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III. Weltkrieg, Femizide, WagenknechtEine düstere Woche

Küppersbusch über die Besonnenheit der SPD, die Gefahr vom III. Weltkrieg zu sprechen und eine Krankenhausreform. Und ein Wagenknecht-Selfie.

Pistorius hat eingepackt Foto: Emmanuele Contini/NurPhoto/imago

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Sozitainment überdröhnt FDP-Putsch und die Schwächen der Konkurrenz

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Endlich Zeit für eine neue Taurus-Debatte.

taz: Boris Pistorius tritt nicht als SPD-Kanzlerkandidat an. Was kann die SPD bei der Wahl im Februar ohne ihn erreichen?

Küppersbusch: Leihstimmenkampagne! „Wer Pistorius will, muss Scholz wählen!“ Die SPD hat sich vom „horse race journalism“ irre machen lassen, und immerhin Pistorius scheint zu ahnen: Nach zwei Monaten Wahlkampf hängt er genau so tot übern Zaun wie jetzt Scholz. Auf diese Stories haben die Medien immer Appetit. Scholz ist gut beraten, das Thema „Besonnenheit“ zu plakatieren, und sich dabei von Kamerad Boris besonnen zu lassen. Die Sozis haben keinen Streit, sondern einfach mehrere gute Leute. Meine Fresse, ist das denn so schwer? Irgendwo im Keller muss das Wort „Solidarität“ rumliegen, guckt mal nach.

taz: 1.000 Tagen nach dem Überfall auf die Ukraine hat der Konflikt nach Ansicht von Wladimir Putin nun einen „globalen Charakter“. Ist das schon der III. Weltkrieg?

Küppersbusch: Längst. Würde Putin antworten. Er sieht sich von vornherein im Krieg mit Nato und den USA, und setzt dabei die Osterweiterungen mit Kampfhandlungen gleich. Das ist Quatsch, und wird noch quätscher, wenn „der Westen“ nun beschwörend vom Weltkrieg redet und im Grunde Putins Sicht recht gibt. In unseren Debatten wird schnell und gründlich abgestraft und aussortiert, wer das Kreml-Narrativ auch nur schildert, um – walk a mile in my shoes – einen für Russland gangbaren Ausweg zu finden. Stattdessen selber die roten Linien zu überschreiten, ähnelt Putins Vorgehen.

taz: Fast täglich wird in Deutschland ein Femizid begangen, also eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist . Das ist das Ergebnis des „Lagebilds zu gegen Frauen gerichteten Straftaten“. Wann ändert sich endlich etwas?

Küppersbusch: Jetzt. Es ist nämlich das erste Lagebild zu diesem Thema überhaupt, mit allen Startschwierigkeiten: Das BKA beklagt darin, dass es keine einheitliche Definition von Feminiziden gebe und die polizeiliche Kriminalstatistik keine Informationen über Tötungsmotive gebe. Kurz: Die Zahlen könnten nicht als „Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist“, gelesen werden. Man nähere sich dem Thema nur an. Die Zahl der so erfassten Gewalttaten ist eher gruselig konstant. Signifikant dagegen die Anstiege um 25 Prozent bei „digitaler Gewalt“ und um 56 Prozent bei „politisch motivierter Gewalt“. Das sind keine „Beziehungstaten“, sondern aus der Anonymität begangene Verbrechen. Kurz: Dies Lagebild zeigt den gesellschaftlichen Hintergrund und weckt Bewusstsein. Vielleicht ändert das erstmal nichts, doch ohne Bewusstmachung ändert sich garantiert nichts.

taz: Bei der Weltklimakonferenz in Baku weist die EU den vorgelegten Beschlussentwurf als „eindeutig inakzeptabel“ zurück und wird als Bremsklotz der Verhandlungen kritisiert. Geht es wieder nur ums Geld?

Küppersbusch: Nein, es ging endlich mal ums Geld. Blumige Verheißungen und fantasievolle Vertagungen auf übermorgen gab's genug. 300 Milliarden US-Dollar wurden den klimabedrohten Ländern zugesagt, ein Pfad zu den geforderten 1,3 Billionen soll gefunden werden. Und zwar auch von Akteuren wie China und arabischen Ölförderländern, die aus dem vorigen Jahrhundert noch stets als Entwicklungsländer herüberwinken wollen. Die Saudis haben den Ausstieg aus fossilen Energien bestritten, die ölbesoffenen Gastgeber in Baku lätschert verhandelt. Trotzdem schafften es „alternative Geldquellen“ ins Schlussdokument: Gaskonzerne, Luft- und Schifffahrtsunternehmen. Vulgo: Täter. Verursacherprinzip. Geh ihnen an die Brieftasche und sie zeigen ihr wahres Gesicht.

taz: Die Krankenhausreform wurde auf Herz und Nieren geprüft – und beschlossen. Verstehen Sie, was sich ändern soll?

Küppersbusch: Weniger Krankenhäuser in der Fläche – mehr Spezialisierung in den verbleibenden Kliniken. Dazu weniger „Fallpauschalen“, mehr Geld für „Bereitstellung“. Als Patient habe ich also längere Wege, kompetentere Versorgung und weniger Therapien, die vielleicht nix helfen, ganz sicher aber Kohle bringen. Nach gehabtem Streit und allen Argumenten neigt man zu der Entscheidung, einfach gesund zu bleiben. Interessant: Hier wurde eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, während wir de facto keine Mehrheitsregierung haben. Immerhin das riecht nach Zukunft.

taz: Für ein Foto posierte Sahra Wagenknecht mit der „Patentochter Putins“, der israelisch-russischen Polit-Influencerin Xenija Sobtschak. Wagenknecht beteuert, sie nicht erkannt zu haben. Wie glaubwürdig ist das?

Küppersbusch: Wagenknechts Ex-Gatte Niemeyer hat sich dem Putin-Regime als legitimer Vertreter einer deutschen „Exil-Regierung“ zu Verhandlungen angedient. Für den kann sie auch nix. Just, da die BSW-Statthalter in Thüringen und Sachsen sich zu imageschädlich vernünftigen Kompromissen anschicken, kommt das Foto mit „Putins Patin“ zur rechten Zeit.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Remis gegen den Tabellenzweiten Sandhausen, nachdem sie neulich den ersten Cottbus geschlagen haben. Dazwischen irgendwelche anderen Spiele, die sie auf Platz 16 halten. Kurz: Irre werden an seinem Klub kann man auch in der dritten Liga.

Fragen: Christina Koppenhöfer

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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2 Kommentare

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  • Xenija Sobtschak ist keine „Patentochter Putins“, sie ist nur die Tochter seines alten Freundes Sobtschak und Kollegen, den er wegen der alten Freundschaft nicht anrührt. Politisch und vom Image her ist sie nichts, nur eine leere Hülle, selbst in den Augen von Anti-Putin-Russen. Ich finde es lustig, dass deutsche Politiker und Journalisten die russische Politik überhaupt nicht verstehen gelernt haben, und wir sehen, zu welchen katastrophalen Ereignissen das geführt hat. Spielen Sie nicht mit russischen Politikern, das sind keine Leute, die die Macht der Diplomatie verstehen.

  • Irre!