Henry Maske über Film "Max Schmeling": "Ich bin kein Schauspieler"
Für sein Filmdebüt in der Rolle des Max Schmeling musste Henry Maske viel Häme einstecken. Zu Unrecht, sagt er. Ein Gespräch über Kritiker, McDonald's-Filialen und das frühe Aufstehen.
taz: Herr Maske, wann sind Sie heute aufgestanden?
Henry Maske: Das erste Mal um sieben.
Und dann?
Und dann noch mal um neun.
Ich habe gelesen, dass Sie frühes Aufstehen in Ihren Motivationsseminaren als Teil Ihres Erfolgs verkaufen.
Das ist nicht richtig. Da haben Sie irgendwas gelesen, was aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Ich stehe eigentlich nicht gern früh auf - außer wenn es erforderlich ist. Als ich im Jahr 2006 mein Comeback startete, war es für mich eine große Hürde, morgens um acht schon durch den Wald zu laufen, so zeitig den Motor anzuschmeißen. Aber es ging, weil es gehen musste.
War das heute Ihre gewohnte Zeit?
Nein, heute war spät. Normalerweise stehe ich halb sieben auf. Die Kinder erfordern das. Mir ist es persönlich sehr wichtig, morgens in Ruhe schön zu frühstücken. Und dann fahre ich zur Arbeit, machmal um halb neun, manchmal um neun, möglicherweise erst um halb zehn.
Sie betreiben heute als Franchisenehmer neun McDonald's-Filialen, haben sich also schon nach dem ersten Ende Ihrer Boxkarriere ein neues Standbein gesucht. Warum war Ihnen das so wichtig?
Weil ich mir nicht vorstellen konnte und kann, dass das auch in den nächsten 30 Jahren meine persönliche Zukunft sein würde. Es gab unglaublich tolle Dinge, die ich durch meine Karriere erfahren habe. Ich habe meinen eigenen Charakter kennengelernt, belastet und gestählt, aber Perspektiven als Trainer, Manager oder Promoter lagen außerhalb meiner Vorstellung. Ich wollte noch mal etwas machen, wo ich auch wieder eine gewisse Unabhängigkeit habe, denn eins ist ja nun mal klar: Jeder Promoter, jeder Manager, jeder Trainer ist nur so gut wie der Boxer, mit dem er zusammenarbeitet.
Haben auch Beispiele von KollegInnen eine Rolle gespielt, die nach dem Ende ihrer Karriere nicht loslassen konnten?
Ja, mir war klar, dass ich eine neue Base brauche, in der neuen Welt ankommem muss. Und wir brauchen keine Namen zu nennen, aber jedem von uns fallen doch sofort Menschen ein, die das nicht geschafft haben. Es ist ja auch schwierig, ein paar Gänge runterzuschalten, wenn man mal in einer Position war, die nicht gewöhnlich ist. Die meisten Menschen würden sich wahnsinnig freuen, wenn Sie etwas wahnsinnig gut könnten, wie kaum ein anderer.
Unsereins hat es geschafft. Aber es ist endlich. Und weil es nahezu illusorisch wäre, noch mal so was Großes zu leisten, habe ich mir etwas Normales gesucht. Das muss man können und wollen. Dazu braucht es auch persönliche Begeisterung, um die Sinnhaftigkeit eines Neustarts zu erkennen, aber vor allem ein gutes persönliches Umfeld, das einen dabei unterstützt. Das ist das Wichtigste. Dein eigener Zirkel ist nicht zufällig, wie er ist. Wenn Sie jemanden kennenlernen wollen, dann gucken Sie sich sein Umfeld an.
Wann kamen Sie zu dieser Erkenntnis? Auch erst nach Ihrer Boxkarriere?
Wissen Sie, wann ich das begriffen habe? Mit 20 Jahren, als ich zum ersten Mal richtig auf die Goschen gekriegt habe. Ich habe einen wichtigen Kampf verloren, dessen Ausgang aus Sicht der anderen mit großer Enttäuschung behaftet war. Da habe ich ganz schnell kapiert, wie schnell Zuspruch abhanden kommt, wie schnell abwenden passiert. Wenn Sie das in der Situation erleben, ist das fürchterlich, wenn Sie es mit Abstand betrachten, sind Sie dankbar für diese Erfahrung.
Wie sind Sie eigentlich an McDonald's geraten? Ihre erste Idee nach dem Ende Ihrer Karriere wird das ja wohl nicht gewesen sein, oder?
Ich hatte das große Glück, finanziell so abgesichert zu sein, dass ich nicht den Druck hatte, morgen was finden zu müssen. Dann gab es ein Buch von Ray Croc, dem Begründer von McDonalds, was ich als spannend empfunden habe. Und dann habe ich jemanden kennengelernt, dessen Schwester die jüngste Franchisenehmerin von McDonalds ever war. Die ist auch heute noch eine, wo du denkst: Die liebt unser Unternehmen. Auch dort ist nicht nur alles Wow, aber hey, wo ist das nicht der Fall? Ich bin heute seit über zehn Jahren Franchisenehmer, und dieses Unternehmen gibt jedem Menschen, der offen ist, neugierig und fleißig, eine faire Chance, auch Quereinsteigern, die mit dem nötigen Geist, dem nötigen Willen einsteigen ...
... und dem nötigen Kapital.
Natürlich, das ist eine weitere Grundvoraussetzung. Aber bei uns ist der Mensch das Wesentliche, das Produkt ist toll und verkauft sich überall super, aber wir müssen es vor Ort genauso machen, wie die Menschen es von uns erwarten. Dafür brauchen wir gute Leute.
Woran erkennen Sie, ob eine McDonald's-Filiale gut geführt ist?
Das sehen Sie ganz schnell.
Woran?
Das sind so Kleinigkeiten. Natürlich gibt es auch in meinen Restaurants Situationen, wo man denkt: Mein Gott, hier ist wohl gerade eine Fußballmannschaft drüber gefahren. Die entscheidende Frage ist nur, wie lange das so bleibt. Daran erkennen Sie die Handschrift des Chefs.
Dessen Güte äußert sich darin, wie sehr er seine Mitarbeiter dazu anhält, für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen?
Ja, das ist ein ständiges Animieren, auch ein Anspruchsdenken zu entwickeln, wenn es nicht schon vorhanden ist. Es gibt ganz tolle Mitarbeiter, denen muss man so was nicht erklären, aber es gibt auch andere, die das Arbeiten nicht erfunden haben. Denen muss man helfen, die sehen Arbeit nicht immer sofort.
Und das machen Sie auch selber?
Das mache ich natürlich heute in der Form nicht mehr selber. Dafür gibt es bei der Menge der Restaurants, die ich habe, natürlich in jedem Restaurant Restaurantleiter. Und an denen wiederum muss ich arbeiten, sie in die Lage versetzen, die Leistung von den Mitarbeitern einzufordern.
Auch Max Schmeling, den Sie in Uwe Bolls neuem Film verkörpern, hat nach dem Ende seiner Karriere mit einem großen Konzern zusammengearbeitet, hat Abfüllanlagen für Coca Cola betrieben. Reiner Zufall oder gibt es da einen tieferen Zusammenhang?
Ich halte das für kompletten Zufall, der höchstens dadurch begünstigt wird, dass diese Unternehmen offen sind für Quereinsteiger oder zumindest waren. Eine Parallele zu Schmeling ist sicherlich auch, dass wir beide bereit waren, neue Erfahrungen zu machen, auch solche, die weh tun. Ein Amerikaner hat Schmeling in den 70er oder 80er Jahren mal als "Überleber" charakterisiert, einer der Situationen nimmt, wie sie sind, ohne groß zu lamentieren.
Aber stehen diese US-Unternehmenskulturen nicht dem auffälig nahe, wofür auch der Sport steht: Jeder kann es schaffen, wenn er Leistung bringt?
Ob das amerikanisch ist? Mag sein, dass man gerade da die Story vom Tellerwäscher zum Millionär immer wieder erzählt. Aber es gibt auch in deutschen Unternehmen genügend Beispiele von Leuten, die sich die Position, die ihnen vom Charakter, von der Einstellung, vom gesamten Habitus zusteht, nicht erstudiert haben, sondern erarbeitet, die im Laufe der Zeit immer wieder Neues mit offenen Armen aufgenommen, aufgesogen haben und die dafür auch bereit waren, mal auf die Fresse zu kriegen.
Apropos. Jetzt spielen Sie Max Schmeling. Warum tun Sie sich und dem Zuschauer das an?
Die Frage kann ich gar nicht verstehen. Bei der Premiere des Films sagte eine 90-Jährige zu mir: So war's - und so war er. Mehr kann man doch nicht tun. Dass Schmeling und ich eine gewisse Nähe haben im Charakter, im Ausdruck, hat es mir überhaupt erst möglich gemacht, ihn zu spielen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ihm mit dem Film gerecht geworden sind.
Aber das Feedback bei der Premiere hat Sie nicht dazu veranlasst, über einen Ausbau Ihrer Filmkarriere nachzudenken?
Neeneenee, eins hab ich ganz klar gesagt: Hey Freunde, ich bin kein Schauspieler, aber ich hab diesem großen Mann mein Gesicht gegeben, um seine Geschichte zu erzählen. Und damit Punkt.
Sie haben gesagt: "Ich glaube, es gibt keinen professionellen Schauspieler, der sich in diese Rolle so hineinfühlen kann wie ich." Warum?
Weil ich davon überzeugt bin, dass es niemandem gelingt, darzustellen, wie sich ein gebrochenes Bein anfühlt, der sich nicht schon mal ein Bein gebrochen hat.
Aber man kann doch auch ohne Killerkarriere glaubhaft einen Mörder spielen.
Sie haben völlig Recht. Und trotzdem glaube ich, dass das so richtig authentisch nur jemand spielen kann, der sich schon mal ein Bein gebrochen hat.
Was war für Sie die größte Schwierigkeit beim Drehen?
Wissen Sie, es gibt immer Dinge, die definititv hätten besser gemacht werden können. Wenn ich heute meine Kämpfe sehe, denke ich mir: Oh mein Gott, was hast du da für Fehler gemacht? Glücklicherweise sieht das der Zuschauer anders. Jeder Film, der abgedreht wurde, wird immer verbessert werden können. Für mich war der erste Step, dass Natürlichkeit Gewohnheit wird, mein Text nicht mehr aufgesagt klingt. Weniger ist mehr.
Wie schützen Sie sich vor Häme Ihrer Person gegenüber?
Also wissen Sie, Kritik haben auch schon viele, richtig große Schauspieler einstecken müssen. Ich wiederhole mich da: Ich hab hier jemandem nur ein Gesicht gegeben, und ich glaube, die Reaktionen bei der Premiere haben gezeigt, dass ich das Beste aus meinen Möglichkeiten gemacht habe. Wer es nötig hat, Häme zu bringen, darf das gern tun.
Sie sind daran gewöhnt, unter öffentlicher Beobachtung zu stehen. Was raten Sie denn den Teilnehmern Ihrer Motivationsseminare zum Umgang mit Tiefschlägen?
Wenn man zu sich selber finden will, muss man natürlich auch Risiken eingehen. Straucheln gehört dazu. Wenn man gar nicht erst losgeht, wird man irgendwann aufwachen und sagen: Mein Gott, warum hast du es nicht gewagt? Und da kommen wir wieder zu Schmeling zurück: Der Bursche hat Entscheidungen getroffen und jede Verantwortung dafür übernommen. Dafür bewundere ich ihn.
Haben Sie ein Lebensmotto, Herr Maske?
Für mich ist, wenn ein Problem auf mich zukommt, die Frage nicht, bearbeite ich es oder bearbeite ich es nicht, sondern, wie kriege ich das am besten hin.
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