Heiner Flassbeck über US-Haushaltsstreit: „Das spürt auch Europa“
Mit einem Bankrott der USA ist nicht zu rechnen, sagt Ökonom Heiner Flassbeck. Doch könnte die Blockadepolitik der Republikaner eine neue globale Rezession auslösen.
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taz: Herr Flassbeck, sind die USA bald bankrott? Die Republikaner weigern sich, die Obergrenze bei den Schulden zu erhöhen.
Heiner Flassbeck: Mit einem Bankrott der USA rechne ich nicht. Das können die Amerikaner nicht riskieren. Dann wäre die gesamte Welt sofort Pleite.
Warum?
Jede Bank auf dieser Welt hat US-Staatsanleihen in ihren Bilanzen. Wenn die amerikanische Regierung ihre Schulden nicht mehr bedient, bricht eine globale Finanzpanik aus. Zudem würde der Interbankenmarkt kollabieren, weil sich die Banken gegenseitig nur Geld leihen, wenn diese Kredite mit Staatsanleihen besichert werden können. Es wäre die absolute Katastrophe.
Aber wie soll die US-Regierung einen Bankrott abwenden, wenn die Republikaner nicht einlenken?
US-Präsident Obama müsste radikal Ausgaben streichen. Also Gehälter kürzen und bei der Infrastruktur sparen. Dies wäre natürlich auch keine gute Nachricht für die Weltwirtschaft. Denn die USA würde sofort in eine Rezession abgleiten, was auch die Konjunktur in Europa lähmen würde.
war Chefökonom der Unctad in Genf und zuvor Staatssekretär im Bundesfinanzministerium unter Oskar Lafontaine. Jetzt betreibt er den Blog flassbeck-economics.
Aber haben die Republikaner nicht recht, dass steigende Schulden gefährlich sind?
Höhere Schulden sind kein Problem, wenn die Wirtschaft wächst. Die USA können ihre Kredite mühelos bedienen.
Es geht um etwa 1.000 Milliarden Dollar zusätzliche Schulden. In den USA wird daher diskutiert, ob die Regierung zu einem Trick greifen sollte: Sie könnte eine Eine-Billion-Dollar-Münze prägen, diese bei der Notenbank Fed hinterlegen – und dafür normales Geld eintauschen.
Diese Taschenspielertricks bringen nichts. Sie verstärken beim Publikum den Eindruck, dass das Geldsystem unsicher ist. Damit wird die Panik erzeugt, die man vermeiden will.
Falls die Republikaner einlenken: Ist die Krise dann vorüber?
Nein. Zurück bleibt die Unsicherheit, dass sich dieser absurde Konflikt wiederholen könnte.
Also ziehen die Investoren ihr Geld aus den USA ab?
Etatkrise: Demokraten und Republikaner können sich nicht auf einen Haushalt fürs nächste Jahr einigen. Die Konservativen wollen dem Etat nur zustimmen, wenn die Gesundheitsreform um ein Jahr verschoben wird. Deshalb sind derzeit Hunderttausende Staatsbedienstete in Zwangsurlaub.
Schuldenlimit: Der Kongress legt in unregelmäßigen Abständen eine Schuldenobergrenze fest. Das derzeitige Limit von 16,7 Billionen Dollar (12,4 Billionen Euro) wird am 17. Oktober erreicht. Können sich die politischen Lager nicht auf eine neue Obergrenze einigen, ist die größte Volkswirtschaft der Welt zahlungsunfähig – mit möglicherweise verheerenden Folgen für die Weltwirtschaft.
Das wird nicht passieren. Der Markt für US-Staatsanleihen ist so groß, dass es keinen Ersatz gibt. Die Investoren können ihr Geld nicht auf dem Mars anlegen. Das Problem wird in der Realwirtschaft auftreten: Die unberechenbare Politik der Republikaner führt dazu, dass Firmen und Privatleute auf Sicherheit setzen: Sie sparen, statt zu investieren oder zu konsumieren. Die Konjunktur leidet – was wir auch in Europa spüren werden.
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