Hilfen für Flüchtlinge: Nur noch Sachleistungen
Die Debatte um einen anderen Umgang mit Asylbewerbern vom Balkan wird zur Kontroverse. Statt Geld soll es Sachleistungen geben.
Der Behördenchef springt damit seinem Dienstherren zur Seite, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der hatte jüngst vorgeschlagen, Flüchtlingen das so genannte „Taschengeld“ zu kürzen. Dabei hatte er vor allem Flüchtlinge vom Balkan im Blick, die kaum eine Chance auf politisches Asyl haben. „Die Höhe unserer Asylbewerberleistungen ist teilweise höher als ein Erwerbseinkommen in Albanien und Kosovo“, hatte der Innenminister vorgerechnet. Bei Sozialverbänden, der Opposition und beim Koalitionspartner, der SPD, war der Vorstoß des Innenministers auf scharfe Kritik gestoßen.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), nannte ihn „ärgerlich“: De Maizière erwecke den falschen Eindruck, Flüchtlinge stünden enorme Geldsummen zur Verfügung. In Wirklichkeit reiche das Taschengeld von 4,64 Euro pro Tag gerade mal für Telefonate, Fahrkarten oder eine Zeitung. Es sei eine „Lebenslüge“, dass sich der Zustrom von Flüchtlingen über die Höhe der Leistungen begrenzen ließe, kritisierte die Grünen-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Und der Linken-Chef Gregor Gysi bezeichnete den Vorschlag des Innenministers als „Schikane“.
Es sei außerdem „rechtlich nicht möglich“, die Leistungen für einzelne Gruppen zu kürzen, da sei schon das Bundesverfassungsgericht vor, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk. Selbst de Maizières Parteifreund, CDU-Vize Armin Laschet, zeigte sich skeptisch und warnte vor „Schnellschüssen“. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von „Stimmungsmache“, Pro Asyl von „Populismus in der Sommerpause“, auch die Diakonie und DGB äußerten sich ablehnend.
Unterstützung erhielt de Maizière dagegen von den Kommunen. Es sollte geprüft werden, ob das deutsche Asylsystem zu viele Anreize biete, heißt es in einem Forderungskatalog des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, der am Samstag publik wurde. Darin ist auch von Wiedereinreisesperren für abgelehnte Asylbewerber und einer möglichen Visumspflicht für bestimmte Balkan-Länder die Rede.
Zunächst nur Sachleistungen plus Taschengeld
Wie viel Bargeld ein Flüchtling erhält, hängt davon ab, wie lange er im Land ist. In den ersten drei Monaten leben Flüchtlinge gewöhnlich in Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen es vorrangig Sachleistungen gibt. Zusätzlich erhalten sie dort ein Taschengeld von 143 Euro im Monat. Werden sie nach drei Monaten auf die Kommunen verteilt, werden Asylbewerbern vorrangig Bargeldleistungen gewährt. Dabei erhalten Alleinstehende 216 Euro im Monat für Fahrtkosten, Verpflegung und Telefonate, was zusammen mit dem Taschengeld 359 Euro ergibt.
Erst nach 15 Monaten stehen ihnen Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. „Mit dem Geld von einem drei- oder viermonatigen Aufenthalt ließ sich das Leben im Herkunftsland neun oder zehn Monate lang bestreiten“, sagte Behördenchef Manfred Schmidt trotzdem. Dies sei womöglich ein Grund, warum viele Asylbewerber vom Balkan nach einer Ausreise kurze Zeit später wieder nach Deutschland eingereist seien.
Das Innenministerium erwägt nun, den maximalen Aufenthalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu verlängern, um möglichst noch während dieser Zeit über den Asylantrag zu entscheiden und zu vermeiden, dass an aussichtlose Bewerber vom Balkan vorrangig Bargeld ausgezahlt wird. Ein großer Teil der zahlenmäßig zunehmenden Gruppe von Menschen, die hierzulande Asyl beantragen, stammt vom Balkan.
Mehr Asylbewerber erwartet
Das Innenministerium geht davon aus, dass die Zahl der Asylbewerber in diesem Jahr „sehr viel höher“ ausfallen dürfte als die 400 000 Menschen, von denen man bisher ausgegangen war. Prognosen, die von 600 000 Asylbewerbern ausgehen, wollte de Maizière aber nicht bestätigen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plädierte dafür, aufgrund des steigenden Asylbewerberzahlen nach Serbien, Mazedonien und Bosnien weitere Länder in der Region zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. „30 bis 40 Prozent der Asylbewerber kommen aus den Ländern des westlichen Balkan“ und hätten „keine Chance auf Anerkennung auf Asyl“, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. „Diese Lage ist so nicht haltbar“. Außerdem sprach er sich dafür aus, abgelehnte Asylbewerber aus der Region schneller abzuschieben. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann sprach sich am Sonntag dafür aus, Albanien, Montenegro und das Kosovo als sichere Herkunftsstaaten einzustufen.
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