Hauptversammlung bei Volkswagen: VW-Chef will ehrlicher werden

Der neue Konzernboss Herbert Diess verspricht „Demut“. Kritische Aktionär*innen fordern vehement eine Diesel-Nachrüstung.

Aktivisten halten Schilder mit Affen vor VW-Logo in die Höhe

Peta kritisiert: Keine Affenversuche für Dieselstinker Foto: rtr

BERLIN taz | Schon auf dem Weg zur 58. Hauptversammlung des größten Autobauers der Welt begleitete dessen Aktionär*innen nichts als Protest: Umwelt-, Tierschutz- und Menschenrechtsaktivist*innen machten schon vor der Messehalle in Berlin Rabatz. Und auch von den eigenen Aktionär*innen im Tagungsort bekam die Konzernführung von VW jede Menge Kritik zu hören. Hauptthema beim ersten großen Auftritt des neuen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess: weiter die Bewältigung des Dieselskandals.

„Volkswagen muss in diesem Sinne noch ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort: anständiger werden“, beschrieb der neue Chef den nötigen Kulturwandel im Unternehmen, den schon sein Vorgänger Michael Müller beschworen hatte. Dazu wird der Konzern von Larry Thompson gedrängt, den US-Gerichte in Wolfsburg platziert haben. Thompson hatte VW für das langsame Tempo der Umgestaltung kritisiert. Er fordert, dass Integrität bei VW so wichtig werden müsse wie Produktion und Vertrieb. „Ich teile diese Ansicht uneingeschränkt“, betonte Diess gestern.

Zum Konzernumbau beim weltgrößten Autobauer gehört deshalb nicht nur die Bündelung der zwölf Marken in den Segmenten „Masse“, „Premium“ und „Luxus“. Sondern auch die Suche nach „belastbaren Zukunftsperspektiven“ für „das Nicht-Kerngeschäft wie Ducati, Renk und MAN“, also möglicherweise der Verkauf. Zur Neuausrichtung an einer offenen Unternehmenskultur gehöre auch ein besseres System für interne Whistleblower. Fehlverhalten müsse kompromisslos geahndet werden, so Diess. Nicht alles, was legal sei, sei auch legitim.

Die Protestierenden vor der Halle forderten hingegen Konkretes: „Herbert Diess muss bei VW endlich ein Großreinemachen anstoßen“, sagte Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl. Das VW-Geschäftsmodell sei klima- und gesundheits­schädlich, der Umstieg auf E-Mobilität gehe zu langsam. Durch die Nachrüstung der Diesel-VWs könnten die Stickoxidemissionen um 70 Prozent gesenkt werden.

LKWs emittieren weniger Stickoxide als Kleinwagen

Es sei absurd, dass heute Lkw, für die diese Technik verpflichtend ist, weniger Stickoxide emittierten als ein durchschnittlicher Klein­wagen. Der Konzern hatte zuvor in Experimenten mit lebendigen Affen die Auswirkungen der Stickoxide auf die Gesundheit untersucht, klagte die Tierschutzorganisation Peta. Letztlich sei es, angesichts steigender Absatzzahlen und eines satten Jahresgewinns 2017 von 11,6 Milliarden Euro, für VW wirtschaftlich tragbar, die Nachrüstungen mit der sogenannten SCR-Technik vorzunehmen.

Die Kritischen Aktionäre forderten zumindest Entschädigungen für die Käufer*innen manipulierter Dieselfahrzeuge. Der Vorstand solle nicht entlastet werden. In seiner Rede bei der Versammlung kritisierte ihr Sprecher Jens Hilgenberg das taktische Kalkül des Vorstands, das darin bestehe, „immer nur das zuzugeben, was bereits gerichtsfest nachgewiesen wurde“. „Wir wollen das nicht ausbaden“, kommentierte eine VW-Mitarbeiterin und Sprecherin der kritischen Umweltgewerkschaft die Zukunftsstrategie. Bereits jetzt litten vor allem Leiharbeiter*innen unter den Sparmaßnahmen infolge des Dieselskandals.

Ob der von allen Seiten angemahnte „Kulturwandel“ bei VW gelingt, ist den Kritischen Aktionären zufolge auch eine Frage der Geschichte. Ihr Gegenantrag beinhaltete eine Passage, die zur Aufarbeitung der Kollaboration mit der brasilianischen Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 aufrief. Bei der Hauptversammlung betonte Diess, dass „Werteverstöße“ bis in die jüngere Vergangenheit hinein „eindeutig zu viel geschehen“ seien. Jetzt sei Zeit für „eine Portion Demut“.

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