Hype um Freibadpommes: Erfolgsrezept vom Beckenrand
Sommer, Sonne, Freibadzeit. Und was da gegessen wird, ist klar. Doch warum wird um die Fritten vom Schwimmbadkiosk so ein Kult veranstaltet?
M it der 32. Folge dieser Kolumne beginne ich, mich selbst zu zitieren, und schaue zurück auf Folge 20, wo es um die Liebe von Journalisten zu Knödeln im tschechischen Speisewagen ging. „Da wäre zum Ersten die Nostalgie: Der Wagen atmet den Geist einer früheren Zeit, und zwar der guten alten. (…) Dann lieben wir Journalisten es, über Soulfood zu schreiben, die kleinen #gönndir-Oasen in der Enthaltsamkeitswüste von Degrowth und Selbstoptimierung. Wie eben Knödel mit Braten. (Ähnlicher Dauerbrenner: die kultigen Freibadpommes.)“
Womit wir beim heutigen sommerlichen Thema wären. Die kultigen Freibadpommes. Kurz die Google-News-Suche angeschmissen: „Das Freibadpommes-Ketchupfleck-Gefühl“ (Spiegel Online, 13. 7. 2024), „Ti amo, Freibadpommes – Eine Liebeserklärung an das frittierte Glück“ (Stuttgarter Zeitung, 17. 7.), „Es wird wieder Zeit für Freibadpommes in Hamm“ (Radio Lippewelle, 26. 6.). Selbst das Gourmetmagazin falstaff lässt über die beliebtesten Fritten abstimmen. Es soll sie übrigens im Saarland geben, im St. Ingberter Freibad Blau.
Längst finden sich auch passende Songs, von Sarah Connor („Und diese Frei-Frei-Freibadpommes schmecken noch wie früher/ Chlor-Haut und Capri Sonne hatten wir nie zu viel/ Knutschflecken, Liebeskummer, warum bist du nicht hier?“) und von Kapelle Petra („Komm wir fahren heut’ mit dem Rad/ Barfuß, wie als wir Kinder waren (…) Fritteusenduft und Sonnenbrand/ So fühlt sich der Sommer an“).
Warum der Hype? Vor allem, weil, siehe oben, Soulfood auf Nostalgie trifft, die hier doppelt reinhaut. Denn noch mehr als nach einer vergangenen Zeit sehnt man sich nach der eigenen Jugend. Damals, hach, als die Tage noch unendlich und unbeschwert waren … das ist natürlich Quatsch, die Pubertät war die Hölle. Aber die menschliche Erinnerung ist gnädig, und Chlorwasser verklärt die Gedanken.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Dazu greift das psychologische Prinzip der anlassbezogenen Jieper-Verdrahtung: Popcorn im Kino, Tomatensaft im Flugzeug – bingo! Und dann schmecken frische Pommes halt auch fast immer gut, Fett und Salz for the win. Sie sind außerdem günstig und gut zum Teilen.
Wie aus jeder Nostalgie wird auch aus dieser ein Geschäft gemacht. 2022 brachte der Gewürzmischungshersteller Ankerkraut seinen „Freibad Pommes“-Mix auf den Markt. Und seit Frühjahr vertreibt Iglo tiefgekühlte „Freibad Pommes“ in den Formaten „Dünne Dinger“, „Klassische Kiosk-Fritten“ und „Wilde Wellen“. Das ist natürlich Doppelquatsch, der Witz an Freibadpommes ist ja nicht die Rezeptur, sondern der Ort. Zu Hause schmecken die gleichen Fritten irgendwie fade. Irgendwie falsch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten