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Hauseigentümer gegen Florian SchmidtWas er alles nicht sagen darf

Der Eigentümer eines Hauses mit Brandschaden in der Graefestraße in Kreuzberg will keine Kritik vom Stadtrat hören. Dabei gibt es für diese guten Grund.

Der Saft ist ihm abgedreht Foto: dpa

Berlin taz | Ende Januar 2020 brannte es in einem Altbau in der Kreuzberger Graefestraße 13. Sieben Mietparteien des Vorderhauses mussten ihre Wohnungen dauerhaft für Sanierungsarbeiten verlassen. Zweieinhalb Jahre später ist noch keine von ihnen zurück. Die Bauarbeiten dauern an, sofern sie überhaupt stattfinden und nicht wie in diesem Frühjahr monatelang pausieren. Vermutlich dauert es weitere Jahre.

Einige Mieter:in­nen haben inzwischen aufgegeben, anderen wurde der Mietvertrag aufgelöst. Hier berief sich der Vermieter auf die sogenannte Opfergrenze und behauptete, die Sanierungskosten überstiegen die zu erwartenden Mieteinnahmen. Einige Betroffene klagen dagegen, doch die Zahl der Mieter:innen, die noch hoffen, einmal in ihre sanierten Wohnungen zurückkehren zu können, wird kleiner.

Man könnte daher darauf kommen, dass die als GbR organisierte Münchener Privateigentümerfamilie Menne die Sanierung des Hauses nur „sehr langsam“ ausführe. Vermutlich könnte von einer „Verzögerungstaktik“ ausgegangen werden, mit der „Mieter:innen mürbe gemacht und zur Kündigung getrieben werden sollen“. Möglicherweise liegt sogar der Verdacht nahe, es handele sich um ein „extremes Beispiel für Spekulationen“.

Die betroffenen Mie­te­r:in­nen äußern diesen Verdacht seit jeher; eine der Parteien bekräftigte dies auch am Donnerstag in einem Gespräch mit der taz. In dieser Bewertung stehen sie nicht alleine da: Die Zitate stammen von Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne).

Gericht für die Eigentümer

Wiederholen darf er sie vorerst nicht. Denn die Eigentümer zeigten sich im Versuch, ihm diese Aussagen zu untersagen, von ihrer schnellen Seite, ebenso wie bei einer kürzlich durchgeführten Sanierung einer freien Wohnung im Seitenflügel, die in wenigen Wochen abgeschlossen war.

Nach dem letzten taz-Text zu dieser Causa Mitte Juli, in dem Schmidt mit einigen der beanstandeten Aussagen zitiert wurde, dauerte es nun also nur anderthalb Monate, bis die Eigentümer in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Schmidt – und damit dem Bezirksamt – per Beschluss untersagen ließen, seine Kritik zu wiederholen. Das Gericht sprach von Werturteilen, „die mit dem Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar seien“.

Die Eigentümer stützen sich auf eine Begehung der Wohnungsaufsicht, die Mitte Juli den Baufortschritt im Haus prüfte. Demnach sei die Feststellung weiterer Schäden wie asbesthaltige Baustoffe und morsche Balkenköpfe nachvollziehbar und in allen Wohnungen Sanierungsarbeiten zu erkennen gewesen. Fazit: Der vorgelegte Bauablaufplan sei schlüssig; ein Vorgehen des Bezirks wegen zweckentfremdetem Leerstand nicht möglich.Schmidt hatte eingestanden, dass sich die Eigentümer „geschickt minimal an die Regeln halten“, und die mangelnden gesetzlichen Kompetenzen kritisiert.

Zum Verhängnis wurde ihm, dass er kurz zuvor noch die ihm zugetragene Information verbreitet hatte, die Eigentümer hätten vom Wohnungsamt angeforderte Unterlagen nicht eingereicht. Das Gericht wertete dies als unwahre Tatsachenbehauptung. Ob gegen den Gerichtsbeschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt wird, wird vom Bezirksamt aktuell noch geprüft.

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2 Kommentare

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  • Guter Journalismus ist, wenn man auch die Gegenseite mit einer Stellungnahme zu Wort kommen lässt.

  • All das könnte man möglicherweise unterstellen, nur wenn selbst das Bezirksamt bei seinen regelmäßigen Überprüfungen überhaupt keine Hinweise für solche Unterstellungen findet, dann darf ein Amtsleiter sich nicht zu solchen Unterstellungen hinreißen lassen - anders als eine Privatperson.