: „Hier und jetzt ein paar Dinge anders machen“
Inwiefern tragen wir Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen? Und welche Rolle spielt der Klimaschutz dabei? Der Volkswirtschaftler Erik Gawel ist überzeugt: Von einem ökologischen Umsteuern profitieren nicht nur die Jüngeren in der Zukunft, sondern auch die Älteren schon jetzt
Interview Lars Klaaßen
taz: Herr Gawel, es wird darüber diskutiert, welche Verantwortung die ältere Generation hat, den Jüngeren eine intakte Erde zu hinterlassen. Wie blicken Sie aus volkswirtschaftlicher Perspektive darauf?
Erik Gawel: Es ist richtig, auf ökologisches Wirtschaften zu drängen. Wenn wir so weitermachen wie in den vergangenen Jahrzehnten, wird uns das teuer zu stehen kommen. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Die Älteren gehören zwar jenen Generationen an, die den größten CO2-Ausstoß verursacht haben. Schuldzuweisungen moralischer Art helfen uns aber nicht weiter. Umweltzerstörung und Klimawandel erklären sich aus individuellem Verhalten. Zugleich sind Industrialisierung und der damit einhergehende Raubbau an der Natur gesamtgesellschaftliche Phänomene. Wenn es nun darum geht umzusteuern, stellt sich auch Älteren die Frage: Was habe ich unmittelbar zu verlieren oder zu gewinnen?
taz: Warum tun wir uns denn so schwer damit, umweltverträglicher zu agieren?
Gawel: Je größer der Abstand zwischen dem eigenen Handeln und dessen Folgen ist, desto schwerer tut sich ein Mensch, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich soll jetzt auf den Urlaubsflug verzichten, weil sich das in 100 Jahren negativ aufs Klima auswirkt? Ich soll weniger Fleisch essen oder das teurere Biofleisch kaufen, obwohl ich gar nicht mitbekomme, wie es in den Ställen und Schlachthöfen zugeht? Unmittelbares persönliches Empfinden motiviert stark, abstraktes Wissen nur bedingt. Mit Blick auf den Klimawandel ist aber offensichtlich, dass sich da einiges schon sehr bald zum Schlechteren wandeln wird, wenn wir nicht hier und jetzt ein paar grundlegende Dinge anders machen.
taz: Die Senioren von heute werden aber vom künftigen Klimawandel nicht mehr viel mitbekommen.
Gawel: Das Klima wandelt sich ja bereits jetzt erheblich. Die Temperaturen im Sommer werden auch in Deutschland immer häufiger extrem. Davon sind ältere Menschen betroffen, weil sie solche Hitze weniger verkraften. Wer die Versorgung seines Eigenheims schon vor Jahren auf erneuerbare Energien umgestellt hat, spart heute dank dieser Investition viel Geld beim Strombezug. Das Wissen um den Klimawandel ist vorhanden. Auch technische Alternativen, die nachhaltig sind, gibt es bereits. Wer sich an einer ökologischen Lebensweise orientiert, tut auch etwas für das eigene Wohlergehen.
taz: Nachhaltigkeit ist also auch gesunder Egoismus?
Gawel: Das Wohl der Natur und unser Wohlstand sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig. Wir entnehmen der Umwelt Güter, die begrenzt, teilweise sehr knapp bemessen sind. Solange wir das in dem Maße tun, wie diese Güter nachwachsen und das ökologische Gleichgewicht gewahrt bleibt, bleibt auch unser Wohlstand dauerhaft erhalten. Unsere Wirtschaft umzustellen, kostet zunächst einiges, rechnet sich auf Dauer aber.
taz: Es wird also nicht über Ökologie, sondern über Geld gestritten?
Gawel: Bislang leben wir in einer Welt der verzerrten Marktpreise: Was unser Ökosystem leistet, findet sich nicht in dem, was wir zahlen. Wer zum Beispiel im Februar Erdbeeren kauft, legt dafür zwar mehr Geld auf den Tisch als im Frühsommer, wenn sie direkt aus der Region kommen. Dass das Obst um die halbe Welt geflogen oder in Treibhäusern zur Unzeit vorgezogen wird, verursacht allerdings enorme Kosten, die sich nicht auf dem Preisschild der Erdbeeren widerspiegeln. Insofern werden viele nicht nachhaltige Dinge klar teurer, wenn wir ihre Umweltkosten einbeziehen. Es geht bei der ökologischen Wende nicht um das Ob, sondern um das Wie. Genau darüber müssen wir eine gesellschaftliche Debatte führen.
Prof. Dr. Erik Gawel ist Direktor des Instituts für Infrastruktur- und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig und leitet das Department Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Der Volkswirtschaftler erforscht unter anderem, welche Akteure nach welchen Regeln über knappe Umweltressourcen verfügen und wie Entscheidungen sich durch den Einsatz umweltpolitischer Instrumente verbessern lassen.
taz: Was ist mit jenen, die sich das nicht leisten können?
Gawel: In Bereichen der Grundversorgung ist es geboten, dass der Staat finanziell Schwächere unterstützt. Bekämen alle Bürgerinnen und Bürger dieselbe Umweltpauschale zum Ausgleich für steigende Kosten, animiert das immer noch zu ökologischerem Verhalten, weil dadurch Vorteile entstehen. Insbesondere Einkommensschwache haben ohnehin einen kleineren CO2-Fußabdruck, weil sie weniger konsumieren. Für sie könnte sich solch ein System rechnen. Je früher wir umsteuern, desto günstiger wird dieser Weg – und wir ersparen uns zusätzliche Kosten, die durch Klimawandel und wegbrechende Ressourcen ins Haus stünden.
taz: Retten wir die Welt durch vegetarische Ernährung und Rad fahren?
Gawel: Nein, das wird nicht reichen. Jeder Mensch kann zwar seinen Beitrag leisten. Das wollen viele ja auch. Jede und jeder auf einem eigenen Weg. Was der einen leicht fällt, würde dem anderen nicht im Traum einfallen. Die einen lassen das Auto stehen und radeln, die anderen verzichten aufs Schnitzel und essen Gemüse. Beide profitieren auch persönlich davon: gesundheitlich. Aber so gut solches Tun im Kleinen auch ist: Die Politik muss einen Rahmen schaffen, der die Wirtschaft zum Umsteuern bewegt. Industrie und Energieproduktion müssen klimaneutral werden, erst dann leben wir alle nachhaltig. Hier sind wir als Staatsbürger gefragt, uns einzumischen, damit die Politik Regeln für alle setzt. An Omas for Future und anderen sieht man, was möglich ist.
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