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Heidi Reichinnek über Linken-Abstimmung„Ergebnis einer demokratischen Wahl“

Die neu gewählte Gruppenvorsitzende der Linken im Bundestag über die enge Kampfabstimmung und ob sie mit Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten möchte.

Heidi Reichinnek und Sören Pellmann, die neuen Vorsitzenden der Linken-Gruppe im Bundestag Foto: Carsten Koall/dpa
Patricia Hecht
Interview von Patricia Hecht

taz: Frau Reichinnek, führen Sie die Gruppe der Linken in den Untergang?

Heidi Reichinnek: Ich führe die Gruppe der Linken wieder zurück zum Fraktionsstatus. Mein Ziel ist, dass wir bei der nächsten Wahl 2025 wieder in den Bundestag einziehen.

Ist das denn realistisch?

Wir hatten als Linke schon größere Krisen als momentan. Wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten – an dieses wichtige Motto halten wir uns. Bei der aktuellen politischen Stimmung haben wir als Linke viele Chancen. Wir müssen sie jetzt nur geeint nutzen.

Im Interview: 

Heidi Reichinnek

35, beschäftigt sich mit Kinder-, Jugend-, Familien- und Frauenpolitik und gehörte, als es die Linksfraktion noch gab, deren Vorstand an.

Wie wollen Sie diese Rumpfgruppe einen?

Rumpfgruppe klingt so negativ. Wir 28 Menschen haben uns ganz klar zur Linken bekannt und vertreten die Linke und ihre mehr als zwei Millionen Wäh­le­r:in­nen im Bundestag. Auch die drei direkt gewählten Kan­di­da­t:in­nen sind bei uns an Bord. Wir als Gruppe sind geeint.

An Ihrem äußerst knappen Wahlsieg ist zu sehen, dass die Gruppe so zersplittert ist wie eh und je.

Es gibt natürlich Themen, die wir diskutieren müssen. Aber ich finde es auch wichtig, dass es nicht nur Vorgaben von oben gibt, die alle abnicken. Wir müssen und werden miteinander die besten Lösungen finden. Und das knappe Ergebnis zeigt vor allem, dass alle Kan­di­da­t:in­nen mit jeweils hohen Kompetenzen angetreten sind.

Warum haben Sie nicht mit Clara Bünger kandidiert? Wäre das nicht das deutlich kooperativere Signal ­gewesen?

Es gab letztlich vier Kandidaturen, aus denen zwei Vorsitzende einzeln gewählt wurden. Wie es ausgegangen ist, ist ein ehrliches Ergebnis einer demokratischen Wahl.

Ausgerechnet Sie und Sören Pellmann haben den Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan 2022 vergeblich den Partei­vorsitz streitig gemacht. Das spricht nicht für das beste Verhältnis, oder?

Wir haben ihnen nicht den Parteivorsitz streitig gemacht, sondern sind mit einem Angebot angetreten …

… in direkter Konkurrenz zu den beiden …

… das ja auch große Unterstützung bekommen hat. Und genau jetzt zeigen wir, dass Parteispitze und Gruppe an einem Strang ziehen. Deshalb haben wir am Montag auch die erste Pressekonferenz gemeinsam gemacht. Wir haben kein Problem damit, uns nach einer demokratischen Kandidatur die Hand zu reichen. Warum sollten dann andere ein Problem damit haben?

Wie soll die künftige Zusammen­arbeit aussehen?

Sören Pellmann und ich haben verschiedene Vorschläge gemacht. Jetzt müssen wir sehen, wie wir diese umsetzen. Da geht es zum Beispiel um die Frage, dass wieder regelmäßig Gruppenvorsitzende an Sitzungen des Parteivorstands teilnehmen. Diese können dann berichten, was in der Gruppe gerade passiert, sie können Fragen beantworten und wieder Impulse mit in die Gruppe tragen. Wir brauchen natürlich auch einen Austausch für eine gemeinsame Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wir wollen geeint bestimmte Themen setzen wie Umverteilung, gute Arbeit, Klima und Frieden, die wir dann auch an die Landesverbände spielen. Da können wir zusammen einen großen Schritt nach vorn gehen.

Werden Sie zukünftig mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten?

Das kommt auf die Inhalte und die jeweilige Situation an. BSW ist genau wie alle anderen Parteien ein politischer Konkurrent für uns. Da wird es Überschneidungen geben und auch Differenzen. Je nachdem sehen wir dann, ob eine punktuelle Zusammenarbeit möglich ist oder auch nicht. Wie bei Grünen, SPD oder anderen.

Sören Pellmann und Sie sind weit weniger prominent als Wagenknecht. Wie wollen Sie in Medien und Öffentlichkeit durchdringen?

Ja, Sahra Wagenknecht ist sehr prominent, das trägt BSW ja auch gerade. Aber wir haben unglaublich kompetente Ge­nos­s:in­nen wie zum Beispiel die Parteivorsitzende Janine Wissler, die rhetorisch ganz klar mithalten können. Und auch ich selbst halte mich da für völlig konkurrenzfähig. Mein Erfolg etwa in den sozialen Medien zeigt mir, dass wir uns auf gar keinen Fall verstecken müssen. Und das Wichtigste: Wir haben die besseren Inhalte. Darauf kommt es an.

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9 Kommentare

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  • "Wir hatten als Linke schon größere Krisen als momentan. Wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten"

    Was sagen eigentlich die Grünen dazu, wenn im Wald so laut gepfiffen wird?

    • @Deep South:

      "Was sagen eigentlich die Grünen dazu, wenn im Wald so laut gepfiffen wird?"

      Nachdem die Linke gerade auf Abschiedstournee ist, beginnt man von CDU bis AfD und BSW auf ein neues Ziel einzuschießen.



      Die Grünen nämlich. Die ersten Ausläufer dieser Strategie beginnen gerade bei den Grünen einzuschlagen.

      • @Kaboom:

        Die Linke ist nicht an der CDU oder der AfD zerbrochen, sondern an sich selbst. An ihrer Streitsucht, an inneren Intrigen, ihrer Koalitionsunfähigkeit, ihrer fehlenden glauwürdig umsetzbaren Zukunftsvison.



        Die hausgemachte Schwäche der Linken hat sogar einen guten Anteil am Erstarken der AfD, weil sie nicht einmal mehr als Auffangbecken für die Frustrierten wahrgenommen wird und speziell in den neuen Ländern Wähler an diese verloren hat.



        Die Grünen haben trotz aller Fehler und Schwächen in der aktuellen Regierung, eine relativ konstante Stammwählerschaft, die sich im Gegensatz zu den Linken nicht aus einem großen Teil Protestwähler rekrutiert.



        Die Union weiß bei Allem Getöse, dass sie für zukünftige Koalitionen um die Grünen kaum umherkommt.



        Die Linke täte gut daran, sich einem echten, zukunftsorientierten Reformprozess zu stellen und solche platten Phrasen, wie die oben zitierte, doch besser im Abreißkalender zu lassen.

  • Ich denke, die Linke leidet unter einer starken Ausdifferenzierung ihrer Wähler- und Unterstützermilieus. Man könnte es als Bruchlinie Zentrum vs. Peripherie, Kosmopolitismus vs. Kommunitarismus oder Postmaterialismus vs. Materialismus benennen. Als kleine Partei kann die Linke das weniger gut auffangen als etwa die Union, die immer auch eine Partei der Macht ist und aus ihrer Position heraus verschiedene Milieus bedienen kann.

    Die älteren Leute, die früher integriert haben, treten in den Hintergrund, die neuen Mitglieder in den Großstädten haben teils eine "postmaterialistische" Agenda, die sich von klassischen sozialistischen oder radikal-sozialdemokratischen Positionen stark unterscheidet. Damit ist im kleinstädtisch-ländlichen Raum jedoch nichts zu gewinnen. Diese Ausdifferenzierung kann man Leuten wie Reichinnek aber nicht vorwerfen.

    Nehme an, dass sich die Linke nur in den Ballungszentren und einigen Universitätsstädten wird halten können, wo die Mietenfrage zentral ist. Außerhalb davon wird das BSW übernehmen.

  • Heidi Reichinnek kann Politik, auch in eigener Sache, was sie hier aber äußert, deutet darauf hin, dass sie 'Führung' in der Politik als Konzept nicht versteht. Sie hat hier ganz offen gesagt, dass Konflikte und Kampfkandidaturen gut sind, dass sie die demokratisch findet.

    Wenn eine Partei zerrissen und zerstritten ist, vertraut niemand dieser Partei.

    Das ist die bittere Wahrheit, die irgendwie auch banal ist, denn nehmen wir an 51 Prozent der Wahlberechtigten wählen tatsächlich die Linke und die kann sich nicht auf einen Kanzler einigen, muss ständig ihr eigenes Programm revidieren?

    Der eine sagt, Kurden sollen sich im gewaltlosen Widerstand dem IS widersetzen, die anderen sagen, wir werden denen sogar Waffen liefern?

    Die Idiotie der Linkspartei versteht deren eigenes Führungspersonal nicht.

    Und das äußern die auch noch ganz offen.

    Das kann wirklich sein, dass die Wagenknechtgruppe es besser macht, die haben eine Hierarchie und eine gewisse Geschlossenheit.

    Die Grünen haben zwar in den 80ern und 90ern auch erhebliche Spannungen gehabt, aber die sind eher nach Vorne gegangen, als nach Hinten.

    Hier hat man erst gesagt, so die liebe Sarah ist weg, jetzt wird es ruhig, dann direkt den nächsten Konflikt vom Zaum gebrochen und dann gesagt, nein, alles ist gut, wird gut, wir lieben uns, kommen uns näher und wo gerieben wird, kommt doch Wärme zustande.

    Nur nicht beim Wähler. Und der geht immer häufiger Richtung Friedhof, jedenfalls im Osten. Wie sie neue junge Menschen dort gewinnen woll, das geht dann nicht so einfach.

  • Gute Fragen, schwache Antworten.

  • Mich würde jetzt unheimlich interessieren, ob Genossin Reichinnek tatsächlich Wählrer:innen oder Wähler und Wählerinnen gesagt hat.



    Nein, das ist keine Nebensächlichkeit.

  • Gönnt Ihr den Moment, bevor der Morgen graut und der Realitätskater zuschlägt.

  • Heute mittag wollte ich noch etwas schreiben zu: MachtVoll in den Untergang.

    Nach diesem Text bleibt nur: wenn es dunkel ist sollte man nicht auf den Morgen hoffen, wenn man mit Sarah W-Putinfreundin ins Bett gehen will, auch wenn nur punktuell. Weiter rechts gibtes auch noch Alternative...

    Ich schäme mich, diesen Verein auch mal gewählt zu haben.