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Hungerstreik fürs Klima„Was kann ich noch machen?“

Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick tritt in den Hungerstreik. Er fordert damit von Bundeskanzler Scholz eine Regierungserklärung zur Klimakrise.

Ist bereit, weit zu gehen: Aktivist Metzeler-Kick Foto: fritz engel / archiv agentur zen

Berlin taz | Ein Mensch am Galgen. Unter ihm ein Eisblock. Der Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick ist seit Donnerstag im Hungerstreik. Das Aktionsbündnis „Hungern bis ihr ehrlich seid“, zu dem Metzeler-Kick gehört, fordert, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung die Probleme des Klimawandels benennt. Das gehört beispielsweise für Metzeler-Kick, dass Scholz sagt, dass „das Überleben der Menschheit […] durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet [ist]“.

Dafür hat Metzeler-Kick am Donnerstag einen Brief an Scholz am Kanzleramt einem Mitarbeiter der Poststelle übergeben. Darin zitiert er den UN-Weltklimarat. Der CO2-Gehalt in der Luft sei mit 0,42 Promille zu hoch. Der Klimarat zeige einen Weg auf, dass bis zum Jahre 2150 der Wert auf 0,35 Promille gesenkt werden müsse, damit die Menschheit die besten Überlebenschancen hätte.

Es würde über den CO2-Ausstoß gesprochen, dabei jedoch vergessen, dass bereits zu viel Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre sei. Das CO2 müsse aus der Atmosphäre gesaugt werden, so Metzeler-Kick. Der ehemalige Ingenieur war durch den Hungerstreik der Ak­ti­vis­t:in­nen der Vorgängerorganisation von der „Letzten Generation“ im Jahr 2021 auf diese Protestform aufmerksam geworden. Damals habe er sich entschlossen, sich den Ak­ti­vis­t:in­nen anzuschließen: „Mit denen kann man was anstellen“, sagt Metzeler-Kick.

Durch seine Aktionen mit der „Letzten Generation“ landete er 2022 in der bayrischen Präventivhaft. Dort sei er bereits für 18 Tage in den Hungerstreik getreten. Doch der Hungerstreik seit Donnerstag sei „nochmal eine ganz andere Nummer“, so Metzeler-Kick. Es sei ein „moderner Hungerstreik“. Er habe vor, jeden Tag 250 Milliliter Saft zu trinken und Vitamine zu sich zu nehmen. Damit hofft er, bis zu 300 Tage aushalten zu können.

Bis zur Eskalation

„Ich behalte mir vor, den [Hungerstreik] zu eskalieren“, sagt der Aktivist. Das bedeute konkret, den Saft wegzulassen. Der Höhepunkt seines Protestes könnte etwa zur Zeit der Europawahl am 9. Juni sein. Scholz solle die Regierungserklärung seiner Meinung nach aber schneller Abgeben.

Die Kampagne „Hungern bis ihr ehrlich seid“ sei ein unabhängiges Aktionsbündnis und kein Teil der „Letzten Generation“, betont Metzeler-Kick. Sie würde nur für die Dauer des Hungerstreikes bestehen. Eine weitere Person würde sich ihm in den kommenden Tagen noch anschließen. Es bestehe jedoch kein Gruppenzwang: „Das muss das Individuum entscheiden.“ Der Hungerstreik werde medizinisch begleitet. Im Vorhinein sei ein Blutbild gemacht worden, welches regelmäßig mit aktuellen Werten verglichen wird.

Auf die Frage, warum er diesen drastischen Schritt gewählt hat, antwortet Metzeler-Kick: „was habe ich an friedlichen Mitteln noch nicht probiert? Was kann ich noch machen?“ Er wolle seinen Gewichtsverlauf regelmäßig veröffentlichen. Ab dem 25. März soll der Hungerstreik im Berliner Spreebogenpark – an der gleichen Stelle 2021 – in der Öffentlichkeit stattfinden. Ein früherer Zeitpunkt wurde nicht genehmigt.

In seinem Brief weist Metzeler-Kick Scholz darauf hin, dass er bei seinem Amtsantritt 2021 geschworen hätte, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden: „Die Klimakatastrophe ist eine existenzielle Gefahr für die Menschen in Deutschland und in aller Welt.“ Das Bundeskanzleramt wollte sich am Donnerstag zu dem Brief nicht äußern.

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7 Kommentare

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  • Das erinnert mich sehr an die Aktionen von Tibetern, die sich aus Protest gegen den chinesischen Terror in ihrem Land aus Hoffnungslosigkeit und mit einer letzten "friedlichen" Protestaktion gegen den Landraub und den Terror gegen die Tibeter, selbst verbrannt haben.



    Das hat die Politik der chinesischen Regierung nicht geändert, was bei dieser modernen Diktatur nicht verwundert. Und dennoch hat es viele andere Tibeter in ihrem Engagement zum Widerstand gegen die chinesischen Terroristen aufgerufen und motiviert aktiv zu bleiben und zu werden. Trotz ausbleibender kriegerischer Handlungen der Tibeter gegen die chinesischen Terroristen lebt der Widerstand der Tibeter noch immer, und nicht nur im Exil. So werden die Tibeter auch als Volk überleben.







    Ob Herr Scholz, wie Xi Jinping über den Protest hinwegsehen wird, glaube ich nicht. Natürlich ist dabei nur mit leeren Worthülsen zu rechnen. Wer anderes erwartet kennt den politischen Alltag nicht. Und dennoch macht es den Spielraum für politische Ausflüchte enger, die Beweislage für ein komplettes Versagen der Regierung und des Kanzlers größer.



    Es ist eine individuelle Entscheidung des Aktivisten, der für sich keine andere Möglichkeit mehr sieht, das Thema mindestens in der Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen. Ja, damit ergibt sich auch keine Lösung für das eigentliche Problem und es wird wiedermal nicht inhaltlich um das Problem gerungen und unternommen, sondern nur Aufmerksamkeit erzeugt. Aber was bleibt dieser Tage noch, um in die Medien zu kommen, und den Klimawandel zu stoppen, trotz aller eigenen durchgeführten Veränderungen und der Untätigkeit der Politik und einer Mehrheit der Gesellschaft.

  • Der junge Mann will also den Kanzler durch Androhung seines eigenen Todes zu bestimmten Äußerungen zwingen.

    Das klingt für mich eher nach einer naiven Fehleinschätzung, als nach einer sinnvollen politischen Aktion.

    Selbst wenn Scholz der Forderung nachkommen würde, welche Bedeutung hätte das?

    Gar keine. Politiker sagen viel, wenn der Tag lang ist, manchmal bedeutet das, was sie sagen, das, was sie meinen, manchmal auch das Gegenteil.

    Für so etwas sein Leben aufs Spiel zu setzen, das finde Ich verantwortungslos.

    Überhaupt diese irgendwie totalitäre Herangehensweise, ich habe das und das versucht, hat nicht geklappt, also drohe ich damit mich zu Tode zu hungern.

    Die Bretter sind eben dick.

    • @Jim Hawkins:

      Ja die Bretter sind Dick aber stetig Tropfen höhlt den Stein.

      Manch einer zieht es vor, das eigene Leben zu riskiren, um so ein Tropfen zu sein

      Einfach weil die Untätigkeit und Hoffnungslosigkeit unerträglich sind.

      Finden Sie nicht das ein Wiederstand im 3ten Reich sinnvoll war?

      Der Klimawandel wird mehr Menschenleben und Existenzen gefährden als jeder bissherige Genozid, jede Diktatur.

      Manche Menschen können diese Tatsachen nicht ertragen ohne aktiv zu werden.

      Was jemand für angemessen hält, ob nun in Politik oder als Influencer:in oder beides oder eben mit einem Hungerstreik.

      • @sociajizzm:

        Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich.

        Gegen die Naziherrschaft war jede Art von Widerstand legitim. Jeder SS-Mann, jeder Parteibonze durfte getötet werden.

        Wie man weiß, geschah das in Deutschland so gut wie gar nicht.

        Wenn nun die Klimakatastrophe viel schlimmer als der Nationalsozialismus ist, dann wäre jede Art von Angriff, jedes Attentat auf Verantwortliche legitim und angezeigt.

        Der Meinung sind Sie hoffentlich nicht.

    • @Jim Hawkins:

      Sie müssen das eher als Performance sehen. Ein ernsthafter Hungerstreik wie früher ist das ja eher nicht. Naivität und Idealismus ist bei jungen Menschen auch durchaus in Ordnung.

    • @Jim Hawkins:

      Ich sehe es genauso: Wenn Scholz einknickt, dann liest der halt irgendetwas vor.

      Hat die gleiche Auswirkung wenn jemand in den Hungerstreik tritt bis Greta Thunberg sich zu Kohlestrom und dem Existenzrecht Israels bekennt - das wird vorgelesehen ohne Konsequenzen für die Realität.

      • @Questor:

        jein.

        Die Symbolwirkung ist nicht ohne, bei Erfolg könnte es auch mal deutlich mehr protestierende geben die dann für eine wirksame Politik auf das äußerste gehen.

        Die letzte Generation ist keine besonders große Bewegung, aber auch nicht allzu klein und hat bereits jede Menge Leidendruck wiederstanden, für die eignene Prinzipien.

        Außerdem ist das nur der Anfang.

        Habek hat mal gesagt die Maßnahmen der Regierung seien auf dem 1,5Gard ziel, stellen Sie sich vor er müsste sagen "es tut mir Leid, das war eine Fehleinschätzung"... er muss ja nicht gleich zugeben gelogen zu haben.