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Hollywood im Glück

BOOM 200 Jahre sind die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm alt – und trotzdem ungebrochen beliebt. Das zeigt sich im Kino- und Fernsehprogramm genauso wie im Berliner Stadtbild

Es ist Freitagabend, zwei Tage vor dem ersten Advent, das Berliner Nikolaiviertel gleicht einer Märchenkulisse. Eisprinzessinnen, Elfen und Teufel laufen durch die Straßen, Märchenfilme werden auf Leinwände projiziert. Es ist das erste Berliner Märchenfestival.

In einem Stoffgeschäft liest eine als Prinzessin verkleidete Frau aus einer Grimm’schen Märchensammlung vor. Sie stockt: „Es sind ja keine Kinder hier?“, fragt sie mit Blick in die Runde. Es sind wirklich keine da, aber der Einwand ist trotzdem berechtigt, denn das Märchen beschreibt detailliert, wie ein Mädchenkörper zerlegt wird.

Jahrhundertelang richteten sich Märchen ausschließlich an Erwachsene. „Kinder wurden rausgeschickt, wenn im Hause Märchen erzählt wurden“, sagt der Germanist und Märchenexperte Heinz Rölleke am Telefon. Erotik sowie Gräueltaten prägten die Erstveröffentlichung der Grimm’schen Märchen 1812 maßgeblich. Gleichzeitig waren die Brüder Grimm aber auch die ersten, die Märchen in eine kindgerechte Form brachten und damit die Grundlage für ihren enormen Erfolg legten. Laut Rölleke waren sie auch „die Ersten, die diese Texte wirklich ernst genommen haben und sich wissenschaftlich mit ihnen beschäftigen“. Bis heute ist ihre Märchensammlung das meistgedruckte deutschsprachige Buch aller Zeiten und weltweit bekannt, so Rölleke.

Auch in der Kulturszene Berlins spiegelt sich die Beliebtheit der Grimm’schen Märchen wider. Unweit des Nikolaiviertels befindet sich die Berliner Märchenhütte, ein Theater, das sich auf märchenhafte Aufführungen spezialisiert hat.

Vom Gestiefelten Kater bis zu Hänsel und Gretel füllen die bekannten Grimm’schen Figuren, aber auch Geschichten von Hans-Christian Andersen und internationalen Autor*innen, den Spielplan. Vor zehn Jahren startete der Kulturunternehmer Christian Schulz das Projekt. Nach Startschwierigkeiten seien die Tickets heute stets schnell vergriffen, so Schulz. „Die Sehnsucht nach fantastischen Momenten führt nicht mehr nur Kinder, sondern Besucher*innen aller Altersgruppen in die Märchenhütte.“

Ein weiteres Indiz für die anhaltende Beliebtheit von Märchen: Unter den gewinnbringendsten Filmen der letzten Jahre finden sich verschiedene Märchenadaptionen: „Cinderella“, „Rapunzel“ und „Frozen“, die Verfilmung von Hans-Christian Andersens „Eiskönigin“. Sie zählt zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Auch die ARD hat in den vergangen acht Jahren rund 40 Märchen mit prominenter Besetzung neu verfilmt. An diesem Weihnachten laufen wieder neue Produktionen. Selbst an Erwachsene gerichtete Kinofilme erreichen ein breites Publikum und sind mit berühmten Schauspieler*innen besetzt. Angelina Jolie und Julia Roberts spielten zuletzt die Hexen in „Schneewittchen“ und „Dornröschen“.

Ganz neu ist dieser Trend nicht. Experten wie Rölleke beobachten den Märchenboom bereits seit den 80er Jahren. Ob in der Wissenschaft, Psychotherapie, Pädagogik oder der Altenpflege: Märchen entfalteten ihren Reiz weiterhin auf vielfältige Weise. „Gerade in der Erwachsenenrezeption ist kein Ende abzusehen“, so Rölleke.

Das zeigt auch das anstehende Kinoprogramm. Anfang 2017 startet die Hollywoodproduktion „Die Schöne und das Biest“ mit Emma Watson in der Hauptrolle. Der Märchenboom geht wohl weiter, und das nicht nur im vorweihnachtlichen Berlin.

Raphael Piotrowski, Teresa Kampfmann und David Gutensohn

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