Hilal Sezgin über die Shortlist für den deutschen Buchpreis: Das ewige Ungleichgewicht
Die Shortlist ist da! Und es ist sogar eine Frau drauf – neben fünf Männern. Was hat sich doch alles geändert seit dem 18. Jahrhundert, als Frauen vor zu viel Lesen gewarnt wurden, dem 19., als etliche unter männlichen Pseudonymen publizierten, und dem frühen 20., seitdem sie Universitäten besuchen durften. Die Gleichberechtigung naht in Riesenschritten.
Im Ernst: Diese Shortlist ist nicht die erste ihrer Art. Unser Kulturbetrieb hat viel Übung darin, die Bücher männlicher Autoren zu preisen und die weiblicher Autorinnen zu „vergessen“. Die meisten Jurys bemerken das nicht einmal. Macht man sie darauf aufmerksam, gibt es zwei Antworten. Entweder: „Sollen wir denn auf Biegen und Brechen Frauenbücher pushen?“ Subtext: Frauen schreiben schlechter, da hilft auch keine Quote.
Die zweite Antwort ist subtiler: Auch Jurys können nur beurteilen, was ihnen vorgelegt wird. Die Verlage publizieren nun mal mehr Männer, sie erhalten mehr Manuskripte von Männern, die Vorauswahl geschieht viel früher.
Stimmt. Nadelöhre und Hürden erwarten eine Autorin auf ihrem gesamten Weg von der lesebegeisterten Schülerin bis zu derjenigen, die keinen Preis kriegt. Auf Konferenzen hat sie erlebt, wie ihr nicht richtig zugehört wurde, bis ein Mann exakt dasselbe sagte und als brillant gefeiert wurde. Ein ums andere Manuskript hat sie eingereicht und erfahren, dass ihr Verlag wieder kein Hardcover daraus macht. Auch die Essays in angesehenen Magazinen stammen fast ausschließlich von Männern.
Die Jurys sind nicht allein schuld. Aber wenn nicht an jeder Stelle Problembewusstsein entwickelt wird, ändert sich nichts. Jeder und jede Redakteur*in, Verleger*in, Juror*in muss sich immer wieder fragen, ob alle Arbeiten dieselbe Aufmerksamkeit erhalten. Wir Autorinnen wollen keine „extra“ Unterstützung. Sondern gehört, gelesen und angemessen gewürdigt werden.
Schwerpunkt
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