Hipster-Beutel gegen Rassismus: Jute Sache
Palästinenser aus Israel haben einen Jutebeutel bedruckt. Die Aufschrift soll Terror verbreiten – aber nur bei jenen, die Angst vor der arabischen Sprache haben.

Dafür brauchen die jungen PalästinenserInnen nicht mehr als ein paar bunte Farben, einen Jutebeutel und eine Schablone. Auf der Hipster-Tasche steht: „Dieser Text hat keine andere Absicht, als Terror in den Herzen derer zu verbreiten, die Angst vor der arabischen Sprache haben“ – natürlich auf arabisch. Man fühlt sich ein bisschen an T-Shirts erinnert, auf denen in chinesischen Schriftzeichen Sätze stehen wie „Bitte parken Sie Ihr Fahrrad hier“. Nur, dass dieser Beutel mehr darstellt als bloßen Unfug.
Haifa ist von der Bevölkerung her tatsächlich eine der wenigen gemischten Städte des Landes. Es gibt eine arabische Minderheit von rund zehn Prozent – bestehend aus ChristInnen und MuslimInnen – in der Stadt und die Universität hat deutlich mehr arabische Studierende als andere israelische Universitäten. In den letzten Jahren haben vor allem junge PalästinenserInnen eine pulsierende Kulturszene mit Theatern, Bars, Filmfestivals aufgebaut. Teil dieser Szene ist Rock Paper Scissors, ein Laden, der im April 2016 eröffnet hat und in dem bedruckte T-Shirts, Tassen und anderer Schnickschnack verkauft wird – und eben der arabisch-beschriftete Jutebeutel.
Das Produkt kommt an, und das nicht nur in Haifa. Gerade war das Team von Rock Paper Scissors in der Berliner Galerie Urban Spree zu Besuch. Vom dort stattfindenden „Middle Eastern Indie Culture Open Air“ fanden die Beutel ihren Weg in die Stadt. In der U-Bahn begegnete der Journalist Nader Al-Sarras einer Schulter, um die das Prachtstück baumelte. Al-Sarras stammt aus Bait Dschala im Westjordanland und lebt und arbeitet seit Jahren in Deutschland. Er machte ein Foto, postete es auf Facebook und Twitter.
Das Bild ging viral. Zwei Tage später hat das Foto auf Facebook über 36.000 Likes und war 15.470 mal geteilt worden. Auf der Facebookseite von Rock Paper Scissors häufen sich die „Ich will auch!“-Rufe und die Forderungen nach einem Online-Shop (den die Ladenbesitzer am Donnerstagnachmittag eiligst erstellt haben). Zu sprechen sind die DesignerInnen nicht – wahrscheinlich haben sie vor lauter Fanpost keine Zeit für die taz.
Vorverurteilungen, Pauschalisierungen, Islamophobie – der Aufdruck und die Botschaft dahinter treffen offenbar auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern einen Nerv. Und das ist gut so. Eigentlich zielte die Botschaft des Beutels auf die israelische Gesellschaft ab, in der arabische Menschen oft Opfer von Alltagsrassismus sind. In der die Angst vor Anschlägen groß ist, in der Racial Profiling offen praktiziert wird und in der in jeder Tasche eines arabischen jungen Mannes schnell ein Messer vermutet wird. Aber die Botschaft sitzt – hier wie dort.
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