Hochschule kooperiert mit Apple: Exklusives Datengeschenk
Um Vorlesungsinhalte extern bereitzustellen, macht die Freie Universität Berlin einen Deal mit Apple. Nicht nur an der Exklusivität regt sich Kritik.
BERLIN taz | Immer mehr Universitäten nutzen das Internet, um ihren Lehrbetrieb der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor allem Videomitschnitte von Vorlesungen werden inzwischen online angeboten, Vorreiter waren Hochschulen in den USA. Nun arbeitet auch die Freie Universität (FU) in Dahlem daran, Vorlesungsclips im Netz bereitzustellen.
Anders als bei vergleichbaren Projekten sollen die Inhalte der FU aber in einer exklusiven Kooperation mit dem Geräte- und Softwarehersteller Apple verbreitet werden – und zwar über die Bildungsplattform „iTunes U“.
Auf Anfrage bestätigte die Universität die Nutzung der Plattform. Damit wolle die FU „ihren Lehrenden ermöglichen, sich in Ergänzung zu den universitätsinternen Systemen mit eigenen Lehrveranstaltungen einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren“, hieß es aus der Pressestelle der FU.
Zum Deal mit Apple gehört offenbar, dass die Universitätsleitung die Verbreitung von Inhalten über andere Wege zu verhindern versucht. In einem internen Schreiben, das der taz vorliegt, wirbt Peter Lange, Kanzler der Freien Universität, für die Kooperation mit dem kalifornischen Unternehmen. Dozenten werden explizit aufgefordert, „von der Nutzung anderer externer Internet-Plattformen zur Verbreitung von aufgezeichneten Lehrveranstaltungen und audiovisuellen Materialien abzusehen“.
Abgeschottet
So viel Exklusivität sorgt bei Studierendenvertretern für Kritik: „Natürlich begrüßen wir jedes Vorhaben, Wissen und Lehre universeller verfügbar zu machen“, erklärt etwa Hannes Hauswedell von der Fachschaft Bioinformatik gegenüber der taz. „Was das Präsidium plant, scheint aber leider kein besonders universeller Zugang zu werden, sondern eher ein Datengeschenk an ein großes Unternehmen.“
Tatsächlich schottet sich die Universität mit der Nutzung von „iTunes U“ aus frei zugänglichen Internet ab. Voraussetzung für die Nutzung der Materialien ist die Nutzung der iTunes-Software von Apple – mit einem herkömmlichen Webbrowser kann man nicht darauf zurückgreifen. Das schließt einige Betriebssysteme von vornherein aus: Im Open-Source-System Linux lässt sich iTunes beispielsweise nicht installieren.
Kritik kommt dementsprechend von der Free Software Foundation (FSF), die sich um den Schutz von Nutzern freier Software kümmert. Matthias Kirschner von der FSF Europe findet es „enttäuschend, dass eine von öffentlichen Geldern finanzierte Universität ihr Wissen Externen online nur verfügbar macht, wenn diese die Software eines bestimmten Herstellers nutzen“. Rein technisch sei es überhaupt kein Problem, die Materialien für alle Nutzer unkompliziert zum Herunterladen anzubieten.
Schließlich setzt auch die Datenschutzbeauftragte der Freien Universität, Ingrid Pahlem-Brandt, ein großes Fragezeichen hinter die Kooperation mit Apple. „Eine Verbreitung von Vorlesungsvideos exklusiv über iTunes U wäre in höchstem Maße datenschutzrechtlich problematisch“, sagt Pahlem-Brandt. Zum Beispiel sei unklar, was mit den Daten geschehe, die beim Abruf der Videos auf iTunes U entstehen.
Leser*innenkommentare
kritiker
Gast
Freiheit von Forschung und Lehre
= Freiheit der Forschung + Freiheit der Lehre
Univerität steht für universalen Zugang
zu Wissen in der Tiefe und größtmöglicher Bandbreite
über alle bekannten Wissensdisziplinen.
Freiheit der Lehre = Freiheit der Lehrkräfte
+ Freiheit der Studenten
zum Zwecke der Erreichung
bestmöglicher Leistungen
(theoretisch und praktisch)
Dieser Beschluss der Uni-Leitung
ist ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht,
die Freiheit der Lehre und sozialdarwinistische
Privilegisierung.
Appleprodukte sind Sozialschichtenprodukte
und unterminieren beide grundlegenden Prinzipien
der Universität deutscher Prägung.
Es ist nicht zumutbar erst 400-600 EURO für ein
Apple Handy
ausgeben zu müssen, um dann sich die Lehrinhalte
anschauen zu dürfen.
Soviel kann eine Mutter mit HarzIV-Bezug
trotz jobbenden Student(m/w)
mit Bafög aber hoher Mietforderungen, Inneneinrichtungsfinanzierung + Nebenjob nicht
seriös finanzieren.
Oder sollen zukünftig auch Handies vom Staat
finanziert werden müssen?
Und es ist nicht gerecht, dass nur Apple-Handy-Besitzer Lehrangebote einer öffentlichen-rechtlichen
Institution mit öffentlichen Bildungsauftrag
nutznießen dürfen!
Das benachteiligt StudentInnen
aus HarzIV-Familien wieder überproportional
und zerstört auch die Wettbewerbsfreiheit
zu Lasten anderer Smartphonehersteller, Verlage,
Entertainmentproduzenten usw.,
TV-Produktionsfirmen usw. .
Es vernichtet Arbeitsplätze, weil es Wachstummärkte
von vornherein abschottet, was gerade bei vielen
Medienanbietern die neue Vermarktungsstrategien
zum überleben suchen, zerstört.
Und Apple diktiert auch wieder das Apple-Medienrecht einer deutschen gesetzlich verankerten
Institution! Wie blöd kann man eigentlich sein,
sich sein bescheidenes Renommee so zu verspielen??
Die Uni zerstört zukünftige Marktpotentiale
auch für ihre AbsolventInnen! Was für liebe
Lemminge,wir doch da wieder hingesetzt haben!
linda
Gast
Das Wissen der FU-, Uni-, TU Berlin gehört
dem Volk.
Es ist sehr löblich endlich die Lehrinhalte
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Warum hier aber eine Hinerziehung
zur Technologiemonopolhörigkeit völlig
wider dem liberalen Gründungsgeist der Uni
erzwungen soll, um persönliche Freiheit
zu erringen, erschließt sich mir nicht.
Zumal dann vielleicht auch noch Apple
Weitervertriebsrechte bekommt!
Dieses Wissen gehört dem Volk!!!
Wenn die Uni-Leitung wenigstens über grundlegende
marktwirtschaftliche Kenntnisse verfügen würde,
würde sie ihre Vorlesungen in Sammel-DVD-Bänden
veröffentlichen mit Quizabfragefunktion
und Klausur/Lösungen aller Jahrgänge;
anschließenden Recherchetools und diese
über viele anerkannte Verlage verkaufen und die
Gewinne in eine bessere Lehre investieren,
mehr Doktorandenstellen finanzieren und
Medienaufbereitungsprojekte durch MedienpsychologInnen
und LektorInnen, GrafikerInnen, Animationskünstler,
Filmer,Modellbildner usw. stemmen.
Die eine oder andere halbe Stelle könnte dann
auch in eine Vollzeitstelle umgewandelt werden.
Die Dummheit der Betriebswirtschaftler,
der Grund für Europas und Deutschlands Krise
beginnt leider schon in den Schulen und Hochschulen!
Einfach kein Talent und viel Prinzipienlosigkeit.
Du sollst keine Knebelverträge bejahen!!
Wo sind die MacherInnen noch?
Immer muss nach dem nächsten Großkonzern
gejammert werden!! Und so etwas nennt sich
Elite!! Berlin ist völlig überschätzt!
Kampf der Megakonzernoligarchie;
Freiheit den Völkern!
Maxwellscher Dämon
Gast
Mit der Entscheidung, Lehrinhalte ausschliesslich für Apple-Geräte bereitzustellen hat sich die FU Berlin selbst isoliert und vom Fortschritt abgekoppelt.
Prof.Primus von Quack
Gast
Auch als geborener Wiener - die freie Universität ist nie frei gewesen! Sie ist ein Ziehkind des primitiven Antikommunismus, welches schon bei der Gründung von den USA finanziert wurde und hat sich nach dem Ende des kalten Krieges folgerichtig dem Neoliberalismus zugewandt.
Die 68er waren gewissermaßen Ausdruck gelebter Pubertät dieser Lehranstalt. Da gibt man sich gern revolutionär um am Ende reumütig in den Schoß der Hätscheleltern zurück zu kehren.
Der Präsident dieser merkwürdigen Uni ist eine Marionette amerikanischer Unternehmen und ist, wie man sieht, unfähig selbstständig zu denken.
Hobosapiens
Gast
Da wird der Titel "freie Universität" Berlin ad absurdum geführt... ob das der richtige Weg ist darf bezweifelt werden.