Höhere Steuern für Besserverdienende: Ins Schlammloch steigen
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat Pläne zur stärkeren Besteuerung von Besserverdienenden angekündigt. Die Idee ist politisch richtig, aber riskant.
D ie Ankündigung ist vage. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat in einem Zeitungsinterview erklärt, Besserverdienende sollten einen „etwas größeren Beitrag“ zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Die SPD befürworte die Vermögenssteuer. Sofort machte die Meldung die Runde, die SPD wolle die Besserverdienenden höher besteuern. Die Kommentare im Internet zeigten, dass allein schon die Frage ungeklärt ist: Wer gehört eigentlich zu den Gutgestellten? Und wer eher nicht?
Wer ein Vermögen von 280.000 Euro (inklusive Immobilien) hat, gehört statistisch schon zu den obersten 10 Prozent, sagt das DIW-Institut. DieseR Vermögende wird sich etwa in Berlin aber als bedauernswerte Mittelschicht fühlen, weil man mit dem Geld nicht mal eine Wohnung für eine Familie kaufen kann.
Die Idee, einfach nur das reichste Prozent der Bevölkerung besonders hoch zu besteuern, klappt aber auch nicht so einfach. Zum reichsten Prozent gehört man ab einem Vermögen von 1,3 Millionen Euro. In hohen Vermögen stecken Altersvorsorge, Mietshäuser, Betriebsvermögen. In einer Zeit, in der dank Corona viele Selbstständige als neue Opfergruppe dastehen, kann man sich den Gegenwind vorstellen, wollte die Politik häppchenweise hohe Privatvermögen abtragen.
Trotzdem ist die Ankündigung von Scholz richtig, wenn sie ernst gemeint ist. Denn die Folgen von Corona kosten viel Geld und die Möglichkeiten von Steuererhöhungen auf mehreren Ebenen müssen offenstehen. Es gab vor Jahren schon einen deutlich höheren Spitzensteuersatz und eine Vermögenssteuer, es gab und gibt noch den Solidaritätszuschlag, in anderen Ländern sind die Erbschaftssteuern zudem höher.
Umverteilungspolitik ist keine Robin-Hood-Heldengeschichte, sondern „dirty“ – ein Schlammloch, in das man sich als PolitikerIn tapfer mit Gummistiefeln reinwagen muss, um aufzuräumen, und dabei garantiert mit Dreck beworfen wird. Wer den Mut nicht hat, kann sich oben auf die grüne Wiese legen. Wer dagegen etwas riskiert, verdient Beifall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken