piwik no script img

Heime, Zelte und ContainerRefugees Welcome

Die Politik scheint mit den vielen Flüchtlingen überfordert. Man könnte aber auch sagen: "Überforderung" nützt dem, der Flüchtlinge loswerden will.

In Köpenick entsteht gerade das erste von bislang sechs geplanten Containerdörfern. Um Weihnachten herum soll es von den ersten Flüchtlingen bezogen werden. Bild: reuters

In Sachen Flüchtlinge regiert das Chaos: Über Nacht wird eine Turnhalle zur Notunterkunft, die Erstanlaufstelle in der Turmstraße schickt Asylbewerber zeitweise einfach weg, Containerdörfer am Stadtrand erzürnen Anwohner und Bezirke. 4.600 Flüchtlinge haben vorvergangene Woche vorgesprochen, sagt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) – zu viele für das Amt, das die Menschen mit dem Nötigsten versorgen muss.

Die steigenden Flüchtlingszahlen überfordern Berlin: Diese Erklärung ist in den letzten Monaten häufig zu hören vom zuständigen Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Man erhöhe ja schon die Mitarbeiterzahl im LaGeSo, man suche und eröffne am laufenden Band neue Unterkünfte – doch mit diesem Andrang habe niemand rechnen können.

Keine Frage: Wie sich die Kriege und Krisen der Welt und damit die Flüchtlingsströme entwickeln, kann niemand vorhersehen. Und doch es ist mehr als notorische Nörgelei, zu sagen, dass ein Gutteil der Probleme bei der Flüchtlingsaufnahme hausgemacht ist.

Nicht nur die Opposition kritisiert, dass trotz der seit Jahren steigenden Zahlen ein umfassendes flüchtlingspolitisches Konzept fehle. Auch der kürzlich von Czaja gegründete „Beirat für Zusammenhalt“, besetzt mit ehemaligen Senatsangehörigen aus CDU, SPD, Grünen und Linkspartei, bemängelt dies indirekt in seinem gerade veröffentlichten Positionspapier. Dort heißt es: Berlin „darf nicht wieder in eine Situation geraten, in der unter Zeitdruck […] Wohnheime geschaffen werden müssen.“ Die Stadt müsse Unterkünfte bereithalten und auf größere Flüchtlingsströme vorbereitet sein.

Die Frage ist nur, wie? Die Linkspartei setzt vor allem auf soziale Wohnungspolitik: Heime seien nur eine Notlösung, das Land müsse mehr günstigen Wohnraum schaffen, davon profitierten nicht nur die Flüchtlinge. Auch der Beirat schlägt vor, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften mehr Wohnraum für Flüchtlinge bereitstellen. Darüber hinaus könnten sie flexible Unterbringungsmöglichkeiten bauen, die für Flüchtlinge und andere Gruppen wie Studenten nutzbar wären. Auch die Grünen fordern kleine, für verschiedene Bewohner geeignete Heime, die von Wohlfahrtsverbänden betrieben werden sollten.

Diese Vorschläge eint eins: eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber Flüchtlingen. Sie sollen, so schnell es geht, in die Stadtgesellschaft integriert werden. Sie sollen in Wohnungen leben oder in so kleinen Heimen, dass die Zahl der Bewohner nicht die lokalen Schulen, Kitas und Anwohner überfordert.

Die Politik in Land und Bund verfolgt aber ein anderes Ziel: Statt um Integration geht es um Abschreckung. Das fängt bei den Asylberatern im LaGeSo an, die eher zur Heimreise raten als nach Fluchtgründen fragen. Das geht weiter mit Massenunterkünften, die teuer sind, aber gut zur Kontrolle der Menschen. Es zeigt sich auch in einer irrwitzigen Bürokratie, die verbietet, dass Neuankömmlinge bei Verwandten oder Freunden unterkommen. Und es endet – vorerst – bei einem Gesetz, dass Serben, Mazedonier und Bosnier faktisch vom Asyl ausschließt. Weil davon viel zu viele kommen.

So könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Überforderungsrhetorik einem politischen Zweck dient: Seht doch her, Flüchtlinge sind ein Problem, unsere Bürger sind ganz besorgt. So wie 1993, als wir deshalb – leider, leider – das Asylrecht einschränken mussten.

Doch natürlich ist das nur eine freche Unterstellung. In Wahrheit sind die Politiker ganz besorgt um das Wohl der Flüchtlinge. Der neue Regierende Bürgermeister will darum im neuen Jahr eine Arbeitsgruppe einrichten, die alle Probleme lösen soll.

Wir sind gespannt.

Mehr zum Geschäft mit der Flüchtlingsunterbringung können Sie in der gedruckten taz.Am Wochenende lesen. Im Abo - oder an Ihrem Kiosk.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Warum macht man mit dem englischen Slogan "Refugees welcome" die Sorge um Flüchtlinge zu einer Parole, zu einer fremden, uns von außen aufgedrängten Sache? Wie anders, wie ehrlich und herzlich würde es klingen, wenn es auf den Plakaten in Deutschland zum Beispiel hieße: "Bei uns sind Flüchtlinge willkommen!"

    • @Martin Ebbertz:

      Weil sich "Refugees Welcome" an die Flüchtlinge richtet, und es ist eher die Ausnahme, dass diese bereits mit Deutschkenntnissen nach Deutschland flüchten. Und genau deswegen ist die Parole so wie sie ist gut: Weil hier mal jemand empathisch in die Rolle der Flüchtlinge reingedacht hat, statt im eigenen Saft zu schwimmen. Eine Fähigkeit, die leider nicht selbstverständlich ist.