Hinrichtungsvorwürfe an Malis Armee: „Hellhäutige“ sind verdächtig
Menschenrechtsgruppen erheben schwere Vorwürfe gegen Malis Armee: Sie sollen ethnisch motivierte Morde verübt haben. Vor allem Tuareg sind bedroht.
BERLIN taz | Die Vorwürfe französischer Menschenrechtler gegen Malis Armee beim Krieg gegen die Islamisten im Norden des Landes sind hart. Von einer „Serie schwerer Übergriffe“ spricht in Paris die FIDH (Internationale Föderation der Menschenrechtsligen). In der strategisch wichtigen Stadt Sévaré, logistisches Zentrum des französischen Militäreinsatzes in Mali, unter dessen Fittichen Malis Armee agiert, seien mindestens 11 Menschen hingerichtet worden. Es gebe „glaubwürdige Informationen“ über 20 weitere Hinrichtungen in Sévaré. Die FIDH zählt weitere Vorfälle auf.
„Die Opfer all dieser Übergriffe sind Personen, die bezichtigt werden, Komplizen der Dschihadisten zu sein; die Waffen besitzen; die sich an Straßenkontrollen nicht ausweisen können; oder die einfach wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur Zielscheibe werden“, so FIDH. „Diese Übergriffe beflecken die Legitimität der Operation zur Wiederherstellung der territorialen Integrität und müssen von der nationalen Justiz und notfalls vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgt werden.“
Ähnliche Vorwürfe erhob die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und verwies auf das Treiben regierungstreuer ethnischer Milizen. „Es besteht eine echte Gefahr, dass Tuareg Opfer von Massakern werden“, sagte HRW-Direktor Peter Bouckaert.
Nachdem auch Journalisten, die mit Frankreichs und Malis Armeen nach Sévaré durften, Leichen auf den Straßen und blutig geschlagene Opfer von Übergriffen fanden, wurde der Ort am Mittwoch wieder für die Presse gesperrt. Ein Reuters-Reporter berichtete, er habe drei halbverkohlte Leichen nahe einer Bushaltestelle und drei weitere in einem Brunnen gesehen. Augenzeugen hätten von noch mehr Toten berichtet.
„Wenn du einen Turban trägst, bist du tot“
Ein AFP-Reporter berichtete aus dem zentralmalischen Ségou, viele Araber und Tuareg in der Stadt hätten sich versteckt. „Wenn du einen Turban, einen Bart und ein Gewand trägst, bist du tot“, wird ein Handwerker zitiert. Vizebürgermeister Madani Mniang sagt: „Seit einer Woche heißt es, wer einen Turban trägt ist ein Terrorist. Wir raten den Leuten, ihn abzulegen.“
Dass Malis Streitkräfte Menschenrechte nicht achten, ist bekannt – deswegen war es ja bis zur französischen Intervention internationaler Konsens, erst die malische Armee zu reformieren, bevor man mit ihr in den Krieg zieht. Nun setzt sich Frankreich dem Vorwurf aus, ethnische Diskriminierung und sogar mögliche Kriegsverbrechen zu decken.
Erst am 7. Januar hatte der UN-Menschenrechtsrat in einem Bericht bereits schwere Vorwürfe gegen Mali erhoben. Regierungssoldaten hätten am 9. September 2012 in Diabali 16 muslimische Pilger getötet und im Oktober sechs Tuareg-Reisende. In Sévaré würden Menschen „heller Hautfarbe“ – womit geläufig Tuareg gemeint sind – an Straßensperren aufgehalten.
„Manche Reisende, die mit Elementen bewaffneter Gruppen gleichgesetzt werden, wurden festgenommen, misshandelt und sogar ohne rechtliche Grundlage wegen ihres Aussehens in Haft gehalten“, so der UN-Bericht. Straßenkontrollen „ethnischen Charakters“ würden viele Tuareg und Araber von Reisen innerhalb Malis abhalten.
Erinnerungen an Ruanda
Dass französische Soldaten in Afrika eine Armee schützen, die ihre eigenen Staatsbürger bei Kontrollen nach Ethnie selektiert, geschah zuletzt in Ruanda in den Jahren vor dem Völkermord an den Tutsi 1994. Tuareg-Rebellenvertreter in Mali warnten daher bereits, auch an ihrer Volksgruppe drohe ein „Genozid“.
Es gibt keinen Zugang für unabhängige Beobachter und Medien in die Kampfgebiete, und keine amtlichen Zahlenangaben zu den Opfern der Kämpfe. Malis Generalstab erklärte am Dienstag, dass „jeder Soldat, der Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung begeht, sofort vom Feld geholt und vor ein Militärtribunal gestellt wird“. Außerdem habe man die Truppe daran erinnert, dass nicht alle „Hellhäutigen“ zu den Rebellen gehörten, und dass zum „Feind“ auch „viele Schwarze“ zählten.
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