Hausprojekt Holzmarkt in Berlin: Eckwerk heißt jetzt Wieweil
Der Streit um das Grundstück an der Spree ist beendet. Statt revolutionärer Holztürme soll dort ein Betonbau für Büros und Studierende entstehen.
Das ehemalige Eckwerk, das nun das Oberthema lebenslanges Lernen haben und auf den seltsamen Namen „Wieweil“ hören soll, wird direkt am Holzmarkt schräg gegenüber vom Ostbahnhof entstehen. Der Holzmarkt zählt zu den bekanntesten neuen genossenschaftlichen Stadtquartieren der Stadt.
Entstanden ist er aus einer Idee von Kreativen rund um die Gründer der Clubs Bar25 und Kater Holzig: Eine Art Quartier aus in- und übereinander verschachtelten Holzhütten inklusive öffentlichen Wegen und Mörchenpark, ein Ort für Party und Off-Kultur, edles Essen, Kinderbetreuung und Physiotherapie.
Ursprünglich wollten die Macher des Holzmarkts das Grundstück mit dem Eckwerk wie das des Holzmarkts selbst bebauen. 2012 hatten sie den Zuschlag für das ganze Gelände der BSR an der Spree bekommen. Ein 18.000 Quadratmeter großes, aber verkehrsumspültes Filetgrundstück mit den Glastürmen der BVG auf der einen und dem Radialsystem auf der anderen Seite.
Käufer war die Pensionskasse Abendrot aus der Schweiz, die Immobilien im Sinne des Gemeinwohls entwickelt und das Gelände den Holzmarkt-Leuten in Erbpacht gab. Die Nachricht: Alternative Projektentwickler gewinnen ein Bieterverfahren gegen Immobilienhaie.
Der Streit ging vor Gericht
Doch dann setzte sich in Berlin die Mietenbewegung in Gang, die Diskussion ums Wohnen wurde wichtiger als die um kulturelle Freiräume. Ein langer, komplizierter Streit zwischen Holzmarkt und Bezirk begann, der vergangenes Jahr vor dem Landgericht endete. Der Holzmarkt war raus, die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) und die Immobiliengruppe KIM übernahmen, beide haben zuletzt zwei Quartiere in Spandau entwickelt. Sie brachen mithilfe derselben Architekten die avantgardistischen Pläne des Holzmarkts fürs Eckwerk auf Realisierbarkeit herunter: Weg sind die Holztürme, die über einen spektakulären Höhenweg miteinander verbunden werden sollten und die herkömmliche Trennung von Leben, Arbeiten und Wohnen auflösen sollten.
Statt Holz gibt es nun – angeblich wegen des hohen Lärmaufkommens an diesem Ort – schnöden Stahlbeton, statt des Höhenwegs eine wenig aufregende Hochterrasse. Statt neuem Wohnen und Arbeiten, von dem der Holzmarkt nicht abweichen wollte, soll es herkömmliche WGs mit kleinen und großen Zimmern für etwa 250 Studierende und Auszubildende geben. Einen dreistelligen Millionenbetrag wird nach einer ersten Schätzung das Bauvorhaben kosten.
Fröhlich weiter feiern
Aber immerhin: An der Grenze zum benachbarten Holzmarkt werden ausschließlich Büro- und Projekträume unter dem Motto „Wissen, Lernen, Weiterbildung“ entstehen. Auf Wohnen wird hier „aus Rücksicht auf den Holzmarkt“ verzichtet. So kann zumindest in dieser Hinsicht auf dem Holzmarkt weiter fröhlich gefeiert werden. Und weiter entwickelt: Der Holzmarkt hat inzwischen auf seinem Gelände längst ein eigenes Hochhaus geplant. Natürlich aus Holz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind