Hohe Umfragewerte der AfD in Brandenburg: Thüringer Verhältnisse
Die AfD steigt in Brandenburg in der neuesten Umfrage auf 32 Prozent. Der SPD-Generalsekretär will nicht das „Prinzip Hoffnung“ setzen.
Berlin taz | Der Rückhalt der AfD in Brandenburg hat Thüringer Verhältnisse angenommen. Laut der jüngsten, am Mittwochabend veröffentlichten Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag des RBB würden 32 Prozent der Befragten für die AfD stimmen, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre. Das ist auch der Wert, auf den die Partei zuletzt in Thüringen kam, wo der Anführer des rechtsextremen „Flügels“, Björn Höcke, ihr Landesvorsitzender ist. Die nächste Landtagswahl steht in Brandenburg in rund einem Jahr an, am 22. September 2024.
Es ist das erste Mal, dass die AfD in Brandenburg über der 30-Prozent-Marke liegt. Anfang Juli waren es bei der Umfrage eines anderen Instituts 28 Prozent gewesen. Ende April, damals wie jetzt von Infratest ermittelt, kam die AfD auf 23 Prozent – so wie bei der Landtagswahl 2019. Weit dahinter liegen die Regierungsparteien der rot-schwarz-grünen Kenia-Koalition: die SPD mit 20 Prozent (im Juli bei 21), die CDU unverändert mit 18 und die Grünen, die gegenüber Juli von 9 auf 8 Prozent sanken. Die oppositionelle Linkspartei verschlechterte sich auf 8 Prozent (im Juli 10).
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz machte am Donnerstagmorgen in einem RTL-Interview in einem für ihn typischen Reflex die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für das AfD-Hoch verantwortlich. In der Umfrage ergibt sich aber auch eine negative Wahrnehmung der Brandenburger Regierungsarbeit, an der die CDU beteiligt ist: Nur 38 Prozent gaben an, damit zufrieden zu sein, 57 Prozent hingegen äußerten sich unzufrieden. Vorrangiges Thema bei den Befragten waren Heizungsgesetz und Energiepolitik.
Von der Brandenburger SPD-Spitze als führender Regierungspartei hieß es in einer ersten Reaktion, man solle sich jetzt nicht das auf das „Prinzip Hoffnung“ verlassen. „Wir müssen uns ganz konkret daranmachen zu zeigen, dass unser Land gut funktioniert, dass hier die Dinge angepackt werden“, sagte ihr Generalsekretär David Kolesnyk im RBB-Inforadio, „das erwarten die Leute und das erwarten sie zu Recht.“ Dafür sei es wichtig, noch mehr Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern zu führen, ihnen zuzuhören und herauszufinden, was sie beschäftige.
„Aufruf zur Gewalt“
Bei der Opferperspektive Brandenburg, die sich vor Ort für Betroffene rechter Gewalt einsetzt, sind die derzeitigen Umfragewerte der AfD auch im Alltag spürbar. Anne Brügmann von der Opferperspektive sagte der taz: „Es macht natürlich etwas mit den Betroffenen, wenn sie sehen, dass so viele Menschen für eine rechtsextreme Partei stimmen würden. Das zeigt ihnen, dass viele gut finden, wenn sie bedroht und angegriffen werden.“
Rechtsextreme Forderungen der AfD wie etwa die nach „Remigration“ (sprich Deportation) bestätigten rassistische Angreifer in ihrem Handeln und könnten als Aufruf zur Gewalt verstanden werden, so Brügmann. Gleichzeitig legitimiere die AfD rechte Gewalt und Bedrohungen: „Der Cottbuser AfDler Jean-Pascal Holm hat geschrieben, Bürgerliches Engagement wirkt!', als die beiden Lehrer:innen aus Burg nach der Bedrohung durch Rechte weggezogen sind, und der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré hat den rechten Angriff auf Kreuzberger Jugendliche in Heidesee verharmlost, indem er sagte, man dürfe das nicht zu einem fremdenfeindlichen Vorfall aufbauschen.“
Vor allem die Häufigkeit von queerfeindlichen Vorfällen und Gewalt habe zugenommen – etwa bei Angriffen in Golm Anfang des Jahres und angezündeten Pride-Flaggen. Brügmann hält einen Zusammenhang mit der immensen Hetze der AfD bei diesem Thema für gut denkbar.
Aber es gibt auch Gegenwehr: Letzte Woche beim Höcke-Auftritt bei einer AfD-Kundgebung in Oranienburg hat ein breites Bündnis verschiedene Gegen-Aktionen durchgeführt: Oranienburger Familien malten den Schlossplatz mit Straßenmalkreide in Regenbogenfarben bunt, eine dreimal so große Gegenkundgebung demonstrierte gegen Rechtsextremismus und während Höcke sprach, ließ Oranienburgs Bürgermeister über dem Marktplatz eine große Figur von Bernd dem Brot anstrahlen.
Leser*innenkommentare
Jim Hawkins
Gnade uns Gott sollte es der AfD gelingen Zugang zu den Trögen der Macht zu bekommen.
Während sich die verbleibende Linke auf der einen Seite als Partei zerlegt und auf der anderen Seite Linke andere Linke als schlimmste Feinde bekämpfen, planen die Nazis die Übernahme der Macht.
Was das dann bedeutet, das hat Georg Seeßlen in der Jungle World am italienischen Beispiel herausgearbeitet:
"1. Der Krieg gegen die Kultur.
2. Der Krieg gegen die Flüchtlinge und gegen die Ausländer.
3. Der Krieg gegen die Linken, die Liberalen und die Kritiker.
4. Der Krieg gegen Frauen, Queere und Dissident:innen.
5. Der Krieg gegen die Armen."
jungle.world/artik...llschaft-als-beute
Dass deutsche Faschisten dabei mit mehr Gründlichkeit vorgehen würden, als italienische, das versteht sich selbst.
Pardon: Faschist:innen natürlich, das ist das wichtigste.
Johnny Bop
Was ich schon immer zum kotzen fand, was sich aber nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Geschichte aller Demokratien zeigt: Egal welches Thema man politisch umsetzen will, es gelingt dauerhaft immer nur im Windschatten einer signifikanten und dauerhaften Kaufkraftsteigerung der Gesamtbevölkerung! Gelingt eine signifikante und dauerhafte Kaufkraftsteigerung nicht, landen wir in autoritären Diktaturen die dann alles noch schlimmer machen!
Abdurchdiemitte
@Johnny Bop “Gelingt eine signifikante us dauerhafte Kaufkraftsteigerung nicht, landen wir in autoritären Diktaturen die dann alles noch schlimmer machen!”
Ich würde sagen: das ist das kapitalistische Prinzip. Profitieren kann davon die Mehrheit der Bevölkerung, solange der Rubel rollt.
Tut sich die Schere der sozialen Ungleichheit zu stark auf - und sei es lediglich in Form diffuser sozialer Abstiegsängste der Mittelschicht, wie wie aus der Faschismusforschung wissen - , wird es zu einer Gefahr für demokratische Gesellschaften.
Dem Kapitalismus hingegen ist es egal, ob wir unter demokratischen oder totalitären Verhältnissen leben.