Hermann Görings Narzissmus: Der ganz normale Wahnsinn
Russell Crowe spielt den Nazi-Kriegsverbrecher Hermann Göring. Mit dessen Verhältnis zum Psychiater Douglas Kelley wird er sich beschäftigt haben.
D er neuseeländische Schauspieler Russell Crowe beschäftigt sich zurzeit mit der Frage, ob Hermann Göring wahnsinnig war. Crowe spielt Göring in „Nürnberg“, einem Film, der seit Anfang Februar in Ungarn gedreht wird. Es soll darin um die letzten Monate in Görings Leben gehen, vor allem seine ungewöhnliche Beziehung zu dem amerikanischen Psychiater Douglas Kelley. Kelley musste 1945 entscheiden, ob Göring verrückt oder voll verhandlungsfähig war.
Es ist anzunehmen, dass Crowe sich gut auf die Rolle vorbereitet hat und weiß, dass Göring wenig von Psychiatern hielt. Dafür hatte er seine Gründe. Schon 1925 lernte er einige von ihnen unfreiwillig kennen.
In einer neuen Biografie „Wenigstens 12 Jahre anständig gelebt“ beschreibt Harald Sandner anschaulich, wie Göring im schwedischen Exil für BMW arbeitete, Drogen nahm und seine Wunden leckte. Die Sorge, von Hitler nicht mehr geliebt zu werden, plagte ihn noch stärker als die Schusswunde, die er sich beim Hitlerputsch 1923 eingefangen hatte. Göring war seitdem Morphinist und quälte seine Familie, wenn ihm mal wieder der Stoff ausging.
Als er sich aus dem Fenster stürzen wollte, begrüßte sein Stiefsohn die Idee: „Lass ihn springen, Mama!“ Carin Göring entschied sich dagegen. Sie ließ ihren Mann stattdessen in eine schwedische Nervenheilanstalt für gefährliche Kranke einliefern. Hier traf Hermann erstmals auf Psychiater und kam zu einem negativen Urteil über sie.
Hysterie und abgöttische Liebe
Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Die schwedischen Ärzte hielten Göring für einen „brutalen Hysteriker mit sehr schwachem Charakter“: Carin hingegen unterstützte Hermanns Hysterie mit ihrer abgöttischen Liebe. Als er den Medikamentenschrank der Anstalt aufbrach, riet sie den Krankenschwestern, ihrem Mann einfach alles zu geben, was er verlangte, sonst würde er jemanden umbringen (ein Rat, den 15 Jahre später viele überfallene europäische Länder ebenfalls befolgten).
Die Ärzte notierten über Göring: „übertriebenes Selbstbewußtsein, haßt Juden, hat sein Leben dem Kampf gegen Juden gewidmet.“ Daran schien nichts Ungewöhnliches zu sein und man stellte ihm bei der Entlassung ein Attest aus, dass er nicht geistesgestört sei. Zwanzig Jahre und mehrere Millionen Toten später kam der amerikanische Psychiater Kelley zu dem gleichen Ergebnis: „Aggressiver Narzissmus, geistig gesund, voll zurechnungsfähig.“
Tatsächlich konnte Göring – mittlerweile drogenfrei – bei den Nürnberger Prozessen mit Eloquenz und Witz zeitweise brillieren. Mit Menschenfängercharme verführte er auch seinen eigenen Psychiater. Kelley war so fasziniert von ihm, dass er gleich nach dem Rorschachtest (Göring sah Hexen und Derwische) zum willigen Postboten wurde. Er brachte Görings zweiter Ehefrau Briefe und versicherte ihr, Hermann würde in Nürnberg „wie ein Fels im brandenden Meer“ stehen.
Tränen um den Psychiater
Als man Kelley kurz darauf auswechselte, weinte Göring um den besten Psychiater, den er je manipuliert hatte. Aber er wusste, dass da draußen noch viele Fans auf ihn warteten. Zum deprimierten Reichswirtschaftsminister Walther Funk sagte er 1946, er solle sich keine Sorgen machen, in fünfzig Jahren würden sie in Deutschland wieder alle als Helden gelten.
Für Kelley blieb er das auf jeden Fall. Der Psychiater untersuchte zwar weiterhin Mörder, kam aber nie ganz über den Verlust seiner Nürnberger Männerfreundschaft hinweg. 1958 folgte er dem Vorbild seines berühmten Patienten und brachte sich mit einer Zyankalikapsel um. Göring wäre davon nicht überrascht gewesen. Er wusste, wie unwiderstehlich das Böse war. Vielleicht starb er deswegen mit einem geschlossenem und einem offenen Auge, so, als würde er seinen Fans noch einmal zuzwinkern.
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