Hutu-Miliz FDLR im Kongo unter Druck: Kein Bananenbier für den General

Die ruandische Hutu-Miliz FDLR im Ostkongo steht offenbar vor dem Kollaps. Kommandeure werden gezielt ermordet, die straff organisierte Armee verliert die Kontrolle.

Ehemalige Hutu-Kämpfer im Demobilisierungslager Mutobo in Ruanda. Bild: dapd

GOMA taz | Das Militärhauptquartier der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Kongo liegt verteilt auf zwei Hügeln nahe des Dorfes Kimua, tief im Dschungel zwischen den Regionen Walikale und Masisi, in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu. Auf dem Hügel Kabingo lebt FDLR-Militärchef Sylvestre Mudacumura.

Seine Hütte sowie die Einsatzräume des Oberkommandos befinden sich fast ganz oben, bislang geschützt von zwei Ringen der Reserve-Brigade "Zenith", die die Aufgabe hat, das Militärhauptquartier zu bewachen. Auf dem benachbarten Hügel Kalongi haust Vize-Militärchef Stanislas Nzeyimana, alias Bigaruka.

Versteckt zwischen den gewaltigen Bäumen stehen einige Hütten für die Kommandeure und ihre Familien. Das Waffendepot, die Kirche sowie die Militärschule liegen etwas abseits am Hang. Die örtliche Trennung der beiden Militärchefs dient der Sicherheit: Wird das Hauptquartier angegriffen, ist es wahrscheinlich, dass einer der beiden Oberkommandeure entkommen kann.

Fast zehn Jahre lang hat sich Mudacumura auf seinem Hügel wohl gefühlt. Der General hat sich dort einen dicken Bauch angefressen, täglich so viel Bananen-Bier getrunken, dass er als schwerer Alkoholiker gilt.

Dass die UN-Blauhelme in Sichtweite seines Hügels ein Lager mit 80 Soldaten aus Uruguay aufgeschlagen haben, scheint ihn nicht gestört zu haben.

Der Hügel ist nicht mehr sicher

Doch mit all den Bequemlichkeiten ist es nun vorbei. Seitdem die jungen Rebellen der neu formierten kongolesischen Miliz FDC (Kräfte zur Verteidigung der Kongolesen) am 27. November um 11 Uhr vormittags das Dorf Kimua und die umliegenden Hügel angriffen und schließlich einnahmen, sind Mudacumura und seine übrigen Kommandeure ihres Lebens nicht mehr sicher.

Fotos beweisen: Der Anführer der FDLR-Spionageeinheit "Crap", bekannt als Nassoro war, wurde erschossen, als er eine Brücke überqueren wollte. Seine Leiche zogen UN-Blauhelme später aus dem Fluss, der durch Kimua führt.

Seitdem desertieren aus dem Militärhauptquartier bei Kimua regelmäßig Kämpfer und Offiziere der FDLR. In der ersten Januarhälfte allein 46. Fast täglich fliegt die UN-Mission im Kongo (Monusco) desertierte Ex-Rebellen aus Kimua aus, um sie in ihre Heimat Ruanda zurück zu bringen.

Das Demobilisierungslager Mutobo in Ruanda, wo FDLR-Kämpfer auf die Rückkehr ins zivile Leben vorbereitet werden, ist dieser Tage voll besetzt.

"Die Lage ist miserabel"

Einer davon ist Joseph Tuziyaremye. Der 44-jährige Hauptmann hat 13 Jahre lang in Mudacumuras Büro gedient, war für das Verhältnis zu den kongolesischen Gemeinden zuständig. Jetzt schleppt er sein Bündel mit Kleidern und anderen Habseligkeiten über die Grenze in seine Heimat Ruanda.

"Die Lage im Hauptquartier ist miserabel, ich will dort nicht krepieren", seufzt er. Die Tötung des FDLR-Stabschefs und dritthöchsten Kommandanten Leodmir Mugaragu, alias Leon Manzi, "hat uns allen Angst eingejagt", sagt er.

Wie auch weitere Quellen aus Kimua bestätigen: Vor rund zwei Wochen hatten sich nachts um drei Uhr unbekannte Gestalten ins Hauptquartier eingeschlichen. Von allen Seiten umzingelten sie die Hütte des Brigadegenerals. Sie erdrosselten die beiden Leibwächter, die Wache schoben, und schossen gezielt in die Hütte auf der Höhe, wo das Bett steht.

"Anschließend setzten sie die Hütte in Brand", erzählt Tuziyaremye und schüttelt ungläubig den Kopf: "Als ich mich den Flammen näherte, waren die Angreifer schon verschwunden." Und Mugaragu war tot.

Abwehr wird löchrig

Diese gezielte Attacke zeigt, so der Hauptmann, "wie schlecht es um uns bestellt ist". Die Verteidigungsringe der Reserve-Brigade um das Hauptquartier seien "löchrig" geworden, "weil so viele unsere Kämpfer getötet wurden oder geflohen sind", berichtet er.

"Wenn die Zahlen sich weiter verringern, sind wir bald erledigt!" prophezeit er.

Ein weiteres Problem im Hauptquartier sei die Lebensmittelversorgung. Bislang garantierte ein gutes Verhältnis mit den lokalen Bewohnern Kimuas die Sicherstellung des Nachschubs. Die FDLR kaufte auf dem dortigen Markt bislang Lebensmittel, Seife, Medikamente und das von Mudacumura so begehrte selbstgebraute Bananenbier.

Doch seitdem die FDC das Dorf eingenommen hat und die Bewohner in den UN-Flüchtlingszelten im Kimua Schutz suchen, sei diese Versorgung zusammengebrochen. "Bald wird eine Hungersnot im Hauptquartier einsetzen", sagt Tuziyaremye und warnt: "Wenn Mudacumura kein Bier bekommt, wird er wütend".

Vom Leibwächter erschossen

Der Mord an FDLR-Stabschef Mugaragu ist nicht der erste Tod eines hohen Kommandanten in jüngster Zeit. Im November wurde Oberst Sadiki, Anführer des Bataillons Montana, vom lokalen Milizenchef Cheka bei einem Treffen erschossen.

Anfang Januar wurde Oberstleutnant Ephrem Manirabaruta, alias Honoré Furaha, in Rutshuru von seinem eigenen Leibwächter erschossen. Laut FDLR-internen Quellen soll es zu einem Schusswechsel innerhalb seines Bataillons Someka gekommen sein, bei welchem neun FDLR-Kämpfer inklusive des Kommandeurs starben.

Deserteure aus dem Hauptquartier melden weitere drei ranghohe Offiziere, die in Nord-Kivu in den vergangenen Wochen getötet wurden.

"Wir haben nun Probleme, die Kommandeursposten mit geeigneten Kadern zu besetzen", gibt Hauptmann Tuziyaremye zu. Vor allem General Mugaragu sowie Oberst Sadiki, einer der einflussreichsten Bataillonsführer, seien unmöglich zu ersetzen. "Deren Tod hat die Kampfmoral endgültig zerstört", sagt er.

Neuwahlen abgesagt

Die FDLR-Führung ist zudem durch Streitereien innerhalb des Oberkommandos stark geschwächt. Die FDLR-Kommandostruktur wurde seit der Verhaftung von Präsident Ignace Murwanashyaka sowie dessen Vize Straton Musoni in Deutschland 2010 umgekrempelt.

#Seit Januar 2011 ist der zweite Vizepräsident Gaston Iyamuremye alias Rumuli Übergangspräsident. Militärchef Mudacumura übernahm übergangsweise den Posten des ersten Stellvertreters. Doch Rumuli und Mudacumura gelten als Erzfeinde, bestätigen Ex-Kommandeure, die die beiden seit Jahrzehnten kennen.

Im Januar waren in der FDLR Neuwahlen für die Ämter angesetzt. Mudacumura sollte als Militärchef abtreten, um nicht zu viel Macht zu vereinnahmen. Sadiki und Furaha galten als potenzielle Nachfolger. Beide sind jetzt tot. Aufgrund der jüngsten Kämpfe rund um die Hauptquartiere können die Neuwahlen derzeit nicht stattfinden.

FDLR-Führung rannte weg

Die politische FDLR-Führung unter Rumuli hat ihr Hauptquartier nahe des Dorfs Ntoto, einen Tag Fußmarsch von Kimua entfernt. Auch die Kommissare der politischen Führung, die wie Minister die politischen Angelegenheiten leiten, leben dort. Bis 2006 befand sich dieses Hauptquartier in Kibua, ein paar Dutzend Kilometer nordwestlich.

Am Weihnachtsfeiertag gegen Mittag griff die FDC-Miliz auch das Dorf Ntoto an. Sie erwischte die FDLR-Rebellen auf dem Markt, wo sie die Geschäfte kontrollierten. Bei einem Schusswechsel starben ein FDLR-Kämpfer und ein kleines Mädchen. Die FDLR-Führung rannte davon. Allerdings gelang es den Rebellen am 5. Januar, Ntoto zurück zu erobern.

Die Tatsache, dass eine relativ neue, frisch trainierte und erst kürzlich ausgerüstete Miliz wie die FDC die gut ausgebildeten und kriegserfahrenen Streitkräfte der FDLR in die Flucht schlagen kann, grenzt fast an ein Wunder.

Aus verschiedenen Quellen hört man, der ruandische Militärgeheimdienst stecke hinter den jüngsten FDC-Angriffen auf die Hauptquartiere. Die Zeit der Verhandlungen mit den Kommandeuren sei vorbei, sagt ein ruandischer Beobachter.

Absetzbewegungen

Im vergangenen Jahr hatten sich knapp ein Dutzend Kommandeure aus der FDLR herausverhandelt. Sie bekamen von Kigali via Telefon gute Jobs angeboten, woraufhin sie desertierten.

Berühmtestes Beispiel: Ex-Vize-Chef der FDLR-internen Militärpolizei, Jean de Dieu Nzabanita, alias Romel, kam so in die ruandische Reservebrigade in der UN-Friedenstruppe im sudanesischen Darfur.

Das Demobilisierungs-und Repatriierungsprogramm der UN-Mission Monusco schätzt die Zahl der noch übrigen FDLR-Kämpfer im Kongo jetzt auf "weniger als 2.000", also nur noch ein Zehntel der ursprünglich knapp 20.000.

Um die Hauptquartiere in Nord-Kivu zu verstärken, hatte die FDLR bereits 2011 drei Bataillone aus Süd-Kivu abgezogen. Doch scheinbar reicht diese Verstärkung nicht aus.

FDLR-Experten prophezeien bereits, dass dies nun der Anfang vom Ende der Miliz sei, 17 Jahre nachdem die Täter des Völkermordes in Ruanda 1994 in den Kongo flohen und sich dort neu formierten.

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