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Hickhack um Schwans KandidaturSPD konsequent unentschieden

Gesine Schwan würde gerne für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren. Die SPD zögert, sie aufzustellen - aus bundespolitischen Überlegungen und aus Angst vor der Linken.

Montag will die SPD entscheiden, ob es eine Neuauflage der Präsidentenwahl 2004 geben wird. Bild: dpa

Stimmenverhältnisse

Am 23. Mai 2009 tritt die 13. Bundesversammlung zusammen, um einN neueN BundespräsidentIn zu wählen. Die Bundesversammlung besteht zur Hälfte aus den 612 Mitgliedern des Bundestags. Die anderen 612 Mitglieder werden von den Ländern entsprechend der jeweiligen Machtverhältnisse gestellt - leichte Unschärfen ergeben sich aus dem Wahlrecht u. Ä. Die Länder schicken gern auch Prominente zur Bundesversammlung: So stimmte 2004 etwa Karl-Heinz Rummenigge für die CSU, Nina Hoss für die Grünen ab. Insgesamt hat die Union derzeit 517/518 Sitze, die SPD 422-424, die Grünen 88-90, die FDP 96, die Linke 91/92 Sitze. Es gibt 7 "Sonstige", darunter 3 NPD-Stimmen und 1 DVU-Stimme. Gegenwärtig hätten Union und FDP also eine denkbar knappe Mehrheit von (max.) 614 Stimmen. Die SPD würde selbst mit Grünen und Linken keine Mehrheit schaffen. Gehen nach der Bayernwahl im September auch nur 2 Stimmen von der CSU nach links und nicht bloß zur FDP, gibt es ziemlich schwierige Mehrheitsverhältnisse.

Gesine Schwan will im Mai 2009 gegen Horst Köhler antreten. Die SPD will das wohl auch, allerdings wirkt sie dabei seltsam verzagt. So, als sei ihr die Kandidatur von Schwan irgendwie zugestoßen. Erst am kommenden Montag will sie im Parteivorstand entscheiden. Dabei kann die SPD, die derzeit auch auf wohlwollende Betrachter einen konfusen Eindruck macht, jemanden wie Schwan gut brauchen. Denn die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) hat, was der Partei derzeit fehlt. Sie ist selbstsicher,weltoffen und versteht es, verschiedenste gesellschaftliche Milieus anzusprechen. Sie ist eine Intellektuelle, eine scharfe Denkerin, die ihre Ideen verständlich auszudrücken versteht.

Die SPD wirkt dagegen orientierungs- und ideenlos. Sie scheint ganz mit sich selbst beschäftigt zu sein. Schwan wirkt da wie eine ersehnte Erfrischung. Denn sie hat genau das kommunikative Talent, das man bei der Beck-SPD so vermisst. Die Parteilinke unterstützt offen ihre Kandidatur. Schwan, so der SPD-Parlamentarier Hermann Scheer, würde für die Partei eine "identitätsstiftende Rolle" spielen. Der SPD-Sozialexperte Karl Lauterbach preist die Uni-Präsidentin, die 2004 nur knapp Köhler unterlag, gegenüber der taz als "charismatische Frau, die glaubwürdig für einen Neuanfang in der Wissenschafts- und Bildungspolitik werben" kann. Und: Wenn Gesine Schwan im Mai 2009 wirklich gewählt würde, wäre das für die SPD endlich mal wieder ein vorzeigbarer politischer Erfolg.

Trotzdem scheint die SPD in diese Kandidatur eher zu stolpern. Parteichef Kurt Beck hatte noch vor einer Woche Vorbehalte gegen eine eigene SPD-Kandidatin. Denn Horst Köhler ist beliebt - und Krach in der großen Koalition programmiert, wenn ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl 2009 Union und SPD in der Bundesversammlung um die Mehrheit ringen. Doch seit Schwan via die Illustrierte Bunte öffentlich bekundete, dass sie kandidieren will, scheint Beck das Heft nicht mehr in der Hand zu haben. "Für Beck ist eine neue Lage entstanden", sagt der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer zur taz. Das ist eine hübsche Umschreibung: Beck läuft den Ereignissen hinterher. Er wirkt, mal wieder, als Getriebener - und nicht wie jemand, der souverän die Macht der SPD demonstriert.

Der gravierendste Einwand in der SPD gegen die Kandidatur Schwans lautet, dass die Sozialdemokraten sich damit im Wahljahr eine Linkspartei- und Glaubwürdigkeitsdebatte einbrocken, bei der sie nur verlieren können. Denn wenn eine rot-rot-grüne Mehrheit Schwan zur Bundespräsidentin wählt, wird das als Signal für die Bundestagswahl 2009 gelesen. Dagegen, so die Hoffnung in der SPD, spricht Schwans Vita. Das Etikett Linkspartei-Sympathisantin wird an ihr nicht kleben bleiben. Linke Sozialdemokraten glauben, der CDU- und FDP-Vorwurf einer rot-roten Annäherung sei ohnehin "eingepreist" und werde Schwans Kandidatur nicht weiter schaden.

Richtig ist: Wenn die SPD Rot-Rot-Grün für machbar hielte, wäre Gesine Schwan die ideale Kandidatin. Sie kann mit den Linken reden und gilt als Antikommunistin - gewissermaßen Andrea Ypsilanti und die hessische Abweichlerin Dagmar Metzger in einer Person. Das Problem: Die Beck-SPD will 2009 nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten. Warum blinkt sie links, wenn sie rechts abbiegen will?

Außerdem ist höchst unsicher, welche Chancen Schwan hat, von der 1.224-köpfigen Bundesversammlung im Mai 2009 gewählt zu werden. Die Mehrheitsverhältnisse werden nach der Bayern-Wahl wahrscheinlich äußerst knapp sein. Es ist gut möglich, dass dort kein Kandidat eine eigene sichere Mehrheit hat. Amtsinhaber Köhler schreckt diese Aussicht nicht. Er fürchte "den demokratischen Wahlkampf nicht", so seine Begründung, warum er trotz ungewisser Mehrheitsverhältnisse antritt.

Ob Gesine Schwan will oder nicht - ihre Kandidatur wird stets auch als Gradmesser des Koalitionsklimas herhalten müssen. Die Streitigkeiten bei Schwarz-Rot häufen sich in den vergangenen Wochen: Dalai Lama-Besuch, Mindestlohn, Diätenerhöhungen und Haushaltskonsolidierung sind nur die größten Schlachtfelder. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, orakelte zur Wochenmitte: "Das Klima in der Koalition ist nicht mehr frostig, es ist klirrend." Wenn die SPD so mit Zusagen in der Koalition umgehe, dann könne sie nicht erwarten, dass er bei anderen Themen unbequeme Kompromisse durchkämpfe. Nun tritt auch noch - aller Voraussicht nach - zum ersten Mal eine aussichtsreiche Kandidatin fürs oberste Staatsamt an, obwohl der Amtsinhaber seinen Willen zum Weitermachen erklärt hat. Und das, obwohl SPD-Chef Beck noch vor kurzem Köhlers Amtsführung öffentlich lobte. Damit stehen die Chancen schlechter denn je, dass sich die Koalitionäre in den 16 Monaten bis zur Bundestagswahl noch zu wichtigen Entscheidungen zusammenraufen.

Die Union malt nun mit Wonne das rot-rote Gespenst an die Wand und wettert, dass die SPD ihre Kandidatin mit "den Stimmen von Verfassungsfeinden wie der Linkspartei" (CSU-Chef Erwin Huber) wählen lässt.

So skrupulös war die Union nicht immer. 1969, als die letzte Große Koalition regierte, traten zwei Minister gegeneinander an. Der Unionskandidat Gerhard Schröder verlor damals ganz knapp mit 6 Stimmen im dritten Wahlgang gegen Gustav Heinemann. Unterstützt wurde Schröder damals von der NPD.

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