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Höhere Hürden für Kampfeinsätze

Grüner Streit: Sollen Soldaten mit einfacher oder Zweidrittelmehrheit in den Krieg geschickt werden?

BERLIN taz ■ Krieg und Frieden, findet Frithjof Schmidt, sind ziemlich grundsätzliche Fragen – also gut geeignet für ein Grundsatzprogramm. Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Grünen ist einer der führenden Köpfe in der Debatte der Partei um das geplante Grundsatzprogramm, das noch diesen November auf dem Parteitag in Rostock verabschiedet werden soll. Seit Wochen verfolgt Schmidt ein Anliegen, mit dem er in den eigenen Reihen nicht nur auf Gegenliebe stößt: Er möchte die Hürden für Kampfeinsätze der Bundeswehr erhöhen. Derzeit könne der Bundestag Soldaten „mit einer Mehrheit von 51 zu 49 Prozent“ in den Kampf schicken, kritisierte Schmidt gestern gegenüber der taz. Am kommenden Wochenende entscheidet die grüne Programmkommission, ob seine Forderung in den Entwurf für den Parteitag aufgenommen wird.

Vergangene Woche musste der Nordrhein-Westfale miterleben, wie Außenminister Joschka Fischer im Parteirat den von Schmidt mitverfassten außen- und sicherheitspolitischen Teil des Programmentwurfs für untauglich erklärte – und zur Überarbeitung an seinen engsten Mitarbeiter Achim Schmillen weiterreichte. Die meisten Meinungsverschiedenheiten sind inzwischen diskret aus dem Weg geräumt worden – von den höheren Hürden für Kampfeinsätze will Schmidt sich aber nicht abbringen lassen. Ein Jahr vor der Bundestagswahl sieht er darin auch ein Signal: „Es geht mir darum, deutlich zu machen, dass wir eine Friedenspartei sind.“

Nach Schmidts Vorstellung sollen die Grünen für eine Grundgesetzänderung eintreten, sodass für friedenserzwingende Maßnahmen künftig eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich ist. Um „Irritationen“ in der Partei zu begegnen, stellt Schmidt klar: Auf die aktuelle Diskussion um einen Makedonien-Einsatz der Bundeswehr hätte die Entscheidung keinen Einfluss. „Makedonien wäre ein klassischer Peacekeeping-Einsatz“, keine Kampfoperation.

Das Echo auf den Vorschlag ist trotzdem geteilt: Während Parteichefin Claudia Roth am Montag die Zweidrittelmehrheit unterstützte, hat der Ko-Vorsitzende Fritz Kuhn Bedenken. Strategen in der Parteizentrale befürchten offenbar, mit dem Ruf nach Zweidrittelmehrheiten großen Koalitionen Vorschub zu leisten. „Ein legitimer Einwand“ sei das, findet Schmidt, aber rein taktischer Natur und daher „von einer anderen Qualitätsklasse“ als die Sorge um Krieg oder Frieden.

Joschka Fischer hat sich noch nicht eindeutig geäußert, ist aber tendenziell skeptisch. Eine Präzisierung von Vorschriften für Bundeswehreinsätze hält man im Auswärtigen Amt für eine unnötige Einschränkung des Entscheidungsspielraums der Bundesregierung. Die grüne Unschlüssigkeit in dieser Frage personifiziert derzeit am besten Fraktionschef Rezzo Schlauch: „Dass man eine übergroße Mehrheit im Parlament anstreben sollte, ist klar, aber ich bin nicht überzeugt, ob man eine Zweidrittelmehrheit festschreiben sollte.“ Schmidt will das Argument nicht gelten lassen, dass sich bisher noch jede Regierung in der Verteidigungspolitik um einen Konsens mit der Opposition bemüht hat. „Es können ja auch mal andere regieren, die sich nicht bemühen.“

PATRIK SCHWARZ

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