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„Hate-Tweets“ in den USADie Geografie des Hasses

Homophobie, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit: Diskriminierende Begriffe tauchen in US-Tweets vor allem im Osten und auf dem Lande auf.

Die Verteilung des Wortes „Fag“ („Schwuchtel“) in US-Tweets Bild: Google/HSU

BERLIN taz | Das „Geography of Hate Project“ hat den diskriminierenden Sprachgebrauch in Online-Netzwerken am Beispiel des Kurznachrichtendienstes Twitter untersucht. Das Ergebnis ist eine interaktive „Hass-Karte“ der USA. Sie zeigt, wo am häufigsten diskriminierende Inhalte vorkommen und ermöglicht die Suche nach einzelnen Begriffen oder nach den Kategorien „homophob“, „rassistisch“ oder „behindertenfeindlich“.

Analysiert wurden sämtliche Tweets in den USA zwischen Juni 2012 und April 2013, bei denen die Geokodierung – die geografische Herkunft – bekannt ist. „Hass-Tweets“ werden vor allem in kleineren Städten und auf dem Land verfasst, zeigt die Karte der kalifornischen Humboldt State University.

So fanden sich im Verhältnis in der wenig besiedelten Mitte North Dakotas mehr rassistische Kurznachrichten als in Fargo, der größten Stadt des Bundesstaates. Homophobe Inhalte sind insgesamt weiter und gleichmäßiger verbreitet als rassistische, die vor allem im Südosten der USA auftauchen. Die meisten homophoben Tweets fanden sich in der spärlich bewohnten Region zwischen Oklahoma und Texas, die größte Häufung rassistischer Tweets gab es im Westen Indianas.

Die Bevölkerungsdichte und das unterschiedliche Mediennutzungsverhalten wurden herausgerechnet. Die Karte zeigt demnach, wo der Anteil diskriminierender Begriffen im Vergleich zum Gesamtaufkommen der Kurznachrichten in der jeweiligen Region besonders hoch ist.

Ein Beispiel: Im kalifornischen Orange County tauchen absolut betrachtet die meisten diskriminierenden Begriffe auf. Da aber auch die Twitter-Aktivität im bevölkerungsreichsten Bezirk Kaliforniens USA-weit am höchsten ist, relativiert sich der Effekt: Es gibt dort keine besondere Häufung diskriminierender Inhalte. In der Nähe von Springfield, Missouri, hingegen schon:

Bild: HSU

Nach der US-Wahl 2012 wurde bereits ein ähnliches Projekt durchgeführt, bei dem rassistische Inhalte von Tweets als Reaktion auf die Wiederwahl Obamas untersucht wurden. Die Obama-Studie wurde kritisiert, weil die Konnotation der Begriffe nicht untersucht wurde.

„Dolly“-Projekt

Das „Digital OnLine Life and You“-Projekt („Dolly“) des Fachbereichs Geografie der Universität von Kentucky liefert das Datenmaterial für die „Hass-Karte“.

Dort werden Milliarden von geokodierten Tweets gespeichert und der Forschung kostenlos zur Verfügung. Aktuell gehen rund acht Millionen geokodierte Tweets täglich in die Datenbank ein. Insgesamt sind seit Dezember 2011 über drei Milliarden Kurznachrichten gespeichert worden.

Für die „Hass-Karte“ wurde nun auch analysiert, in welchem Kontext die Begriffe benutzt wurden: positiv, negativ oder neutral. Nur Verwendungen in einem abschätzigen Kontext fanden Eingang in die Karte. Die Geografiestudenten suchten „bitch“, „nigger“, „fag“, „homo“, „queer“, „dyke“, „darky“, „gook“, „gringo“, „honky“, „injun“, „monkey“, „towel head“, „wigger“, „wetback“, „cripple“, „cracker“, „honkey“, „fairy“, „fudge packer“, „tranny“. Dabei wurden auch unterschiedliche Schreibweisen beachtet. Sie fanden 150.000.

Hass auf Einwanderer

Einen interessanten Befund lieferte der Begriff „Wetback“, der im Südosten der USA verbreitet ist und abfällig mexikanische Einwanderer bezeichnet. Über „Wetbacks“ wird vor allem dort getwittert wo kaum illegale Einwanderer auftauchen – und nicht in den grenznahen Regionen.

„Bitch“ tauchte übrigens 5,5 Millionen Mal auf. Der Begriff wurde nicht weiter untersucht. Der Grund: Ein Student bekommt zehn US-Dollar für die Analyse von 1.000 geocodierten Tweets. Das entspricht einem Kostenaufwand von rund 55.000 Dollar für „bitch“ – und das war der Uni zu teuer.

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22 Kommentare

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  • Wieder wird der intoleranteste Teil der USA im bibelfesten mittleren Westen lokalisiert, was leider auch der Teil der USA mit dem höchsten deutschstämmigen Besiedlungsanteil ist. Selbst war ich allerdings nie dort.

    Da könnt mer doch gleich nach Mitteldeutschland gehn, des schafft mer auch zu Fuß! (Net böse sein jetzt, Ossis.) Steve Chapelle hat in seiner Show mal bewiesen, wie viele Lacher man aus der gezielten Profanisierung rassistischer Ausdrücke vor Studiopublikum erzielen kann: "And this are my neighbors, the Wetbacks. Hello Mr Wetback!"

    Das sich jeweilige Gruppen stets allen anderen Gruppen überlegen fühlen (müssen?), und diese abwerten, ist so ein Überbleibsel der Menschheitsentwicklung, die Stammesmentalität. Arschlöcher gibts allerdings überall, und eins davon in jedem von uns.. Schlimm wird es vor allem bei gezielter wirtschaftlicher Benachteiligung von Bevölkerungsgruppen, z.B. den Armen. Oder bei Gewaltandrohung gegen Flüchtlingen, die einen nichts getan haben und nur Schutz suchen, und ein Leben.

  • A
    Abschalten

    Unsere unterbelichteten Fernsehsender werden die Hate-Tweets der breiten Masse von Fernsehopfern schon als Umgangssprache vermitteln - egal ob privat oder zwangsfinanziert.

  • A
    Angst

    Wie oft wird in Deutschland das Schimpfwort "Tod" auf Englisch ( "DIE" ) genannt .....

    • @Angst:

      'Tod' heisst auf Englisch 'Death' und nicht 'Die', letzteres heisst 'sterben'. Also nicht sehr witzig, lieber erstmal Englisch lernen...

  • M
    myschkin

    hat vielleicht jemand mal daran gedacht, dass die Häufung der "rassistischen" Begriffe nicht unbedingt auf größere Ressentiments zurückzuführen ist, sondern einfach auf einen anderen Sprahgebrauch. So kann z.B. aus einem "Kanacken" in einer Ruhrgebiets-Eckkneipe, im akademischen Großstadtmillieu der "ausländische Mitbürger" werden, durchaus nicht mit weniger Hass ausgesprochen, dafür aber mit um so mehr Verachtung.

  • S
    Supi

    @heatmap

     

    Der Punkt ist, dass das eben keine einfachen "population maps" sind. Wo sind denn die einwohnerreichsten Städte an Ost- und Westküste auf der "fag-map"?

  • TP
    Taz = PI-News

    "Die Geografie des Hasses"

     

    Oh, hat man in den USA etwa die PI-Darmflora freundliche taz.de entdeckt?

  • U
    Uargh

    @ Christian:

    Was hat Rassismus mit Ausländertum zu tun? Sie scheinen da ihre deutsche Perspektive der amerikanischen Realität überstülpen zu wollen. Sollten Sie außerdem glauben, dass sich auf dem Lande in den USA nur Weiße finden lassen, dann liegen Sie ebenfalls falsch.

     

    @ Wenk:

    Sie scheinen nicht-städtische Bevölkerung ja regelrecht zu verachten, zumindest lässt mich das ihr tendenziell wirres Geschreibsel vermuten. Das macht sich natürlich schön unter einem Artikel über Hass auf andere.

     

    Zum Thema:

    Was hat die Auswirkung von Kommunikations-Protokollen eigentlich mit dem Geographiestudium zu tun? Mich erinnert das auf den ersten Blick an Soziologiestudenten, die versuchen, die Wirtschaft einer Region zu analysieren.

  • PR
    Peter Rosenstein

    Und der Erkenntnisgewinn dieses "Projektes" ist nun welcher?

  • M
    Mira

    Ich bin schockiert vor allem über den letzten Absatz: Da wird ausgibig über Fremdenhass und Homophobie geforscht, aber der offensichtliche Sexismus wird sich gespart?

    Oh Mann.

    • @Mira:

      Sorry, Mira, aber das Wort "bitch" wird garantiert von Frauen und Männern in den USA gleichermaßen getwittert. Anhand der Häufigkeit der Nennung (55.000.000 mal) ist es mittlerweile in eher umgangssprachlichen Gebrauch, welcher kaum mehr statistische Rückschlüsse bei dieser Untersuchung zuläßt. Im Gegensatz zu "dyke" (Lesbe), das sehr wohl erfaßt wurde. Chauvinistische Schnellschüsse feministischer Natur sollten begründet sein.

      • @Hung:

        Damned, 5.500.000 mal.

  • P
    Piet

    @: Dr.rer.nat. Harald Wenk

     

    Danke für die brilliante Analyse –

    jetzt wird mir vieles klarer

    in puncto "sozilsitation",

    "konversaiver mehrheiten"

    und "autoritätter regime"...

  • I
    ion

    Wow, supi, und jetzt noch mal ein„Geography of Hate Project“ für D, damit jeder wissen kann, was ihn erwartet.

  • H
    heatmap

    Dazu sag ich nur:

     

    https://xkcd.com/1138/

  • Z
    ZH1006

    Zu jedem rassistisch motivierten Tweet oder Kommentar kommen, nicht zu vergessen, noch die entsprechenden Reaktionen, auf den Online-Presseforen sind auch die überwiegend rassistisch motiviert, während in höchstens 10-15% der Fälle Position gegen die Rassisten bezogen wird.

    Interessanterweise wird gerade das oft nicht gern gesehen, man stört gewissermaßen den Forumsfrieden und wird aufgefordert, auf Provokationen zu verzichten oder sachlich zu bleiben, die rassistischen Beiträge bleiben unbehelligt.

    Aus meiner Erfahrung sind da die Moderatorenjobs nicht immer optimal besetzt.

  • C
    Christian

    Dass die Rassisten vor allem da stecken, wo sie schon mit der Lupe nach Ausländern suchen müssen ist ja nichts Neues und in Deutschland genauso.

  • A
    Anja

    Deckt sich eins zu eins mit dem Bible-Belt. Für mich keine Überraschung. Christlicher Fundamentalismus ist genauso hasserfüllt, boshaft und gefährlich, wie jeder andere Fundamentalismus auch.

     

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c2/BibleBelt.png

  • K
    Kaboom

    Und jetzt eine Karte mit den Mehrheiten bei der letzten Wahl drüber leben bitte.

  • DR
    Dr. rer. nat. Harald Wenk

    "sozilisation" ist immer "lokal", also eine sozialpsychologische karte, "richtg der bornierte bauerntöpel" grüßt nicht, der schiesst statt zuftagen, der ist rigide, ultrareligös, nicht nur in den USA, der "fret nicht, wat er net kennt". ja, goldhagens (typische) "hitlers willige helfer" kamen gerade aus den hinterwälderischen landlichen gegeenden. dies gegenden sind garanten konversaiver mehrheiten und autoritätter regime aller art, meistens durch mehrheitswahlrecht stark positiv diskriminiert.

    "ort, zeit, leuet" sagen die sufis.

    was sich bei uns zu "sozialen milieus" in der sozilsisation zusammnefasst.

    "antiintellktuell" in jeder faser.

    stadtflucht verstärkt die polarisieruung.

  • PM
    Peter Müller

    Ein weiteres Problem mit "bitch" ist, daß es auch als Verb gebraucht wird und dann zwar umgangssprachlich aber doch eher harmlos ist. To bitch about something: sich über etwas beklagen. Wie z. B. in "what can you do - it doesn't help to bitch about it". All diese Verwendungen des Wortes "bitch" müßten dann manuell rausgefiltert werden.

  • L
    lolol

    Thoughtcrime-Karte oder was soll das sein? Bin verblüfft, wie unnkritisch die taz mittlerweile bei vielen Themen ist.