Hilflose Drohungen aus den USA: Bush nennt russische Aktionen "inakzeptabel"
Die Regierung Bush droht Russland "ernste Konsequenzen" an, sollte das Land die Waffen nicht ruhen lassen. Ein militärisches Eingreifen zugunsten Georgiens schließen Beobachter allerdings aus.
WASHINGTON taz Müssen wieder die US-Amerikaner für die Europäer die Kohlen aus dem Feuer holen? Wer sonst könnte Russland seine Grenzen aufzeigen? Aber wie soll die einzig verbliebene Supermacht das machen, ohne einen Weltenbrand zu riskieren?
US-Analysten haben derzeit auf den Konflikt im Kaukasus mehr Fragen als Antworten. Viele fühlen sich, zumindest rhetorisch, schon an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert: Die harschen Worte von US-Präsident George W. Bush, das russische Vorgehen gegen Georgien sei "unverhältnismäßig", "inakzeptabel" und "aggressiv"; die Drohungen von Vizepräsident Dick Cheney, dass "die russische Aggression nicht unbeantwortet bleiben" dürfe und ihre Fortsetzung "ernste Konsequenzen" für die Beziehungen Washingtons zu Moskau haben würde; und nicht zuletzt der scharfe Schlagabtausch im UN-Sicherheitsrat, wo US-Botschafter Zalmay Khalilzad Russland bezichtigte, mit seiner "Terrorkampagne" die demokratisch gewählte Regierung in Tiflis beseitigen zu wollen.
Der russische Botschafter Witali Tschurkin fand diese Vorwürfe "inakzeptabel, besonders, wenn sie von dem Vertreter eines Landes stammen, dessen Aktionen im Irak, Afghanistan und Serbien uns allen wohlbewusst sind". Der US-Amerikaner bohrte nach: Russlands Außenminister Sergej Lawrow habe US-Außenministerin Condoleezza Rice gesagt, dass der georgische Präsident Michail Saakaschwili "verschwinden müsse" - was wiederum Moskaus Botschafter mit Anspielung auf den Sturz Saddam Husseins im Irak konterte: "Regimewechsel ist eine rein amerikanische Erfindung." US-amerikanische Medien sehen die USA in einer Zwickmühle: Wie können die USA dem engen Verbündeten Georgien einerseits helfen, ohne andererseits einen neuen Ost-West-Konflikt zu provozieren?
Georgien gilt als strahlender Stern der "Freiheits-Agenda" der Bush-Regierung - selbst die New York Times, sonst harte Kritikerin des verfehlten, weil primär militärischen "Demokratisierungsfeldzugs" dieser Regierung, beginnt ihren Kommentar mit einem romantischen Rückblick auf die "Rosenrevolution", mit der Georgien 2004 von Moskau abrückte. Kaum ein Meinungsmacher vergisst zu erwähnen, dass die USA seither fest an der Seite Saakaschwilis stehen, Georgien mit einem Heer von US-Militärberatern unterstützen und eine Nato-Mitgliedschaft des Landes vorantreiben - während die Europäer "eierten", wenn es um konkrete Rückendeckung im Konflikt mit Russland geht, wie CNN-Moderator Wolf Blitzer es formulierte. Dabei wird insbesondere Berlins "kleinlaute" Haltung kritisiert.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain hatte schon im Vorwahlkampf den Rausschmiss Russlands aus dem Industrieclub G 8 und die Gründung eines "Bundes der Demokraten" gefordert, dem Russland nicht angehören solle. Nun sagte McCain, Russland "muss sofort und bedingungslos seine militärischen Operationen beenden und seine Truppen aus dem souveränen Georgien zurückziehen". Und der demokratische Präsidentschaftsbewerber Barack Obama verurteilte die "Eskalation der Krise durch Russland".
Trotz der offenkundigen Hilflosigkeit: Das Selbstbewusstsein, dass die USA die Führung in diesem Konflikt übernehmen müssen, ist unter US-Analysten überwiegend ungebrochen. Doch den meisten ist klar: Die Schwelle zum Eingreifen des überstrapazierten US-Militärs liegt sehr hoch. "Auch wenn Amerika Georgien als unseren stärksten Alliierten im Block der ehemaligen Sowjetunion sieht, braucht Washington Russland bei großen Themen wie dem Iran zu sehr, um für die Verteidigung Georgiens alles zu riskieren", resümiert die New York Times.
KARIN DECKENBACH
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