, dessen Gestank die gesamte Nachbarschaft ekelte und quälte. Statt sich wie die anderen darüber zu ärgern, habe der Prophet das Positive gesehen: "Sieh, was der Hund für schöne Zähne hatte", habe er zu seinem Freund gesagt. "Auch der Ramadan ist ein Vergnügen", erzählt der Imam. Etwa, wenn man abends zum Fastenbrechen mit der Familie zusammen sei: "Das ist doch ein viel schöneres Essen als das Alltägliche, wo man oft nur in aller Eile eine Suppe herunter stürzt."

Seine Ausbildung hat Hüseyin Tekkanat in der Türkei absolviert. Als erster seiner Familie konnte er auf die Universität gehen. Sein Großvater habe seinem Vater gesagt: "Lass diesen studieren." War Imam, Theologe, sein Berufswunsch? "Ich komme aus einem kleinen Dorf", sagt Tekkanat: "Als ich klein war, gab es keinen Strom, kein Fernsehen, kaum Radios. Da kennen Sie eben nur zwei studierte Menschen: Den Lehrer und den Hoca, den Geistlichen." Tekkanat wurde beides: Er studierte Theologie und arbeitete als Lehrer.

Dass er nach Deutschland kam, lag aber an der Liebe: "Ich bin ein Import-Bräutigam", lacht der Imam. Anfang der Neunzigerjahre lernte er über Verwandte seine jetzige Frau kennen: eine Deutschtürkin. "Wir haben geheiratet und hatten anfangs eine Besuchsehe", erzählt Tekkanat.

Er wollte sein Masterstudium in der Türkei beenden, plante außerdem einen Studienaufenthalt in Algerien. Seine Frau, die als Kind nach Deutschland gekommen war, wollte ihren Arbeitsplatz in Berlin nicht aufgeben. Zudem habe sie sich mit den Lebensbedingungen in der Türkei nicht anfreunden können, erklärt der Imam, der damals Lehrer in einer westtürkischen Kleinstadt war: "Bei uns gab es Kohleofen statt Zentralheizung - sie war eben an deutsche Verhältnisse gewöhnt."

Stattdessen musste er sich umgewöhnen. Als das erste Kind da war, zog Tekkanat zu Frau und Schwiegereltern nach Berlin. Die Zeiten, in denen in Familien allein die Männer Entscheidungen getroffen hätten, seien eben vorbei, lacht der Imam. Und für solch eine Rollenverteilung gebe der Islam auch keine Grundlage her, betont er und erzählt wieder eine Geschichte des Propheten: Nie, nicht auch nur ein einziges Mal habe der die Hand gegen eine seiner Frauen erhoben: "Nicht einmal!", sagt Tekkanat und guckt jetzt ganz ernst.

Ja, auch ihm kämen Geschichten zu Ohren von muslimischen Schülern in Berlin, die sich von Lehrerinnen nichts sagen lassen wollten, weil das Frauen seien. Doch das sei ganz falsch und unislamisch, sagt Tekkanat: "Im Islam heißt es: Wer Dich einen Buchstaben lehrt, dem sollst du vierzig Jahre lang dienen!" Und da sei keine Rede davon, ob eine Frau oder ein Mann der Lehrende war: "Lehrer müssen ebenso geachtet werden wie die Eltern."

Lernen - das soll auch das Thema von Tekkanats zweiter Freitagspredigt im Fastenmonat sein: "Weil in dieser Woche die Schule anfängt und ich unseren Gemeindemitgliedern erklären will, wie wichtig das Lernen und die Untersützung der Kinder ist." Seine zwei fast erwachsenen Söhne stehen kurz vorm Abitur: Pilot soll einer werden, wünscht sich Tekkanat, der andere Forscher in der Pharmazie. Dass seine Söhne in Deutschland aufwachsen, findet er okay: "Sie reden miteinander meistens Deutsch", erzählt er. Aber auch ihr Türkisch sei gut - muss es auch, denn Tekkanat selber spricht bislang nur wenig Deutsch.

Wie ist das Leben in einem nichtmuslimischen Land eigentlich für ihn? Der Imam lacht: "Hier herrscht Freiheit. Die Menschen lassen einander in Ruhe, sie mischen sich nicht in die Sachen der anderen ein: So lebt man gut." Doch Sehnsucht nach der Türkei, die habe er schon manchmal. Und wenn seine Söhne mal deutsche Frauen heirateten? "Ich denke da nicht so engstirnig", sagt Tekkanat: "Kein Problem." Aber sie sollten religiös sein, muslimisch, christlich oder jüdisch, das wäre egal - und gebildet. "Denn wer eine gute Bildung hat, handelt und denkt auch gut", meint Tekkanat - der Imam ist eben ein Optimist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!