Hertha BSC und Union Berlin: Der Fluch der alten Dame
Braucht Berlin die Hertha noch? Oder geht der vermeintliche Big-City-Club bald den Weg aller Faxgeräte?
H ertha BSC muss an diesem Samstag zur Eintracht nach Frankfurt reisen, während der 1. FC Union in Köpenick mitmachen darf, wenn die Profifußballer des FSV Mainz sich um wenigstens einen Punkt bemühen. Schon seit einer Weile kann sich der über Jahrzehnte wichtigste und größte Fußballklub dieser Stadt, Hertha BSC, nur noch mit Hängen, Relegation und Würgen da oben halten.
Was Erfolg und Bedeutung angeht – und bald wohl auch die Sympathien -, steckt die, wie sie in der bekloppten Sprache des Fußballs genannt wird, „alte Dame“ in einem sehr langen Abstiegskampf. Der Klub droht schon jetzt das Faxgerät des deutschen Fußballs zu werden. Weitgehend überflüssig, aber wenn man doch mal damit zu tun hat, macht es nur Kriiiietschgrrrkokkriietsch.
Dabei hat Hertha in der Fußballgeschichte etliche berlinerische Herausforderer bezwungen: Tasmania, Tennis Borussia, Blau-Weiß 90. Alle drei wirkten zu Westberliner Zeiten, das ist die eine Besonderheit, und, sieht man von Tasmania ab, waren sie Vertreter bürgerlicher Milieus aus dem Westend und Mariendorf.
Tasmania ist deswegen untypisch, weil die Neuköllner ihr einjähriges Bundesligagastspiel 1965/66 nur dem Umstand verdanken, dass Hertha wegen versuchter Spielmanipulation gerade rausgeflogen war und die Regel galt, dass immer ein Berliner Verein in der Bundesliga sein müsse, um die Anbindung Westberlins an die Bonner Republik zu demonstrieren.
Für die Ambitionen von TeBe und Blau-Weiß 90 hingegen gilt das, was in fast allen Großstädten gilt, auch ohne Mauer und Berlinzulage: Es gibt die Konkurrenz zwischen eher bürgerlichen und eher proletarischen Fußballklubs; man sieht es an „HSV vs. St. Pauli“ oder „Bayern vs. 1860“.
Proletarische Wurzeln
Von TeBe und Blau-Weiß, den bürgerlichen Herausforderern Herthas über die Macht an der Spree, unterscheidet sich Union sehr deutlich. Union kommt aus dem Osten und hat mit bürgerlicher Provenienz nüscht zu tun. Union hat seine Wurzeln im proletarischen Oberschöneweide und Hertha seine im Wedding. Kein Zufall, dass in den Mauerjahren eine eiserne Freundschaft zwischen Hertha und Union beschworen wurde.
Zur Herkunft aus der Arbeiterklasse gesellt sich in beiden Fällen der Ruf des Skandalklubs. Bei Hertha wurden mehr als einmal in der Geschichte Gelder veruntreut, Spiele manipuliert, und 1965 ließ der Hertha-Schatzmeister, im Hauptberuf Bestattungsunternehmer, an der Steuer vorbei 55.000 illegale Eintrittskarten drucken, die er in einem Sarg verstaute. Allerdings muss sich Union mit seiner gefälschten Bankbürgschaft da nicht verstecken. Die faxte der Klub 1993 an den DFB, um ausgerechnet so seine Solidität für die Zweite Liga nachzuweisen.
Doch gerade die Ähnlichkeit der beiden ist es, die ihr Nebeneinander so schwierig macht. Jede Großstadt braucht einen Klub, der die Mehrheit der Menschen begeistert und zugleich mit solchen Skandalen für große Geschichten sorgt. Aber eben nur einen Klub, nicht zwei. Je mehr Berlin sozial und kulturell eine Stadt wird, desto weniger braucht’s Hertha. Die einzige Chance der „alten Dame“ dürfte sein: noch mehr „Big City Club“, viel absurdere Verpflichtungen, als Union sie je bieten könnte. Dann bleibt Berlin doch Berlin.
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