Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina: Republika Srpska hat Schmidt satt
Das Parlament der Republika Srpska hat entschieden, den Hohen Repräsentanten ignorieren zu können. Ist das der erste Schritt zum unabhängigen Staat?
Mit einer Zweidrittelmehrheit haben die Parlamentarier beschlossen, zukünftig alle Entscheidungen des Hohen Repräsentanten ignorieren zu können. Die Nationalversammlung beschloss zudem, seine Entscheidungen nicht im Gesetzesblatt der serbischen Entität abzudrucken und sie dadurch für ungültig zu erklären.
Die serbische Teilrepublik hält die Einsetzung des deutschen Diplomaten ohnehin für illegal, weil seine Einsetzung als Hoher Repräsentant nicht vom Weltsicherheitsrat bestätigt wurde. 2021 stimmte Russland in New York gegen die Implementierung Schmidts, China enthielt sich damals der Stimme.
Für Srpskas Präsidenten Milorad Dodik und die serbische Entität ist damit klargestellt, dass sie keine Intervention des Hohen Repräsentanten in ihre Angelegenheiten zu dulden braucht.
Dodik stellt sich gegen den Dayton-Vertrag
Wird die Republika Srpska damit zu einem eigenen unabhängigen Staat erhoben, wie es Dodik und der Führung Serbiens in Belgrad insgeheim vorschwebt? Nach dem Rechtsverständnis der anderen beteiligten Staaten war die Bestellung Schmidts aber durchaus legal, denn der Hohe Repräsentant wird nicht durch den Weltsicherheitsrat, sondern durch den PIC, den Peace-Implementation Council, bestimmt.
Dem PIC gehören über 50 Staaten und internationale Organisationen, darunter auch die UNO oder die OSZE an. Somit spielt der Weltsicherheitsrat bei der Bestellung des Hohen Repräsentanten keine Rolle – auch wenn der Hohe Repräsentant dazu verpflichtet ist, regelmäßig vor diesem Gremium Rechenschaft abzulegen.
Damit stellen sich die serbische Entität und Präsident Milorad Dodik offen gegen das Abkommen von Dayton, das den von 1992 bis 1995 währenden Krieg beendet hatte. Und sie versuchen, im ohnehin komplizierte Gefüge Bosnien und Herzegowina jegliche gemeinsame Politik zu verhindern.
Der Hohe Repräsentant soll die zivile Umsetzung des Friedensvertrags in Bosnien und Herzegowina überwachen. Dafür stehen ihm mehrere Machtinstrumente zur Verfügung: Er kann Politiker absetzen, die gegen den „Geist von Dayton“ verstoßen. Das meint vor allem jene, die nicht für eine friedliche Zusammenarbeit im zweigeteilten Staat mit drei „Konstitutiven Nationen“ zu gewinnen sind und internationale Rechtsnormen ignorieren.
Schmidt etablierte Expertengremium
Durch die sogenannten „Bonner Befugnisse“ kann der Hohe Repräsentant zudem in Gesetzesvorhaben eingreifen. Dieser Machtzuwachs wurde ihm bei einer Konferenz des PIC in Bonn 1997 gewährt.
Seit Schmidt das Amt übernommen hat, ist er nur zweimal mit Dodik aneinandergeraten: Er strich beide Male Gesetze der serbischen Entität, die den Besitz an Grund und Boden neu regeln sollten.
Dodik hatte in seiner Finanznot Ländereien und Wald an ausländische Geldgeber verpfändet, ohne zu beachten, dass diese Ländereien dem Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina gehören und nicht dem serbischen Teilstaat. Als das Verfassungsgericht des Gesamtstaats urteilte, seine Politik sei nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen, negierte Dodik das Gericht und erkennt es seither nicht an. Er zog sogar den serbischen Richter aus dem Verfassungsgericht zurück. Allerdings wohl auch, weil dieser nicht immer seinen Befehlen folgte.
Schmidt gab sogar in der Frage um die Ländereien und den Wald nach. Er etablierte ein Expertengremium, das sogleich als intransparent und als nicht repräsentativ kritisiert wurde.
Dodik kümmerte sich jedoch nicht darum. Ihn zog es vor Kurzem nach Moskau, wo ihn Putin empfing. Dodik organisiert dessen Sympathisanten auch in der EU. So wird der ungarische Ministerpräsident Orbán, der am Donnerstag Sarajevo besucht hat, die Nacht in Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik, verbringen. Orbán hat Dodik vor wenigen Monaten mit 200 Millionen Euro gesponsert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit