Crowdfunding für Enthüllungsfilm: Rechtspopulist mit Crack-Pfeife

Torontos Stadtoberhaupt Rob Ford ist umstritten. Jetzt will das Online-Portal „Gawker“ über Crowdfunding ein Video erwerben, das ihn beim Drogenkonsum zeigt.

Will sich zu seinem angeblichen Video-Auftritt nicht äußern: Rob Ford. Bild: reuters

Das liberale Toronto würde ihn lieber heute als morgen loswerden: Rob Ford, den Oberbürgermeister der fünftgrößten Stadt Nordamerikas. Er gewann bei den Wahlen 2010 keinesfalls mit den Stimmen aus der multikulturellen Innenstadt. Es war die Unzufriedenheit der Vororte mit dem bis dahin regierenden progressiven David Miller, die den unabhängigen, konservativen Kandidaten Ford ins Amt spülte.

Ford wetterte gegen die Geldverschwendung seines Vorgängers, der in den öffentlichen Nahverkehr und den Wohnungsbau investiert hatte. Als Stadtoberhaupt geriet Ford aber schnell selbst ins Kreuzfeuer: Eine politische Konkurrentin beschuldigte ihn der sexuellen Belästigung, die LGBT-Gemeinde warf ihm sein demonstratives Fernbleiben vom Christopher Street Day vor und für Umweltaktivisten ist er ein vortrefflicher Gegner, weil er Buslinien aus den Fahrplänen strich, um damit den „Krieg gegen das Auto“ für beendet zu erklären.

Jetzt könnte es eine Gelegenheit geben, den groben Klotz zu Fall zu bringen. Aber ganz astrein ist sie nicht: Es soll ein im vergangenen Winter gedrehtes Video existieren, dass Ford beim Inhalieren von Crack zeigt. Zwei Reporter der linksliberalen Tageszeitung Toronto Star und ein Mitarbeiter des US-Online-Portals Gawker schildern jedenfalls, dass sie mit dem Besitzer dieses ominösen Filmchens in Kontakt gekommen seien und den per Handy gedrehten Clip vorgeführt bekamen.

Darin sitzt Ford auf einem Stuhl mit einem Glas-Bong, einer Art Wasserpfeife, in der Hand. Seine Augen sind halbgeschlossen, Er zündet ein Feuerzeug an und lässt es hinter dem kugelförmigen Kopf der Wasserpfeife kreisen – so beschreiben jedenfalls die Journalisten das Gesehene.

Ford soll in dem Film auch sprechen: „I am fucking right-wing“, lallt er. Und er macht eine homophobe Äußerung über den Vorsitzenden der Liberalen Partei Kanadas, Justine Trudeau. Die zwei Toronto Star-Reporter behaupten, dass am Ende des Videos das filmende Handy klingelt, woraufhin Ford irritiert in die Kamera schaut und sagt: „Das soll aber besser nicht gefilmt werden.“

Geld, um Toronto zu verlassen

Mittlerweile ist das Crack-Video das Thema Nr. 1 in Toronto und darüberhinaus, obwohl es außer den Journalisten bisher niemand zu Gesicht bekommen hat. Auf Youtube ist es nicht gepostet – aus einem einfachen Grund: Der Besitzer des Videos will es gegen Geld an Dritte aushändigen. Er verlangt eine sechsstellige Dollarsumme. Der Toronto Star lehnte es ab, den Film zu erwerben. Gawker wollte dies zunächst in Kooperation mit anderen Medien tun, fand jedoch niemanden, der sich die Kosten teilen wollte.

So winkte zum Beispiel CNN ab. Im Gegenzug wirft Gawker dem US-Fernsehsender vor, Rob Fords Entourage überhaupt erst von dem Video in Kenntnis gesetzt zu haben. CNN wandte sich mit einer entsprechenden Nachfrage an das Büro des Bürgermeisters. Gawker fürchtet nun, das Stadtoberhaupt selbst könne sich des Videos bemächtigen wollen. Und wähnt seinen Informanten gar in Lebensgefahr, würde hinter Ford doch ein mächtiger Drogenring stehen, der so einige Promis in Toronto mit Stoff versorge.

Die Höhe der verlangten Summe für den Clip erklärt Gawker schlichtweg damit, dass der Besitzer des Videos im Falle der Veröffentlichung sich in Toronto nicht mehr sicher fühlen könne und die Stadt verlassen müsse.

1000 Dollar für ein Abendessen

Dann kam dem Online-Portal die zündende Idee: Das nötige Kleingeld will es per Crowdfunding eintreiben – insgesamt 200.000 Dollar. Beim Erreichen dieser Summe werde das Video, so hätte es der Besitzer versichert, an Gawker ausgehändigt und ins Netz gestellt. Gawker setzte den so genannten Rob Ford Crackstarter auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo in Gang. Am Freitagmorgen, fünf Tage vor dem Ende des Countdowns, waren schon über 160.000 Dollar geflossen.

Die SpenderInnen werden mit Gratifikationen gelockt: So unterstützt der Verlag //twitter.com/houseofanansi:House of Anansi Press das Crowdfunding: Jeder, der sich mit 5 Dollar daran beteiligt, erhält eine freie elektronische Kopie des „Little Book of Rob Ford“, in dem alle homophoben, sexistischen und rassistischen Sprüche gesammelt sind, die der Bürgermeister in den vergangenen Jahren vom Stapel gelassen hat.

SpenderInnen von jeweils 25 Dollar werden mit einer Hardcover-Ausgabe der Publikation beglückt. Ein Geldgeber hat sich mit 1.000 Dollar sogar schon ein Abendessen mit der Gawker-Belegschaft in einem New Yorker Restaurant ergattert. Sollte die 200.000 Dollar-Marke doch nicht überschritten werden, fließt das Geld wieder an die SpenderInnen zurück.

Büroleiter gefeuert

Ford selbst scheute nach dem Bekanntwerden der Gerüchte über das Video für mehrere Tage die Öffentlichkeit, und als er sich wieder zeigte, nahm er keinerlei Stellung zu den Anschuldigungen. Was ihm nun selbst die ansonsten treu zu ihm stehende, konservative Presse übelnimmt. Doch bisher ist Ford nichts Besseres eingefallen, als seinen Büroleiter zu feuern, weil der ihm geraten haben soll, seine Drogensucht in den Griff zu kriegen.

Schon 1999 hatte die Polizei in Florida gegen Rob Ford wegen Alkohol am Steuer und Besitz von Marihuana ermittelt. Und erst in jüngster Zeit berichtete der Toronto Star ausführlich darüber, dass Ford angeblich regelmäßig zu tief ins Glas schaue.

Bisher stellte sich nur sein Bruder, der Ratsherr Doug Ford, vor die Mikros der Medien und beteuerte, dass Rob Ford niemals Crack rauchend gefilmt worden sei. Wer immer auch auf dem angeblichen Video zu sehen ist, so Doug Ford: es sei schlichtweg nicht möglich, diesem Menschen einwandfrei nachzuweisen, eine bestimmte Substanz zu sich genommen zu haben. Bei dem Video müsse es sich überdies um eine Fälschung handeln. Die Verdächtigungen gegen Rob Ford seien haltlos und diffamierend.

Doch Ford ist längst angezählt. Seine Verbündeten im Rathaus sind entsetzt über den Rausschmiss des Büroleiters und drängen den Bürgermeister, sich zu den Anschuldigungen endlich zu erklären. Längst bereiten sie sich auf den Fall vor, dass er tatsächlich über die Crack-Video-Affäre stolpert.

Schadenfreude in den USA

Fords Fall weist Parallelen mit dem des ehemaligen demokratischen Bürgermeisters von Los Angeles, Marion Barry, auf, der Ende der 80er Jahre ebenfalls des Drogenbesitzes und -konsums verdächtigt wurde. Im Januar 1990 erwischte ihn das FBI per Videokamera beim Rauchen von Crack. Er wanderte noch während seiner Amtszeit für sechs Monate ins Gefängnis und verzichtete darauf, für eine weitere Legislaturperiode zu kandidieren.

Wenig erstaunlich ist, dass viele der Spender für die Gawker-Aktion aus den Vereinigten Staaten kommen, herrscht unter ihnen doch so etwas wie eine Schadenfreude darüber, dass kanadische Politiker genauso verkommen zu sein scheinen wie ihre Kollegen südlich der Grenze.

Die Gawker-Kampagne hat aber einen Beigeschmack, denn, vorausgesetzt, das Video gibt es tatsächlich, würde das von den Usern gezahlte Geld vermutlich in die Hände von Drogendealern fließen. Heiligt der Zweck solche Mittel?

Auf der Gawker-Webseite kritisieren User, dass die 200.000 Dollar völlig überzogen seien, schließlich sei Gawker offensichtlich der einzige Kaufinteressent. Gefragt wird zudem, warum das Online-Medienunternehmen nicht selbst die Summe aufbringen will, wenn ihm das Video so wichtig ist. Gawker ist schließlich kein kleiner Fisch.

Unberechenbarer Informant

Erst Anfang des Jahres teilte Firmenchef Nick Denton mit, allein eine Million Dollar von sechs Einzelspendern erhalten zu haben. 2012 konnte sein Unternehmen ein 25-prozentiges Umsatzwachstum erzielen. Für 2013 werden 40 Prozent Steigerung erwartet. Das Eindruck entsteht, dass Gawker seine eigenen Interessen hinter dem erwartbaren Voyeurismus der Netzgemeinde versteckt.

Der Polizeichef von Toronto, Bill Blair, äußerte unterdessen, seine Behörde würde die ganze Sache genau beobachten. Sollte die Gawker-Kampagne erfolgreich sein und sich aus ihr Belege für eine kriminelle Tat ergeben, sähe sich die Polizei genötigt zu handeln.

Gawker selbst gibt zu, für wie unberechenbar es seinen Informanten hält. Sollte das notwendige Geld zusammenkommen, der Video-Deal aber trotzdem platzen, würde das Geld an eine NGO gehen, die in der Drogenarbeit tätig ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.