Hauptversammlung bei Volkswagen: VW-Chef will ehrlicher werden
Der neue Konzernboss Herbert Diess verspricht „Demut“. Kritische Aktionär*innen fordern vehement eine Diesel-Nachrüstung.
„Volkswagen muss in diesem Sinne noch ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort: anständiger werden“, beschrieb der neue Chef den nötigen Kulturwandel im Unternehmen, den schon sein Vorgänger Michael Müller beschworen hatte. Dazu wird der Konzern von Larry Thompson gedrängt, den US-Gerichte in Wolfsburg platziert haben. Thompson hatte VW für das langsame Tempo der Umgestaltung kritisiert. Er fordert, dass Integrität bei VW so wichtig werden müsse wie Produktion und Vertrieb. „Ich teile diese Ansicht uneingeschränkt“, betonte Diess gestern.
Zum Konzernumbau beim weltgrößten Autobauer gehört deshalb nicht nur die Bündelung der zwölf Marken in den Segmenten „Masse“, „Premium“ und „Luxus“. Sondern auch die Suche nach „belastbaren Zukunftsperspektiven“ für „das Nicht-Kerngeschäft wie Ducati, Renk und MAN“, also möglicherweise der Verkauf. Zur Neuausrichtung an einer offenen Unternehmenskultur gehöre auch ein besseres System für interne Whistleblower. Fehlverhalten müsse kompromisslos geahndet werden, so Diess. Nicht alles, was legal sei, sei auch legitim.
Die Protestierenden vor der Halle forderten hingegen Konkretes: „Herbert Diess muss bei VW endlich ein Großreinemachen anstoßen“, sagte Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl. Das VW-Geschäftsmodell sei klima- und gesundheitsschädlich, der Umstieg auf E-Mobilität gehe zu langsam. Durch die Nachrüstung der Diesel-VWs könnten die Stickoxidemissionen um 70 Prozent gesenkt werden.
LKWs emittieren weniger Stickoxide als Kleinwagen
Es sei absurd, dass heute Lkw, für die diese Technik verpflichtend ist, weniger Stickoxide emittierten als ein durchschnittlicher Kleinwagen. Der Konzern hatte zuvor in Experimenten mit lebendigen Affen die Auswirkungen der Stickoxide auf die Gesundheit untersucht, klagte die Tierschutzorganisation Peta. Letztlich sei es, angesichts steigender Absatzzahlen und eines satten Jahresgewinns 2017 von 11,6 Milliarden Euro, für VW wirtschaftlich tragbar, die Nachrüstungen mit der sogenannten SCR-Technik vorzunehmen.
Die Kritischen Aktionäre forderten zumindest Entschädigungen für die Käufer*innen manipulierter Dieselfahrzeuge. Der Vorstand solle nicht entlastet werden. In seiner Rede bei der Versammlung kritisierte ihr Sprecher Jens Hilgenberg das taktische Kalkül des Vorstands, das darin bestehe, „immer nur das zuzugeben, was bereits gerichtsfest nachgewiesen wurde“. „Wir wollen das nicht ausbaden“, kommentierte eine VW-Mitarbeiterin und Sprecherin der kritischen Umweltgewerkschaft die Zukunftsstrategie. Bereits jetzt litten vor allem Leiharbeiter*innen unter den Sparmaßnahmen infolge des Dieselskandals.
Ob der von allen Seiten angemahnte „Kulturwandel“ bei VW gelingt, ist den Kritischen Aktionären zufolge auch eine Frage der Geschichte. Ihr Gegenantrag beinhaltete eine Passage, die zur Aufarbeitung der Kollaboration mit der brasilianischen Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 aufrief. Bei der Hauptversammlung betonte Diess, dass „Werteverstöße“ bis in die jüngere Vergangenheit hinein „eindeutig zu viel geschehen“ seien. Jetzt sei Zeit für „eine Portion Demut“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator