piwik no script img

Hessen gegen Demokratieprojekte„Unerklärliches Misstrauen“

Hessens Innenminister will Demokratieprojekte vom Verfassungsschutz überprüfen lassen. Die mitregierenden Grünen protestieren.

Woher kommt das plötzliche Misstrauen? Hessens Innenminister Peter Beuth, CDU Foto: dpa

BERLIN taz | Bei den Trägern von Demokratieprojekten in Hessen herrscht derzeit Unruhe. Von einem „unerklärlichen Generalverdacht“ ist in einer Erklärung die Rede. „Das Land Hessen kündigt die vertrauensvolle Zusammenarbeit auf.“

Laut dem Bundesverband Mobile Beratung sollen ab dem 1. Januar 2018 Demokratieprojekte, die von Hessen gefördert werden, einer anlasslosen „sicherheitsbehördlichen Überprüfung“ durch den Verfassungsschutz zustimmen. Diese soll für neueinzustellende Mitarbeiter gelten oder solche, bei denen es „begründete Zweifel“ gebe.

Von einem „massiven Eingriff in die Selbstbestimmungsrechte der MitarbeiterInnen und die Trägerautonomie“, spricht der Bundesverband. „Das offenkundige Misstrauen halten wir weder für verhältnismäßig noch für verständlich.“ Seit vielen Jahren arbeiteten die Träger mit dem Land zusammen und setzten erfolgreiche Projekte um. Dazu zählten etwa die Universität Marburg, der hessische Jugendring oder die Bildungsstätte Anne Frank.

In ihrer täglichen Arbeit würden die Projekte für die Demokratie einstehen, so der Verband. Warum den Trägern nun derart misstraut werde, sei „unerklärlich“. Und es sei umso kritischer, da etwa die AfD derzeit versuche, Demokratieprojekte als linksextrem zu brandmarken. Dieser „Delegitimierungskampagne“ werde durch den hessischen Vorstoß nun „Tür und Tor geöffnet“.

„Nicht mit uns abgesprochen“

Das hessische Innenministerium von Peter Beuth (CDU) war für eine Stellungnahme am Donnerstag nicht erreichbar. Die mitregierenden Grünen aber melden ebenfalls Protest an. „Die angedachten Veränderungen sind mit uns nicht abgesprochen“, sagte der Grünen-Innenexperte Jürgen Frömmrich der taz. „Wir halten sie in dieser Form nicht für nötig und werden dazu in der Koalition das Gespräch suchen.“

Auf Bundesebene gab es auf Initiative der CDU bereits bis 2014 eine „Extremismusklausel“, mit der sich Träger von Demokratieprojekten zu ihrer Verfassungstreue bekennen mussten. Nach jahrelangen Protesten wurde die Klausel abgeschafft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Nach der Stellungnahme von Herrn Frömmrich stellen sich zwei Fragen:

     

    Kennt er den von ihm beworbenen und unterstützten Gesetzentwurf nicht?

    Oder verschweigt er wissenlich und willentlich die Wahrheit?

     

    Denn in dem von CDU und Grünen im Hessischen Landtag unterstützten Gesetzentwurf findet sich auf S. 18 in § 21 Abs. 1 Ziff. 2 i) aa) folgende Regelung: „Das Landesamt darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten, auch wenn sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben werden, an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn der Empfänger die Informationen benötigt 1. zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung oder 2. zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben, sofern er dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat, insbesondere bei… i) der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen, aa) die in mit Landesmitteln geförderten Beratungsstellen zur Prävention und Intervention gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen oder in mit Landesmitteln geförderten Projekten eingesetzt sind oder eingesetzt werden sollen…“

     

    Genau darauf hat der Bundesverband Mobile Beratung in seiner Stellungnahme vom 29.11.2017 hingewiesen.

     

    Die Grünen haben in der 1. Lesung des Gesetzentwurfs am 21.11.2017 im Hessischen Landtag gemeinsam mit der CDU auch für diese Regelung plädiert. Dass Jürgen Frömmrich (Grüne) von nichts gewusst haben will und vom Koalitionspartner CDU „überfahren“ wurde erscheint vor diesem Hintergrund unglaubwürdig.

  • Das Imperium der konserativen Rechten schlägt zurück... werden die Jedis der Demokratie überleben (gewinnen werden die eh nicht...)

  • Die bekannt stahlhelmige Hessen-CDU macht sich schon mal hübsch für eine schwarzbraune Haselnuss-Koalition mit der AfD nach der nächsten Landtagswahl.

    • 4G
      41069 (Profil gelöscht)
      @Kunz:

      Sie haben den aktuellen und historischen Bezug klar formuliert. Mit einer AFDP ginge es einfacher. Interessant wird, wie sich die Grünen wieder winden werden, um die schwarz-grüne braune Soße zu verklickern.

  • Was ist denn bloss ein "Demokratieprojekt"?

    • @fly:

      Das sind in der Regel Projekte gegen Rechtsextremismus, hier mal ein Link. //http://www.mbt-hessen.org/index.php

  • Die CDU ist halt 'ne klerikale Reichenpartei. Das ist mit Demokratie schwer zu vereinbaren.