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Historisches EM-FußballspielAb jetzt alles anders

Deutungsmuster eines Fußballspiels: Nach dem Kantersieg der Engländerinnen ist die Presse aus dem Häuschen. Und der Rest? Naja.

Rauschhaftes Geschehen: Englands Georgia Stanway (l.) feiert ihr erstes Tor – mit Beth Mead Foto: Reuters

F ünf Texte zum Sieg der Engländerinnen hat der Guardian schon am Dienstagmorgen auf der Seite stehen. „Schillerndes England demoliert Norwegen“, heißt es da. Ein „schwindelerregender, wahnsinniger Sieg“. Die Presse feiert ein Team, von dem man noch vor einigen Tagen nicht sicher sein konnte, ob es dem Druck standhält: „Das war eine der Nächte, die eine Nation packen und wachrütteln, die keiner der 28.000 Fans vergessen wird.“ Und weiter: „Schwer, zu glauben, dass irgendwas so sein wird wie früher.“

Es ist, wovon auch die Kommentatorin der BBC spricht, ein Momentum, das vielleicht alles verändern wird im englischen Frauenfußball. Die Menge im Stadion tobte. „Ich kann es nicht in Worte fassen“, stammelte Beth Mead. „Ich glaube nicht, dass ich jemals überhaupt davon geträumt habe.“ Ein Land im Delirium des Erfolgs. Oder, wie das Boulevardblatt Sun in Anspielung auf Ellen White mit etwas bemühtem Witz jubelt: „Ell of a Night.“ Was für eine Nacht.

Es ist bei diesem Turnier bisweilen schwer, die Atmosphäre im Gastland zu durchblicken. Das liegt auch daran, dass diese EM sich fast nur in den Stadien abspielt. In den Städten lassen sich weder geschmückte Fenster oder Balkone noch Feierlichkeiten auf der Straße ausmachen. Meine bisherigen Gastgeber:innen, eine zugegeben kleine Untersuchungsgruppe, schauen das Turnier überhaupt nicht und zeigten auch keine besondere Begeisterung, dass ich davon berichte.

„Wow, was für ein Job!“

Mein Mitbewohner im aktuellen Airbnb, aus Hongkong stammend, blüht erst auf, als ich ihm sage, dass ich auch bei der letzten Männer-EM war. „Wow, was für ein Job!“ Und vor allem interessiert ihn, ob Ronaldo nun bei United bleibt. Glaubt man der Berichterstattung des Guardian oder der BBC, die regelmäßig in reiner Frauenrunde analysieren lässt, ist dieses Turnier das größte Ding ever. Der Boulevard ist zumindest bemüht.

Positiv hängen bleibt auch: Die Analysen der liberalen Medien sind taktisch, die Berichterstattung sachbezogen und optimistisch im Grundton, anders als der weinerliche Arme-diskriminierte-Frauen-Unterton in Deutschland. Man debattiert nicht, wie das Turnier Bedeutung erlangen könnte, die Bedeutung wird vorausgesetzt. Und manchmal etwas aufgekratzt aufgebläht.

Ist das nun der Moment, der alles verändert? In den Stadien herrscht zweifellos Party. Interessant, wie viele junge Frauen hingehen. Und in vielen Blättern schaffen es die Engländerinnen mit diesem Triumph weit nach oben im Sportteil, auch, wenn Mo Farah und seine Geschichte Schlagzeilen machen. Skeptiker bleiben. Ein wenig schizophren ist die Stimmung schon. Was die Nachwelt über dieses 8:0 sagen wird, wer weiß das schon.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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