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Hilfen des Internationalen WährungsfondsAlmosen für den Süden

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der IWF leistet symbolische Hilfe. Aber Corona wird erst verschwinden, wenn sich arme Länder wappnen können.

Eine freiwillige Helferin versorgt Obdachlose in Ghana mit Lebensmitteln Foto: Francis Kokoroko/reuters

I n der Coronakrise denken die Industrieländer bisher nur an sich selbst. Europa, die USA und China haben Billionen Dollar mobilisiert, um die eigene Wirtschaft möglichst sanft durch die Pandemie zu schleusen. Aber was ist mit dem Globalen Süden? Diese Frage wird lieber verdrängt.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) leistet nur symbolische Hilfe. Der Fonds kündigte jetzt zwar an, dass er 500 Millionen Dollar zur Verfügung stellen will – aber dieses Geld soll gleich für 25 Staaten reichen. Pro Land bleiben also im Durchschnitt nur 20 Millionen Dollar übrig. Das ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Vor allem aber handelt es sich um eine Art Kreisverkehr: Der IWF gewährt den armen Ländern Zuschüsse, damit sie ihre Schulden beim IWF weiterhin bedienen können. Sonst hätten wahrscheinlich diverse arme Staaten Konkurs anmelden müssen, da die Weltwirtschaft einbricht und Rohstoffe kaum noch abzusetzen sind. Der IWF stabilisiert also seine eigene Struktur, aber frisches Geld wird es für die Ärmsten der Armen kaum geben.

Dies ist nicht die Schuld des IWF. Der Fonds kann nur über die Mittel verfügen, die die reichen Mitgliedsländer bewilligen. Doch bisher fließt zusätzliches Geld nur spärlich.

Das Kalkül im Globalen Norden ist zynisch: Die ärmsten Länder werden ignoriert, weil sie ökonomisch unbedeutend sind. Als Kunden fallen sie nicht ins Gewicht – und ihre Rohstoffe liefern sie sowieso, da sie von den Einnahmen abhängig sind. Für den Norden sind daher höchstens Almosen denkbar, um das eigene Gewissen zu beruhigen.

Doch ausgerechnet das Virus verändert diese Machtbalance, denn eine globale Seuche lässt sich nur global bekämpfen. Im Norden wird zwar viel davon geredet, dass es sich um eine „Pandemie“ handelt, aber nicht verstanden, was dies bedeutet: Das Virus wird nicht eher verschwinden, bis auch die ärmsten Länder in der Lage sind, sich dagegen zu wappnen. Die Industriestaaten werden also lernen müssen, dass es auch ihnen nützt, wenn sie anderen helfen. Egoismus und Altruismus fallen zusammen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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3 Kommentare

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  • Wann kommt es zu einem sozialrevolutionären Jugendwiderstand in den Schwellenländern?

    ● Südafrika: Über 45 Prozent der Bevölkerung leben in Armut und über 20 Prozent haben kein Einkommen. Etwa 40 Prozent der Schwarzen heizen hauptsächlich mit Holz und haben nur Kerzen als Lichtquelle.

    ● Mexiko: Ein Prozent der mexikanischen Bevölkerung besitzt fast die Hälfte des nationalen Reichtums (43 Prozent). 54,4 Prozent leben in Armut, während das Vermögen der vier Milliardäre in etwa neun Prozent des mexikanischen BIP entspricht. Von der Ungleichheit sind am stärksten Indigene betroffen, von denen ein Großteil in Armut oder extremer Armut lebt.

    ● Nigeria: Der reichste Nigerianer könnte jährlich eine Million Euro ausgeben, und das 40 Jahre lang. Gleichzeitig leben 70 Prozent der Nigerianer unterhalb der Armutsgrenze.

    ● Libanon: Ein gewaltiges sozio-ökonomisches Gefälle. Etwa 200.000 Libanesen müssen mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen und gelten damit nach Weltbank-Definition als extrem arm. Besonders von Armut betroffen sind Libanesen, die die Schule abgebrochen und keine Ausbildung abgeschlossen haben. Syrische Flüchtlinge, die keine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben, leben von der Hand in den Mund. Darüber hinaus werden sie von vielen Libanesen angefeindet, weil sie als billige Arbeitskräfte mit den Einheimischen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren. Ebenso wie der Staat unfähig ist, die Müllkrise zu lösen, der Elektrizitäts- und Wasserknappheit Herr zu werden, wird gar nicht erst erwartet, dass er zugunsten der sozial Benachteiligten handelt. Im Gegenteil. Er gilt als Fürsprecher der Reichen.

    ● Argentinien: Über 25% der Menschen leben unter der Armutsgrenze. Nach Angaben des argentinischen Bundesamtes für Statistik und Bevölkerungszählung (INDEC) leben 50 Prozent der Bevölkerung von einem Einkommen unterhalb der Mindestlohngrenze von 8.060 Pesos (rund 480 Euro). Viele Menschen arbeiten in Argentinien ohne Arbeitsvertrag.

  • 1.den entwicklungsländern sollten ihre schulden vollständig und sofort erlassen werden,damit sie mehr geld in ihre öffentlichen gesundheitssysteme investieren können.

    2.eine international einheitliche luxussteuer auf den prestigekonsum der globalisierungsgewinner*innen sollte eingeführt werden um die erfüllung humanitärer aufgaben durch die uno zu finanzieren

    3."Die ärmsten Länder werden ignoriert, weil sie ökonomisch unbedeutend sind. Als Kunden fallen sie nicht ins Gewicht – und ihre Rohstoffe liefern sie sowieso, da sie von den Einnahmen abhängig sind."

    solange es einen freien weltmarkt für rohstoffe gibt werden rohstoffe billig sein.solange rohstoffe billig sind werden sie von einer verantwortungslosen wegwerfwirtschaft verschwendet.

    wenn die rohstoffe monopolisiert würden ,dass heisst wenn für alle rohstoffe und nicht nur für erdöl kartelle organisiert würden hätte das zwei vorteile:die einnahmen aus dem rohstoffverkauf würden steigen und die wegwerfwirtschaft ginge zurück.

  • „Der IWF leistet symbolische Hilfe. Aber Corona wird erst verschwinden, wenn sich arme Länder wappnen können“



    Falsch zusammengefasst. Millionen und Milliarden $ vom IWF werden Corona weder in den armen noch den reichen Ländern beenden. Dazu braucht es einen geeigneten Impfstoff, dessen Entwicklung und Überführung in die Massenproduktion deutlich billiger ist, aber leider Zeit braucht.



    Davon werden dann auch die „armen“ Länder profitieren, denn die „reichen“ Länder können sich nicht leisten, erneut von Corona heimgesucht zu werden; diesmal vielleicht aus einem afrikanischen Land.



    Die Einteilung der Welt in Arm und Reich wird durch Corona nicht verändert!