Höcke empört über Verfassungsschutz: „Flügel“ im Visier
Der Verfassungsschutz könnte den AfD-„Flügel“ in Kürze als klar rechtsextrem einstufen. Dessen Anführer Björn Höcke reagiert empört.
BERLIN | taz | Während Björn Höcke am Mittwoch im Thüringer Landtag die große Bühne suchte, herrschte andernorts in der AfD Nervosität. Denn zuvor machte die Meldung die Runde, dass Höckes „Flügel“, das rechtsextreme Sammelbecken der AfD, in Kürze vom Verfassungsschutz als volles Beobachtungsobjekt eingestuft wird. Ein Schritt, den die Partei lange zu verhindern suchte.
Höcke reagierte am Mittwoch prompt. In einer Mitteilung warf er dem Verfassungsschutz „Unterstellung und Diffamierung“ vor. Die Behörde agiere nicht neutral, sondern „schlicht unwürdig“. Zitate von ihm oder anderen Parteivertretern würden aus dem Zusammenhang gerissen und „schlechtestmöglich interpretiert“. Er werde seine Überzeugungen „nicht dieser fragwürdigen, demokratiefeindlichen VS-Methodik anpassen“.
Bereits seit Januar 2019 führt der Verfassungsschutz den „Flügel“ als Verdachtsfall, ebenso wie die AfD-Parteijugend: Bei beiden Gruppen gebe es „stark verdichtete Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung“. Die AfD im Gesamten ist, eine Stufe darunter, ein „Prüffall“. Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang kündigte jüngst an, dass er in Kürze über die finale Einstufung des „Flügels“ entscheiden wird.
Auf einer Stufe mit der NPD
Laut ARD und SüddeutscherZeitung lautet nun das Resultat: die Einstufung als volles Beobachtungsobjekt und damit als klar rechtsextrem. Der „Flügel“ wäre damit auf einer Stufe mit der NPD – und der Verfassungsschutz könnte sein ganzes Überwachungsarsenal gegen die Gruppe einsetzen.
Der Geheimdienst wollte sich dazu am Mittwoch nicht äußern. Haldenwang hatte eine solche Entscheidung zuletzt aber bereits angedeutet. Seit Herbst attestierte er dem „Flügel“, „immer extremistischer“ zu werden. Die AfD wollte ihm diese Aussage gerichtlich untersagen, unterlag aber vor dem Verwaltungsgericht Köln. Im Januar legte die Partei eine Klage gegen die Beobachtung an sich nach: Dafür gebe es „keine tatsächlichen Anhaltspunkte“, so die Begründung. Eine Entscheidung steht aus.
Intern aber zählt der Verfassungsschutz „Flügel“-Anhänger bereits als Rechtsextremisten – 7.000 sollen es bundesweit sein. Schon in dem 436-seitigen Verfassungsschutzgutachten vom Januar 2019 wird die AfD schwer belastet – allen voran der „Flügel“. Dieser setze politisch auf Ausgrenzung, mache Migranten, Muslime und politisch Andersdenkende verächtlich und relativiere den historischen Nationalsozialismus. Ziel des „Flügels“ sei ein ethnisch homogenes Volk, die Staatsbürgerschaft muslimischer Deutschen werde infrage gestellt. Immer wieder wird dies mit Zitaten von Höcke unterlegt.
Partei in Sorge um Beamte in ihren Reihen
Die AfD hatte in den vergangenen Monaten versucht, das Gutachten zu entkräften. Sie forderte die in dem Schriftsatz zitierten ParteikollegInnen zu Stellungnahmen auf, erstellte Gegengutachten. Der AfD bereiten neben dem Schmuddel-Image vor allem die Beamten in der Partei Sorgen, die zur besonderen Verfassungstreue verpflichtet sind und bei einer Verfassungsschutzbeobachtung Probleme bekommen könnten.
Höcke erklärte am Mittwoch immerhin, er würde „einige Formulierungen heute so nicht mehr gebrauchen“. Aber: „Ein Abrücken von politischen Positionen, die ich für vernünftig und sinnvoll halte, wird es von meiner Seite nicht geben.“
Erst am Dienstagabend war Höcke bei einer rechten Kundgebung in Erfurt zusammen mit Pegida-Anführer Lutz Bachmann aufgetreten. Mitte Februar sprach der AfD-Mann auch bei Pegida in Dresden als Redner und hatte dort zu einer Art Umsturz aufgerufen. „Die Herrschaft der verbrauchten Parteien und Eliten muss abgelöst werden.“ Und: „Wir werden diesen Kampf gemeinsam führen und gemeinsam gewinnen.“
Die Staatsanwaltschaft Dresden prüft hier Ermittlungen wegen Volksverhetzung. Und auch der Verfassungsschutz dürfte die Rede aufmerksam notiert haben.
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