piwik no script img

Hochglanz aus der Dönerbude

■  Die Zeitschrift „etap“ will ein Sprachrohr für die zweite Generation der Deutschtürken sein – ist aber vor allem ein Ego-Trip ihres geschäftstüchtigen Herausgebers Ozan Sinan

Wo vergleichbare Magazine meist an zu viel Gesinnung und zu wenig Geschäftssinn kranken, liegt der Fall bei „etap“ genau anders herum

Etap“ heißt auf Deutsch so viel wie Etappe, und das erste Zwischenziel ist schon erreicht. Dieser Tage werden 230 000 türkische Haushalte in Deutschland ein Hochglanzheft im Briefkasten finden, das voll ist von erfolgreichen, schönen und trendbewußten Türken. Was wie eine Broschüre der Bundesregierung wirkt, die für das neue Einbürgerungsrecht wirbt, ist eine neue Monatszeitschrift: etap heißt sie, und sie will speziell Deutschtürken der zweiten Generation ansprechen – mit Infotainment, Modestrecken und Kochrezepten. „Das Magazin für modernes deutschtürkisches Leben“, so der Untertitel, will dem Nachwuchs der größten Migrantengruppe in Deutschland endlich ein eigenes Medium bieten, das deren Lebensgefühl spiegelt.

Neu ist die Idee nicht, für die Kinder der „Gastarbeiter“-Generation ein Lifestyle-Heft in deutscher Sprache zu lancieren – die Zeitschriften Hayat in Hamburg und Türkis in Nordrhein-Westfalen machen in ihrer Region bereits vor, wie das gehen kann. Neu ist vielmehr, ein solches Magazin nicht am Kiosk zu vertreiben, sondern es zur Einführung per Post umsonst und bundesweit an die potenzielle Leserschaft zu verschicken, um so Appetit auf ein Abonnement zu machen. Eine Marketing-Idee, die Erfolg verspricht.

Ozan Sinan heißt der Mann, der hinter etap steht. Der 27-Jährige war in einem früheren Leben einmal Manager der deutsch-türkischen HipHop-Gruppe Cartel und hat sich mit seinem Geschäftsgebaren wenig Freunde gemacht in der Musikszene, mit seinen einstigen Cartel-Kollegen verkehrt er nur noch über Anwälte. Nun versucht er sich in der Medienbranche und will gleich hoch hinaus.

Denn etap soll in Deutschland gelingen, was bisher nur in den USA gewinnbringend funktioniert: eine Publikumszeitschrift, deren Profil ganz auf die Bedürfnisse einer ethnischen Minderheit zugeschnitten ist. In Europa litten ähnliche Projekte stets unter mangelnder Professionalität und fehlenden Anzeigenkunden. Doch etap konnte potente Geschäftspartner gewinnen. Als Finanzier beteiligt sich die Grütter-Verlagsgruppe, die sich bisher mit technisch orientierten Fachzeitschriften wie Auto Motor Zubehör begnügt hat. Und die Post hilft beim Vertrieb, von ihr hat man auch die strategisch wichtige Datenbank mit den Adressen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen sprechen also für etap. Bleibt die publizistische Seite.

Wo vergleichbare Magazine meist an zu viel Gesinnung und zu wenig Geschäftssinn kranken, liegt hier der Fall genau anders herum. Etap will wenig mehr sein als ein guter Werbeträger – und das für eine exklusive Zielgruppe, die in Wirklichkeit kleiner sein dürfte, als der Verlag mit hoch gegriffenen Zahlen schätzt. Denn besser verdienende Club-Flaneure gehören auch unter Deutschtürken nicht zum Bevölkerungsdurchschnitt. Das Bild des modernen und aufgeklärten Erfolgstürken passt jedenfalls schon nicht ganz auf Ozan Sinan, den Macher des Magazins, der seinen Verlag in der Manier eines Dönerbudenbesitzers führt. Auf den Pressefotos von etap posiert vor allem der Herausgeber, der seine Zeitschrift als Ein-Mann-Show versteht – etap, c'est moi – und sich bei der Arbeit nach alter Sultansmanier gerne von seinen Untergebenen den Tee bringen lässt. Redaktions- und Verlagsleitung, die bei seriösen Medien stets getrennt werden, liegen beide in seiner Hand, und mit einer Anzeige im Heft bietet eine Ethno-Marketing-Agentur ihre Dienste an, die ebenfalls ihm untersteht.

Die erste etap-Ausgabe wurde von einer dreiköpfigen Mini-Redaktion erstellt, in der journalistische Profis noch in der Unterzahl sind, insgesamt arbeiten gerade elf Personen im ganzen Verlag – etwas wenig für ein 80-Seiten-Heft, das jeden Monat erscheinen will. Per Inserat sucht man nun händeringend Journalisten und andere Helfer. Auf die Mitarbeiter, die in den vergangenen Monaten an der Produktion der Probehefte beteiligt waren, wird man wohl verzichten müssen: Sie haben für ihre Arbeit bis heute noch kein Geld gesehen. Daniel Bax

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen