Höhenflüge an den Aktienmärkten: Völlig losgelöst
Die Börsen sind im Trump-Rausch. Die Frage ist, wann die Blase platzt: Mit den Geschehnissen in der Realwirtschaft hat das alles nichts mehr zu tun.
Eine der Grundregeln der Wirtschaft ist: Unsicherheit ist der Feind des Wachstums. Sie scheint außer Kraft gesetzt. Der neue US-Präsident Donald Trump, Sinnbild unberechenbarer Politik, treibt die Börsenkurse weltweit in die Höhe. Der Dow Jones, erstmals über 20.000 Punkte, der DAX bald bei 12.000 Punkten.
Ist das jetzt ein Aufschwung? Die Antwort ist: Nein. Es ist die Erwartung eines Aufschwungs, mehr nicht. Grund sind Trumps Ankündigungen, Steuern zu senken und auf Pump Geld in die Infrastruktur zu stecken, was die Wirtschaft ankurbeln könnte. Die steigenden Kurse bedeuten, dass Anleger ihr Geld umschichten, also ein rein virtuelles Herumgeschiebe auf den Märkten.
Und woher kommt das Geld?
Ursprünglich von den Zentralbanken, die seit Jahren Billionen Euro und Dollar ausschütten. Nur, wohin mit der Kohle? Anleger liehen in den letzten Jahren mit Vorliebe den Staaten Geld, in letzter Zeit waren auch Rohstoffe gefragt – oder besser gesagt: Zertifikate, mit denen man auf Rohstoffpreise wetten kann. Derzeit steigen die Zinsen für Staatsanleihen, darum werden sie unattraktiv. Außerdem sinken die Rohstoffkurse – Anleger verkaufen. Das Überschüssige Geld stecken sie in Aktien.
Aber warnen nicht alle vor Trump?
Politisch besteht die Gefahr, dass Trump die USA abschottet, hohe Zölle auf Waren aus dem Ausland einführt und damit einen Handelskrieg anzettelt. Davor warnen so unterschiedliche Figuren wie Sigmar Gabriel (SPD) oder der chinesische Staatspräsident Xi. Ob die Anleger an den Börsen die Gefahr auch sehen, lässt sich nicht sagen. Ein Sprichwort an den Börsen lautet ja: Mittanzen, solange die Musik spielt. Man muss nur rechtzeitig verkaufen, bevor die Blase platzt.
Und wann platzt die?
Vielleicht mit einem Tweet von Trump? Etwa: „Großartige Tat für Amerika: Habe Zölle auf chinesische Waren verhängt.“ Oder der Kongress lehnt in einem Akt der Vernunft die Steuersenkungen Trumps ab, weil sie ein gewaltiges Loch in die Staatskasse reißen würden. Die Situation an den Märkten unterscheidet sich jedenfalls von der vor der Finanzkrise von 2008: Viele der Finanzprodukte, die die Krise ausgelöst haben, sind deutlich besser reguliert. Dank der Regeln, die noch unter Obama verabschiedet worden sind – und die Trump jetzt wieder abschaffen will.
Und langfristig?
Es ist kompliziert: Gibt der Staat Geld zum Bau von Brücken oder sonstiger Infrastruktur aus, steigt in der Regel die Inflation. Um die im Griff zu behalten, muss die Zentralbank die Zinsen erhöhen. Das gab es schon mal, unter Ronald Reagan in den 80ern. Die Folge könnte ein „doppeltes Defizit“ sein – höhere Staatsschulden führen zu höheren Zinsen, führen zu einem stärkeren Dollar, was die Handelsbilanz mit anderen Ländern schwächt – es passiert genau das Gegenteil dessen, was Trump wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag